Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Line Frauenfrage von den zum Glück selten vorkommenden Dienstherrschaften, die aus Charakter- Weiter macht Dr. Hirschberg noch Angaben über einige andre That¬ Von einer "Abschaffung" der altpreußischen Gesindeordnung erwartet Hirsch¬ Line Frauenfrage von den zum Glück selten vorkommenden Dienstherrschaften, die aus Charakter- Weiter macht Dr. Hirschberg noch Angaben über einige andre That¬ Von einer „Abschaffung" der altpreußischen Gesindeordnung erwartet Hirsch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227142"/> <fw type="header" place="top"> Line Frauenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> von den zum Glück selten vorkommenden Dienstherrschaften, die aus Charakter-<lb/> vder Temperamentsfehlern überhaupt nicht mit ihren Angestellten umzugehen<lb/> verstehen."</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> Weiter macht Dr. Hirschberg noch Angaben über einige andre That¬<lb/> sachen. So sind im Jahre 1895 als nach Berlin „zugezogen" berechnet worden:<lb/> 43238 Dienstmädchen, als „fortgezogen" geschätzt: 38000, durch Heirat<lb/> ausgeschieden: 3415. Die Zahl der „eigentlichen Dienstmädchen in den Haus¬<lb/> haltungen Berlins" im Jahre 1895 kann seiner Annahme nach auf 65000<lb/> veranschlagt werden, was mit den amtlich veröffentlichten Ergebnissen der<lb/> Bernfszählung vom 14. Juni des genannten Jahres nicht übereinstimmt. Nach<lb/> diesen sind nur 61063 weibliche Dienstboten gezählt worden. Über das Stellen¬<lb/> vermittlungswesen teilt er mit, daß etwa 250 Institute bestehen, die diesen<lb/> Zweck gewerbsmäßig verfolgen. Das bedeutendste davon hat in dem einen<lb/> Jahre 1892 nicht weniger als 62000 Stellen vermittelt. Ob das nur eigent¬<lb/> liche Dienstboten für häusliche Dienste waren, ist nicht gesagt. Jedenfalls waren<lb/> darunter wohl die männlichen, wie Kutscher u. dergl., die nicht im Hause<lb/> der Herrschaft leben. Die Stellenvermittlung durch gemeinnützige Vereine<lb/> tritt gegen die gewerbsmäßige weit in den Hintergrund. Wichtiger ist ihre<lb/> sonstige Fürsorge. So hat das „Amalienhaus" in einem Jahre 689 Dienst¬<lb/> mädchen, die ihre Stellen wechselten, in 6440 Nächten beherbergt; „Mcirthas<lb/> Hof" sorgt ähnlich für Unterkunft der Mädchen, auch im Falle von Reisen<lb/> der Herrschaften; das „Charlottenheim" ist unter anderen auch auf angemessene<lb/> Unterhaltung der Dienstmädchen an Sonntagen bedacht. Ähnlich wirken das<lb/> „Heimatshaus für stellensuchende Mädchen," das „Se. Afrastift" und das<lb/> „Se. Marienstift." Sehr erkennt Hirschberg das Bestreben verschiedner Vereine<lb/> an, die aus der Provinz ankommenden Mädchen auf den Bahnhöfen „abzu¬<lb/> fangen" und ihnen Unterkunft und Unterstützung beim Stellensnchen zu ge¬<lb/> währen. Wenn er es für unzweckmäßig hält, daß diese Vereine vielfach „religiöse<lb/> Bestrebungen mit ihren sonstigen guten Zwecken vermengen," so ist das ein¬<lb/> seitig. Solche guten Zwecke zu verfolgen ist doch gerade auch Aufgabe kirchlich¬<lb/> religiöser Gemeinschaften, und diesen Charakter dabei zu bewahren haben sie<lb/> auch das Recht. Nur Unduldsamkeit und Aufdringlichkeit ist zu vermeiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Von einer „Abschaffung" der altpreußischen Gesindeordnung erwartet Hirsch¬<lb/> berg wenig Wirkung. Als veraltet erscheinen ihm die Bestimmung über das<lb/> „Züchtigungsrecht der Herrschaft" und die „Zeugnisbücher," die sogenannten<lb/> Dienstbücher. Die Zeugnisse selbst, wie sie jetzt vorgeschrieben sind, hält er für<lb/> besonders unzweckmäßig: die Wahrheit stehe ohnehin weder in den Zeugnissen<lb/> noch in dem nach Vorschrift anzuführenden Grunde des Dienstaustritts. „Wären<lb/> die Zeugnisbücher nicht Vorschrift, so würden die Dienstmädchen sich mir dann<lb/> solche ausstellen lassen, wenn sie gute Älteste erhalten können, und die Herr¬<lb/> schaft würde mehr, als es bis jetzt üblich ist, persönlich, mündlich oder schriftlich,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
Line Frauenfrage
von den zum Glück selten vorkommenden Dienstherrschaften, die aus Charakter-
vder Temperamentsfehlern überhaupt nicht mit ihren Angestellten umzugehen
verstehen."
