Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Line Frauenfrage Nachfrage halten." Auch die sechswöchige Kündigungsfrist und die gesetzlichen Werfen wir nunmehr einen Blick auf die uns in der Statistik gebotne Line Frauenfrage Nachfrage halten." Auch die sechswöchige Kündigungsfrist und die gesetzlichen Werfen wir nunmehr einen Blick auf die uns in der Statistik gebotne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227143"/> <fw type="header" place="top"> Line Frauenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_787" prev="#ID_786"> Nachfrage halten." Auch die sechswöchige Kündigungsfrist und die gesetzlichen<lb/> Umzugstermine zum Quartalswechsel will er abgeschafft sehen. Er will,<lb/> wenn nichts andres verabredet ist, eine vierzehntägige Kündigungsfrist, die von<lb/> jedem Tage an läuft. An diese Reformvorschläge knüpft er dann folgende<lb/> Betrachtung: ,,Zu viel kann man sich freilich davon nicht versprechen, denn<lb/> die eigentlichen Mißstände im Dienstbotenwesen dürften nicht in den gesetzlichen<lb/> und obrigkeitlichen Vorschriften, sondern in moralischen Verhältnissen liegen,<lb/> einerseits bei den Dienstherrschaften, die in dem Mädchen vielfach leider weniger<lb/> die Hausgenossin als eine mechanische Arbeitskraft sehen, andrerseits in dem<lb/> Dienstmädchen, das in geistiger und sittlicher Bildung noch zu sehr zurücksteht<lb/> und auch hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts zu große Ansprüche stellt,<lb/> als daß es imstande wäre, sich der Ordnung eines fremden Hauswesens leicht<lb/> zu fügen, sich in dessen Gewohnheiten hineinzudenken und eine wirklich teil¬<lb/> nehmende Hausgenossin zu sein." Und das ganze Kapitel schließt folgender¬<lb/> maßen ab: „Zur Zeit macht es den Eindruck, als ob sich die Dienstmädchen<lb/> in den großen Städten mehr zu einer Art von Tagearbeiterinnen entwickelten.<lb/> Häufiger Stellenwechsel, kurze Kündigungsfrist, kurze tägliche Arbeitszeit sind<lb/> die Ziele der jetzigen Bewegung. Auch die freie Kost wird zur Zeit schon<lb/> häusig von der Dienstherrschaft abgelöst. Geschieht dies auch mit der freien<lb/> Wohnung im Haushalt, so kommt man zu Verhältnissen ähnlich denen bei<lb/> Fabrikarbeiterinnen. Bestimmter Antritt zur Arbeit, bestimmte Pausen, be¬<lb/> stimmter Schluß. Damit hört die Hanshaltsgemeinschaft auf, und an ihre<lb/> Stelle tritt ein Aufwärterinnenwesen, wie es schon jetzt eine nicht geringe<lb/> Verbreitung hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_788" next="#ID_789"> Werfen wir nunmehr einen Blick auf die uns in der Statistik gebotne<lb/> Auskunft über den Stand und die Entwicklung des Dienstbotenwesens in ganz<lb/> Deutschland, so möchte ich vou vornherein darauf hinweisen, daß gerade in<lb/> Bezug auf die Berufsthätigkeit der Frauen die Ergebnisse der statistischen Er¬<lb/> hebungen vielfach dazu haben herhalten sollen, die Behauptung zu beweisen,<lb/> die naturwissenschaftlich-technische Vervollkommnung der Produktivns- und<lb/> Verkehrsmittel habe in neuerer Zeit die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<lb/> Verhältnisse so vollständig verändert, daß nichts mehr von allem, was<lb/> bisher als moralisch und rechtlich geboten, als sozial nud wirtschaftlich<lb/> vernünftig gegolten hat, für die neue Welt passe. Ganz gewiß haben<lb/> die veränderten Produktionsmittel eine Reihe von Verschiebungen in der<lb/> wirtschaftlichen und sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung, in der Arbeits¬<lb/> teilung zwischen Mann und Weib und innerhalb der beiden Geschlechter<lb/> veranlaßt. Aber ich kann aus der Statistik die völlige Umwälzung der frühern<lb/> Verhältnisse beim besten Willen nicht herauslesen, weder wenn ich das Gesamt¬<lb/> bild der neuesten Zahlen über die Verufsverteilung mit dem vergleiche,<lb/> was man allgemein als das Alte bezeichnet, noch wenn ich die Ergebnisse</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
