Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft? liebes Drittel unsrer Bevölkerung, nümlich 18501307 Köpfe (35,74 Prozent Eine Bevöllerungsschicht, wie die landwirtschaftliche, die einen Geburten¬ wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft? liebes Drittel unsrer Bevölkerung, nümlich 18501307 Köpfe (35,74 Prozent Eine Bevöllerungsschicht, wie die landwirtschaftliche, die einen Geburten¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227119"/> <fw type="header" place="top"> wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft?</fw><lb/> <p xml:id="ID_688" prev="#ID_687"> liebes Drittel unsrer Bevölkerung, nümlich 18501307 Köpfe (35,74 Prozent<lb/> der Gesamtbevölkerung). Bei einer Geburtenzahl und einer Sterblichkeit, die<lb/> der der übrigen Bevölkerung gleichkommt, würde sie also noch im Jahre 1915<lb/> 35,74 Prozent der Rekruten stellen. Dies ist eine Mindestzahl, die durch die<lb/> bessern Geburth- und Sterblichkcitsverhältnisse der Landbevölkerung, sowie<lb/> durch die höhere Tauglichkeit ihrer Dienstpflichtigen beträchtlich erhöht wird.<lb/> Machen also uoch im Jahre 1915 die landwirtschaftlichen Rekruten weit mehr<lb/> als ein Drittel des Heeres aus, so heute sicherlich über die Hälfte. Um dies<lb/> zu zeigen, müßte man eigentlich auf den Prozentsatz zurückgreifen, den die land¬<lb/> wirtschaftliche Bevölkerung unter der Gesamtbevölkerung zur Zeit der Geburt<lb/> der jetzt dienenden Mannschafen für sich in Anspruch nahm, also auf ihren Ve-<lb/> völkerungsanteil in den Jahren 1876 bis 1877. Man befände sich damit in<lb/> Übereinstimmung mit Brentano, der ja auf den Beruf der Eltern der Rekruten<lb/> zurückgehen wollte, um das Heereskontingent der ländlichen Bevölkerung genauer,<lb/> als es durch die Erforschung des Berufs der Rekruten geschehen könnte, fest¬<lb/> zustellen. Um aber eine Konzession an die Wirkung des Milieu social zu<lb/> machen, das die nnter der Fabrikbevölkerung usw. aufwachsenden Bauernsöhne<lb/> in ihrer Tauglichkeit für den Heeresdienst ungünstig beeinflussen könnte, kann<lb/> man annehmen, daß sie der jedenfalls weniger zahlreichen Landbevölkerung ent¬<lb/> sprungen seien, die im Jahre 1882 vorhanden war und 19225455 Köpfe<lb/> zählte. Diese Bevölkerung, die sich zur gesamten übrigen, nicht bloß zur<lb/> industriellen, verhält wie 42,51 : 57,49, wird aber in Ansehung ihrer günstigen<lb/> Geburth- und Sterblichkeitsverhältnisfe, sowie ihrer höhern Militärtauglichkeit<lb/> mit ihrem Rekrutenanteil sicherlich nur wenig hinter der Hälfte der Nekruten-<lb/> zahl zurückbleiben, die die Gesamtbevölkerung stellt, wenn nicht gar, was<lb/> das wahrscheinlichere ist, sie überschreiten. —</p><lb/> <p xml:id="ID_689"> Eine Bevöllerungsschicht, wie die landwirtschaftliche, die einen Geburten¬<lb/> überschuß hat, der deu der gesamten übrigen übertrifft, zeigt seit 1882 keinerlei<lb/> Vermehrung, wo man doch die größte erwarten sollte; ja sie ist nicht einmal<lb/> stationär geblieben, sondern von 19225455 auf 18501307 Köpfe zurückgegangen.<lb/> Ihr starker Geburtenüberschuß reichte also nicht einmal hin, um die Lücken<lb/> zu füllen, die der Abzug in die Judustriebezirke herbeiführte. Wenn auch die<lb/> Auswanderung in das Ausland in den fünfzehn Jahren von 1880 bis 1895 dem<lb/> Reiche im Durchschnitt jährlich 117000 Menschen gekostet hat. so ist es sicher,<lb/> daß nicht allein Landleute auswanderten; und selbst wenn es bloß solche ge¬<lb/> wesen wären, so würde die Industrie doch noch jährlich einen Zuzug vom<lb/> Lande in Stärke von 75000 Personen erhalten haben, wenn man annimmt,<lb/> daß die ländliche Bevölkerung vom Jahre 1882 sich jährlich auch nur um<lb/> 1 Prozent, also in dem Maße wie die Neichsbevölkerung vermehrt habe. Daß<lb/> dieser Jahresverlust von mindestens 75000 Köpfen thatsächlich weit höher ist<lb/> und wahrscheinlich die Zahl von 100000 übersteigt, ist nach den vorstehend<lb/> gegebnen Begrenzungen der Rechnung klar.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0217]
wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft?
