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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Eine Lranenfrage

und Personentransports in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Schon
wenn man die dadurch herbeigeführte Erleichterung der Haushaltungsthätigkeit
-- der Hausfrauen-, Haustöchter- und Hausmägdearbcit -- bedenkt, wird eine er¬
hebliche Abnahme der nur im Haushalt wirkenden weiblichen Personen und eine
ebensolche Zunahme der erwerbsthätigen als natürlich und notwendig anerkannt
werden müssen. Wie würde nicht schon mit einemmale die Zahl der Dienst¬
boten wieder steigen, wenn überall die Hauswasserleitungen beseitigt würden!
Von einer völlig neuen oder auch nur wesentlich veränderten Verteilung der
weiblichen Personen nach der Berufsthätigkeit können mich diese Zahlen aber
durchaus uicht überzeugen.

Stellen wir weiter die Erwerbsthätigen beider Geschlechter mit den weib¬
lichen Erwcrbsthätigen (ohne die Dienstboten) in Vergleich, worauf bekanntlich
ein besondres Gewicht gelegt wird und auch in der That zu legen ist, so er¬
halten wir folgendes Bild:

Deutschland Frankreich England und WaleZ
1895 1882 1891 1880 1891 1881
Erwerbsthätisie beider
Geschlechter..... 20 770 875 17W2003 1" 71" 717 14 8MW1 12 80048t 11187S44
Weibliche ErwerbSthätige . SAZ43S2 42S9103 4143839 444V0LS 4MS230 ""SS18
ES kommen sonach
auf je 100 Erwerbschntiae
beider Geschlechter Weib- ,
Ache ErwcrbSthiitiae. . 2b,3 24,2 28,2 2S.S 31,1 30,4

Sind etwa diese Zahlen als Beweis für die behauptete rapide Zunahme der
weiblichen Erwerbsthätigkeit und die erdrückende Konkurrenz anzuerkennen,
die sie der Männerarbeit macht? Freilich ist mit solchen Samuel- und
Durchschnittszahlen für das ganze Reich, Stadt und Land und alle Verufs-
arten zusammen, überhaupt uicht viel gesagt. Es können sich in den Gro߬
städten in hohem Grade verhängnisvolle soziale Veränderungen abspielen, die
in den Zahlen für das Reich gar nicht zum Ausdruck kommen, weil sich die
nichtgroßstädtischen Zahlen in der entgegengesetzten Richtung geltend machen;
es kann in der Industrie eine gewaltige Verschiebung zu Gunsten der Frauen¬
arbeit stattfinden, der in der Landwirtschaft das Gegenteil entspricht. Ich
stelle deshalb zunächst einmal die Zahlen für das ganze Reich mit den Zahlen
der fünfzehn schon 1882 als Großstädte, d. h. mit mehr als 100000 Ein¬
wohnern, gezählten Städte zusammen. Es kamen

im Reich i" den 15 Großstädten
, un .lircl) von l882
auf je 100 Erwerbsthätige beider Geschlechter
weibliche Erwerbsthätige..... 1895 25,3 24,4
1882 , 24,2 , 22,7

Es hat sich also der Anteil der Frauen an der Erwerbsthätigkeit in den
fünfzehn Großädten um 1,7 Prozent gehoben, während er im Reich nur um


Eine Lranenfrage

und Personentransports in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Schon
wenn man die dadurch herbeigeführte Erleichterung der Haushaltungsthätigkeit
— der Hausfrauen-, Haustöchter- und Hausmägdearbcit — bedenkt, wird eine er¬
hebliche Abnahme der nur im Haushalt wirkenden weiblichen Personen und eine
ebensolche Zunahme der erwerbsthätigen als natürlich und notwendig anerkannt
werden müssen. Wie würde nicht schon mit einemmale die Zahl der Dienst¬
boten wieder steigen, wenn überall die Hauswasserleitungen beseitigt würden!
Von einer völlig neuen oder auch nur wesentlich veränderten Verteilung der
weiblichen Personen nach der Berufsthätigkeit können mich diese Zahlen aber
durchaus uicht überzeugen.