Line Frauenfrage
Nachfrage halten." Auch die sechswöchige Kündigungsfrist und die gesetzlichen
Umzugstermine zum Quartalswechsel will er abgeschafft sehen. Er will,
wenn nichts andres verabredet ist, eine vierzehntägige Kündigungsfrist, die von
jedem Tage an läuft. An diese Reformvorschläge knüpft er dann folgende
Betrachtung: ,,Zu viel kann man sich freilich davon nicht versprechen, denn
die eigentlichen Mißstände im Dienstbotenwesen dürften nicht in den gesetzlichen
und obrigkeitlichen Vorschriften, sondern in moralischen Verhältnissen liegen,
einerseits bei den Dienstherrschaften, die in dem Mädchen vielfach leider weniger
die Hausgenossin als eine mechanische Arbeitskraft sehen, andrerseits in dem
Dienstmädchen, das in geistiger und sittlicher Bildung noch zu sehr zurücksteht
und auch hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts zu große Ansprüche stellt,
als daß es imstande wäre, sich der Ordnung eines fremden Hauswesens leicht
zu fügen, sich in dessen Gewohnheiten hineinzudenken und eine wirklich teil¬
nehmende Hausgenossin zu sein." Und das ganze Kapitel schließt folgender¬
maßen ab: „Zur Zeit macht es den Eindruck, als ob sich die Dienstmädchen
in den großen Städten mehr zu einer Art von Tagearbeiterinnen entwickelten.
Häufiger Stellenwechsel, kurze Kündigungsfrist, kurze tägliche Arbeitszeit sind
die Ziele der jetzigen Bewegung. Auch die freie Kost wird zur Zeit schon
häusig von der Dienstherrschaft abgelöst. Geschieht dies auch mit der freien
Wohnung im Haushalt, so kommt man zu Verhältnissen ähnlich denen bei
Fabrikarbeiterinnen. Bestimmter Antritt zur Arbeit, bestimmte Pausen, be¬
stimmter Schluß. Damit hört die Hanshaltsgemeinschaft auf, und an ihre
Stelle tritt ein Aufwärterinnenwesen, wie es schon jetzt eine nicht geringe
Verbreitung hat."
Werfen wir nunmehr einen Blick auf die uns in der Statistik gebotne
Auskunft über den Stand und die Entwicklung des Dienstbotenwesens in ganz
Deutschland, so möchte ich vou vornherein darauf hinweisen, daß gerade in
Bezug auf die Berufsthätigkeit der Frauen die Ergebnisse der statistischen Er¬
hebungen vielfach dazu haben herhalten sollen, die Behauptung zu beweisen,
die naturwissenschaftlich-technische Vervollkommnung der Produktivns- und
Verkehrsmittel habe in neuerer Zeit die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse so vollständig verändert, daß nichts mehr von allem, was
bisher als moralisch und rechtlich geboten, als sozial nud wirtschaftlich
vernünftig gegolten hat, für die neue Welt passe. Ganz gewiß haben
die veränderten Produktionsmittel eine Reihe von Verschiebungen in der
wirtschaftlichen und sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung, in der Arbeits¬
teilung zwischen Mann und Weib und innerhalb der beiden Geschlechter
veranlaßt. Aber ich kann aus der Statistik die völlige Umwälzung der frühern
Verhältnisse beim besten Willen nicht herauslesen, weder wenn ich das Gesamt¬
bild der neuesten Zahlen über die Verufsverteilung mit dem vergleiche,
was man allgemein als das Alte bezeichnet, noch wenn ich die Ergebnisse
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