Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Madlene und Kleeäcker ninßien schleunigst gefegt, d, h. von ausgewitterte" Dünger und von Hab alleweil einen recht bösen Finger; ist der Wurm dran. Aber dn giebts Bald darauf stand der Rechen der Bärbel still, und sie näherte sich der Die Kleefcgerinnen waren noch nicht weit von Ackeraufstvß, in dessen Quer- Madlene und Kleeäcker ninßien schleunigst gefegt, d, h. von ausgewitterte« Dünger und von Hab alleweil einen recht bösen Finger; ist der Wurm dran. Aber dn giebts Bald darauf stand der Rechen der Bärbel still, und sie näherte sich der Die Kleefcgerinnen waren noch nicht weit von Ackeraufstvß, in dessen Quer- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227129"/> <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/> <p xml:id="ID_721" prev="#ID_720"> und Kleeäcker ninßien schleunigst gefegt, d, h. von ausgewitterte« Dünger und von<lb/> Steinen gereinigt werden. Der Kleine ankerte und säte Hafer, Mndlene begab sich<lb/> nach dem „Rangen," den Klee zu fegen. Jedes Steinchen war abzulesen, damit<lb/> beim Mähen die Sense nicht Schaden leide. Sie hatte noch nicht lange ihr Ge¬<lb/> schäft auf dem grünenden Acker begonnen, da erschien die alte Matthesensbärbel<lb/> auf ihrem anliegenden Kleeacker und begann ebenfalls eifrig zu rechen. Und sie<lb/> wußte es einzurichten in ihrer Geschäftigkeit, daß sie bald in die Nähe der Mad¬<lb/> lene kam, um mit ihr anbinden zu können. Denn die alte Bärbel arbeitete noch<lb/> einmal so gern, wenn sie sich dabei unterhalten konnte; da floß es von ihren<lb/> Lippen aus alter und neuer Zeit wie das Dorfbächleiu, worin sich die jungen<lb/> wolligen Giiusleiu tummeln. ES fehlte auch nicht um Kieselsteinen darin; und je<lb/> nach Umständen machten die böse» Gänslein das Wässerlein auch einmal trüb.</p><lb/> <p xml:id="ID_722"> Hab alleweil einen recht bösen Finger; ist der Wurm dran. Aber dn giebts<lb/> nichts bessers, als einen lebendigen Regenwurm drauf binden: gleich ist der Schmerz<lb/> weg. He, da war einmal — 's ist schon lange her — ne Fran, die Nikelsknnnel,<lb/> die hatte eine böse Zehe, war ordentlich schwarz. Und der Schäfer thats nit<lb/> anders, hat die Zeh aufgeschnitten; und ist ihr die Zeh aufs Herz gezogn, und in drei<lb/> Tagen war die Nikelsknnnel tot. Merk dirs, Mndlene! Ein lebendiger Regenwurm.</p><lb/> <p xml:id="ID_723"> Bald darauf stand der Rechen der Bärbel still, und sie näherte sich der<lb/> Madlene bis ans zwei Schritte nud begann halblaut und etwas erregt: He, Medla!<lb/> Sif drüberuaus, das Unglück des Rödersfrieder! Sind nun sechs Wochen. Der<lb/> liegt dir fest, darf sich nit rührn — wie angenagelt. Sif drüberuaus! Und<lb/> noch sechs Wochen müßt er so lieg, hat der Doktor gsagt. Die Lent sagn — dn<lb/> hast ihn doch selninl heimgeschafft —, die Leut sagn, ihr könnt't einander nit er¬<lb/> rechn; wenns der Türkeudres gewesen wär, thatst du freilich anders um ihn.<lb/> Ha, wer mag denn sowas nacherzähln! Aber der Türkeudres wär alleweil a Vor¬<lb/> nehmer draußen in der Fremd. Und wenn er kam, könnts unent doch uoch was<lb/> werdn. He, Medla, dein Frieder gönn ichs in einer Art; der ist doch immer um<lb/> einem vorbeigelaufen wie ein Schatzheber, oder als hätt ers mit der schwarzen<lb/> Kunst. Ich wiißt was für sein Bein; da folles bald anders nnssehn. Aber dem<lb/> sng ichs nit. Dn kannst dirs aber merk, Madlene. Mau nimmt ein Schock Krebs,<lb/> schält sie aus, dieweil sie uoch rot hin, nimmt das Fleisch davon und ein gut Teil<lb/> Wernint, einen guten Teil Schmer, auch Butter, diese vier Stück zusammn ge¬<lb/> macht und fein klein gehackt, hernach ordentlich beim Feuer gekocht, so wird das<lb/> ne Salm, wies keine weiter gilt; und die helt dir in drei Wochen 'n Beinbruch.<lb/> Aber dem sag ichs nit, partout uit. In dieser Weise redete die Bärbel in Mat-<lb/> te"e hinein und stemmte bald die Rechte, bald die Linke in die Seite, je nachdem<lb/> der Rechen hinüber oder herüber flog, und verbeugte sich und nickte dabei so<lb/> herzhaft, stampfte auch dazwischen mit dem einen oder andern umfangreiche» Fuß<lb/> den jungen Klee, daß ihr ganzes Inwendiges zum Vorschein kam. Manchmal<lb/> stand der Rechen des gequälten Mädchens ein wenig still; denn fegte er wieder<lb/> umso heftiger.</p><lb/> <p xml:id="ID_724"> Die Kleefcgerinnen waren noch nicht weit von Ackeraufstvß, in dessen Quer-<lb/> furche eine Fußgängerlinie vom Trettersberg herüber durch den Rangen nach dem<lb/> Dörfchen lief. Vom Trettersberger Grümbke her kam eben der Gründe! vom Rot¬<lb/> kehlchenfang; und er kam just 'dazu, wie sich die Bärbel von der Madlene ab¬<lb/> wandte zur Fortsetzung ihres Feggeschäfts mit der lauten Wiederholung des Rufes:<lb/> ^es gonns ihm in einer Art! Der Gründe! war bereits nahe genug, das zu<lb/> verstehen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