Weiter macht Dr. Hirschberg noch Angaben über einige andre That¬
sachen. So sind im Jahre 1895 als nach Berlin „zugezogen" berechnet worden:
43238 Dienstmädchen, als „fortgezogen" geschätzt: 38000, durch Heirat
ausgeschieden: 3415. Die Zahl der „eigentlichen Dienstmädchen in den Haus¬
haltungen Berlins" im Jahre 1895 kann seiner Annahme nach auf 65000
veranschlagt werden, was mit den amtlich veröffentlichten Ergebnissen der
Bernfszählung vom 14. Juni des genannten Jahres nicht übereinstimmt. Nach
diesen sind nur 61063 weibliche Dienstboten gezählt worden. Über das Stellen¬
vermittlungswesen teilt er mit, daß etwa 250 Institute bestehen, die diesen
Zweck gewerbsmäßig verfolgen. Das bedeutendste davon hat in dem einen
Jahre 1892 nicht weniger als 62000 Stellen vermittelt. Ob das nur eigent¬
liche Dienstboten für häusliche Dienste waren, ist nicht gesagt. Jedenfalls waren
darunter wohl die männlichen, wie Kutscher u. dergl., die nicht im Hause
der Herrschaft leben. Die Stellenvermittlung durch gemeinnützige Vereine
tritt gegen die gewerbsmäßige weit in den Hintergrund. Wichtiger ist ihre
sonstige Fürsorge. So hat das „Amalienhaus" in einem Jahre 689 Dienst¬
mädchen, die ihre Stellen wechselten, in 6440 Nächten beherbergt; „Mcirthas
Hof" sorgt ähnlich für Unterkunft der Mädchen, auch im Falle von Reisen
der Herrschaften; das „Charlottenheim" ist unter anderen auch auf angemessene
Unterhaltung der Dienstmädchen an Sonntagen bedacht. Ähnlich wirken das
„Heimatshaus für stellensuchende Mädchen," das „Se. Afrastift" und das
„Se. Marienstift." Sehr erkennt Hirschberg das Bestreben verschiedner Vereine
an, die aus der Provinz ankommenden Mädchen auf den Bahnhöfen „abzu¬
fangen" und ihnen Unterkunft und Unterstützung beim Stellensnchen zu ge¬
währen. Wenn er es für unzweckmäßig hält, daß diese Vereine vielfach „religiöse
Bestrebungen mit ihren sonstigen guten Zwecken vermengen," so ist das ein¬
seitig. Solche guten Zwecke zu verfolgen ist doch gerade auch Aufgabe kirchlich¬
religiöser Gemeinschaften, und diesen Charakter dabei zu bewahren haben sie
auch das Recht. Nur Unduldsamkeit und Aufdringlichkeit ist zu vermeiden.
Von einer „Abschaffung" der altpreußischen Gesindeordnung erwartet Hirsch¬
berg wenig Wirkung. Als veraltet erscheinen ihm die Bestimmung über das
„Züchtigungsrecht der Herrschaft" und die „Zeugnisbücher," die sogenannten
Dienstbücher. Die Zeugnisse selbst, wie sie jetzt vorgeschrieben sind, hält er für
besonders unzweckmäßig: die Wahrheit stehe ohnehin weder in den Zeugnissen
noch in dem nach Vorschrift anzuführenden Grunde des Dienstaustritts. „Wären
die Zeugnisbücher nicht Vorschrift, so würden die Dienstmädchen sich mir dann
solche ausstellen lassen, wenn sie gute Älteste erhalten können, und die Herr¬
schaft würde mehr, als es bis jetzt üblich ist, persönlich, mündlich oder schriftlich,
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