liebes Drittel unsrer Bevölkerung, nümlich 18501307 Köpfe (35,74 Prozent
der Gesamtbevölkerung). Bei einer Geburtenzahl und einer Sterblichkeit, die
der der übrigen Bevölkerung gleichkommt, würde sie also noch im Jahre 1915
35,74 Prozent der Rekruten stellen. Dies ist eine Mindestzahl, die durch die
bessern Geburth- und Sterblichkcitsverhältnisse der Landbevölkerung, sowie
durch die höhere Tauglichkeit ihrer Dienstpflichtigen beträchtlich erhöht wird.
Machen also uoch im Jahre 1915 die landwirtschaftlichen Rekruten weit mehr
als ein Drittel des Heeres aus, so heute sicherlich über die Hälfte. Um dies
zu zeigen, müßte man eigentlich auf den Prozentsatz zurückgreifen, den die land¬
wirtschaftliche Bevölkerung unter der Gesamtbevölkerung zur Zeit der Geburt
der jetzt dienenden Mannschafen für sich in Anspruch nahm, also auf ihren Ve-
völkerungsanteil in den Jahren 1876 bis 1877. Man befände sich damit in
Übereinstimmung mit Brentano, der ja auf den Beruf der Eltern der Rekruten
zurückgehen wollte, um das Heereskontingent der ländlichen Bevölkerung genauer,
als es durch die Erforschung des Berufs der Rekruten geschehen könnte, fest¬
zustellen. Um aber eine Konzession an die Wirkung des Milieu social zu
machen, das die nnter der Fabrikbevölkerung usw. aufwachsenden Bauernsöhne
in ihrer Tauglichkeit für den Heeresdienst ungünstig beeinflussen könnte, kann
man annehmen, daß sie der jedenfalls weniger zahlreichen Landbevölkerung ent¬
sprungen seien, die im Jahre 1882 vorhanden war und 19225455 Köpfe
zählte. Diese Bevölkerung, die sich zur gesamten übrigen, nicht bloß zur
industriellen, verhält wie 42,51 : 57,49, wird aber in Ansehung ihrer günstigen
Geburth- und Sterblichkeitsverhältnisfe, sowie ihrer höhern Militärtauglichkeit
mit ihrem Rekrutenanteil sicherlich nur wenig hinter der Hälfte der Nekruten-
zahl zurückbleiben, die die Gesamtbevölkerung stellt, wenn nicht gar, was
das wahrscheinlichere ist, sie überschreiten. —
Eine Bevöllerungsschicht, wie die landwirtschaftliche, die einen Geburten¬
überschuß hat, der deu der gesamten übrigen übertrifft, zeigt seit 1882 keinerlei
Vermehrung, wo man doch die größte erwarten sollte; ja sie ist nicht einmal
stationär geblieben, sondern von 19225455 auf 18501307 Köpfe zurückgegangen.
Ihr starker Geburtenüberschuß reichte also nicht einmal hin, um die Lücken
zu füllen, die der Abzug in die Judustriebezirke herbeiführte. Wenn auch die
Auswanderung in das Ausland in den fünfzehn Jahren von 1880 bis 1895 dem
Reiche im Durchschnitt jährlich 117000 Menschen gekostet hat. so ist es sicher,
daß nicht allein Landleute auswanderten; und selbst wenn es bloß solche ge¬
wesen wären, so würde die Industrie doch noch jährlich einen Zuzug vom
Lande in Stärke von 75000 Personen erhalten haben, wenn man annimmt,
daß die ländliche Bevölkerung vom Jahre 1882 sich jährlich auch nur um
1 Prozent, also in dem Maße wie die Neichsbevölkerung vermehrt habe. Daß
dieser Jahresverlust von mindestens 75000 Köpfen thatsächlich weit höher ist
und wahrscheinlich die Zahl von 100000 übersteigt, ist nach den vorstehend
gegebnen Begrenzungen der Rechnung klar.
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