Madlene
und Kleeäcker ninßien schleunigst gefegt, d, h. von ausgewitterte« Dünger und von
Steinen gereinigt werden. Der Kleine ankerte und säte Hafer, Mndlene begab sich
nach dem „Rangen," den Klee zu fegen. Jedes Steinchen war abzulesen, damit
beim Mähen die Sense nicht Schaden leide. Sie hatte noch nicht lange ihr Ge¬
schäft auf dem grünenden Acker begonnen, da erschien die alte Matthesensbärbel
auf ihrem anliegenden Kleeacker und begann ebenfalls eifrig zu rechen. Und sie
wußte es einzurichten in ihrer Geschäftigkeit, daß sie bald in die Nähe der Mad¬
lene kam, um mit ihr anbinden zu können. Denn die alte Bärbel arbeitete noch
einmal so gern, wenn sie sich dabei unterhalten konnte; da floß es von ihren
Lippen aus alter und neuer Zeit wie das Dorfbächleiu, worin sich die jungen
wolligen Giiusleiu tummeln. ES fehlte auch nicht um Kieselsteinen darin; und je
nach Umständen machten die böse» Gänslein das Wässerlein auch einmal trüb.
Hab alleweil einen recht bösen Finger; ist der Wurm dran. Aber dn giebts
nichts bessers, als einen lebendigen Regenwurm drauf binden: gleich ist der Schmerz
weg. He, da war einmal — 's ist schon lange her — ne Fran, die Nikelsknnnel,
die hatte eine böse Zehe, war ordentlich schwarz. Und der Schäfer thats nit
anders, hat die Zeh aufgeschnitten; und ist ihr die Zeh aufs Herz gezogn, und in drei
Tagen war die Nikelsknnnel tot. Merk dirs, Mndlene! Ein lebendiger Regenwurm.
Bald darauf stand der Rechen der Bärbel still, und sie näherte sich der
Madlene bis ans zwei Schritte nud begann halblaut und etwas erregt: He, Medla!
Sif drüberuaus, das Unglück des Rödersfrieder! Sind nun sechs Wochen. Der
liegt dir fest, darf sich nit rührn — wie angenagelt. Sif drüberuaus! Und
noch sechs Wochen müßt er so lieg, hat der Doktor gsagt. Die Lent sagn — dn
hast ihn doch selninl heimgeschafft —, die Leut sagn, ihr könnt't einander nit er¬
rechn; wenns der Türkeudres gewesen wär, thatst du freilich anders um ihn.
Ha, wer mag denn sowas nacherzähln! Aber der Türkeudres wär alleweil a Vor¬
nehmer draußen in der Fremd. Und wenn er kam, könnts unent doch uoch was
werdn. He, Medla, dein Frieder gönn ichs in einer Art; der ist doch immer um
einem vorbeigelaufen wie ein Schatzheber, oder als hätt ers mit der schwarzen
Kunst. Ich wiißt was für sein Bein; da folles bald anders nnssehn. Aber dem
sng ichs nit. Dn kannst dirs aber merk, Madlene. Mau nimmt ein Schock Krebs,
schält sie aus, dieweil sie uoch rot hin, nimmt das Fleisch davon und ein gut Teil
Wernint, einen guten Teil Schmer, auch Butter, diese vier Stück zusammn ge¬
macht und fein klein gehackt, hernach ordentlich beim Feuer gekocht, so wird das
ne Salm, wies keine weiter gilt; und die helt dir in drei Wochen 'n Beinbruch.
Aber dem sag ichs nit, partout uit. In dieser Weise redete die Bärbel in Mat-
te"e hinein und stemmte bald die Rechte, bald die Linke in die Seite, je nachdem
der Rechen hinüber oder herüber flog, und verbeugte sich und nickte dabei so
herzhaft, stampfte auch dazwischen mit dem einen oder andern umfangreiche» Fuß
den jungen Klee, daß ihr ganzes Inwendiges zum Vorschein kam. Manchmal
stand der Rechen des gequälten Mädchens ein wenig still; denn fegte er wieder
umso heftiger.
Die Kleefcgerinnen waren noch nicht weit von Ackeraufstvß, in dessen Quer-
furche eine Fußgängerlinie vom Trettersberg herüber durch den Rangen nach dem
Dörfchen lief. Vom Trettersberger Grümbke her kam eben der Gründe! vom Rot¬
kehlchenfang; und er kam just 'dazu, wie sich die Bärbel von der Madlene ab¬
wandte zur Fortsetzung ihres Feggeschäfts mit der lauten Wiederholung des Rufes:
^es gonns ihm in einer Art! Der Gründe! war bereits nahe genug, das zu
verstehen.
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