Stellen wir weiter die Erwerbsthätigen beider Geschlechter mit den weib¬
lichen Erwcrbsthätigen (ohne die Dienstboten) in Vergleich, worauf bekanntlich
ein besondres Gewicht gelegt wird und auch in der That zu legen ist, so er¬
halten wir folgendes Bild:

Deutschland Frankreich England und WaleZ
1895 1882 1891 1880 1891 1881
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Sind etwa diese Zahlen als Beweis für die behauptete rapide Zunahme der
weiblichen Erwerbsthätigkeit und die erdrückende Konkurrenz anzuerkennen,
die sie der Männerarbeit macht? Freilich ist mit solchen Samuel- und
Durchschnittszahlen für das ganze Reich, Stadt und Land und alle Verufs-
arten zusammen, überhaupt uicht viel gesagt. Es können sich in den Gro߬
städten in hohem Grade verhängnisvolle soziale Veränderungen abspielen, die
in den Zahlen für das Reich gar nicht zum Ausdruck kommen, weil sich die
nichtgroßstädtischen Zahlen in der entgegengesetzten Richtung geltend machen;
es kann in der Industrie eine gewaltige Verschiebung zu Gunsten der Frauen¬
arbeit stattfinden, der in der Landwirtschaft das Gegenteil entspricht. Ich
stelle deshalb zunächst einmal die Zahlen für das ganze Reich mit den Zahlen
der fünfzehn schon 1882 als Großstädte, d. h. mit mehr als 100000 Ein¬
wohnern, gezählten Städte zusammen. Es kamen

im Reich i" den 15 Großstädten
, un .lircl) von l882
auf je 100 Erwerbsthätige beider Geschlechter
weibliche Erwerbsthätige..... 1895 25,3 24,4
1882 , 24,2 , 22,7

Es hat sich also der Anteil der Frauen an der Erwerbsthätigkeit in den
fünfzehn Großädten um 1,7 Prozent gehoben, während er im Reich nur um


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[0244] Eine Lranenfrage und Personentransports in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Schon wenn man die dadurch herbeigeführte Erleichterung der Haushaltungsthätigkeit — der Hausfrauen-, Haustöchter- und Hausmägdearbcit — bedenkt, wird eine er¬ hebliche Abnahme der nur im Haushalt wirkenden weiblichen Personen und eine ebensolche Zunahme der erwerbsthätigen als natürlich und notwendig anerkannt werden müssen. Wie würde nicht schon mit einemmale die Zahl der Dienst¬ boten wieder steigen, wenn überall die Hauswasserleitungen beseitigt würden! Von einer völlig neuen oder auch nur wesentlich veränderten Verteilung der weiblichen Personen nach der Berufsthätigkeit können mich diese Zahlen aber durchaus uicht überzeugen. Stellen wir weiter die Erwerbsthätigen beider Geschlechter mit den weib¬ lichen Erwcrbsthätigen (ohne die Dienstboten) in Vergleich, worauf bekanntlich ein besondres Gewicht gelegt wird und auch in der That zu legen ist, so er¬ halten wir folgendes Bild: Deutschland Frankreich England und WaleZ 1895 1882 1891 1880 1891 1881 Erwerbsthätisie beider Geschlechter..... 20 770 875 17W2003 1« 71» 717 14 8MW1 12 80048t 11187S44 Weibliche ErwerbSthätige . SAZ43S2 42S9103 4143839 444V0LS 4MS230 »«SS18 ES kommen sonach auf je 100 Erwerbschntiae beider Geschlechter Weib- , Ache ErwcrbSthiitiae. . 2b,3 24,2 28,2 2S.S 31,1 30,4 Sind etwa diese Zahlen als Beweis für die behauptete rapide Zunahme der weiblichen Erwerbsthätigkeit und die erdrückende Konkurrenz anzuerkennen, die sie der Männerarbeit macht? Freilich ist mit solchen Samuel- und Durchschnittszahlen für das ganze Reich, Stadt und Land und alle Verufs- arten zusammen, überhaupt uicht viel gesagt. Es können sich in den Gro߬ städten in hohem Grade verhängnisvolle soziale Veränderungen abspielen, die in den Zahlen für das Reich gar nicht zum Ausdruck kommen, weil sich die nichtgroßstädtischen Zahlen in der entgegengesetzten Richtung geltend machen; es kann in der Industrie eine gewaltige Verschiebung zu Gunsten der Frauen¬ arbeit stattfinden, der in der Landwirtschaft das Gegenteil entspricht. Ich stelle deshalb zunächst einmal die Zahlen für das ganze Reich mit den Zahlen der fünfzehn schon 1882 als Großstädte, d. h. mit mehr als 100000 Ein¬ wohnern, gezählten Städte zusammen. Es kamen im Reich i" den 15 Großstädten , un .lircl) von l882 auf je 100 Erwerbsthätige beider Geschlechter weibliche Erwerbsthätige..... 1895 25,3 24,4 1882 , 24,2 , 22,7 Es hat sich also der Anteil der Frauen an der Erwerbsthätigkeit in den fünfzehn Großädten um 1,7 Prozent gehoben, während er im Reich nur um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/244>, abgerufen am 08.01.2025.