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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Der Krieg von ^366 und seine Folgen

sich nach seinen Depeschen gar kein eignes Urteil bilden könne. Und dazu
schwankten seine Darstellungen von einem Extrem zum andern hin und her:
einmal sei alles ooulsur als rc>86, und acht Tage darauf schreibe er dann
wieder, in Italien sei alles verloren, wenn man dem Könige nicht den
schwarzen Adlerorden sende. Ähnlich spricht sich Bismarck am 10. Mai 1867
aus. Da hieß es, Usedom schreibe uicht Berichte sondern Leitartikel, weit¬
läufige Betrachtungen über das, was erfolgen könne, wenn dies und das ge¬
schehe, oder über das, was sich ergeben würde, wenn das eine und andre
anders gemacht worden wäre; er habe nicht Zeit, dergleichen zu lesen, und
damit sei nichts anzufangen; wenn er aber Usedom und Brassier Samt Simon
(in Konstantinopel) wollte die Stellen wechseln lassen, so wäre auch nichts
gewonnen. Das Ende war, daß Bernhardt am 11. Mai 1867 nach Florenz
als Militärbevollmüchtigter ging, um militärische und politische Berichte nach
Berlin zu erstatten; denn "wir brauchen, wie Bismarck ein andres mal zu
ihm sagte, präzise und zuverlässige Berichte aus Italien: wir müssen da jemand
haben, an den wir schreiben können. Usedom ist nicht zu beseitigen; ihn ohne
weitere Umstände zur Disposition zu stellen, dazu kann sich der König nicht
entschließen, dazu ist er zu rücksichtsvoll; dazu vermag ich ihn nicht zu
bringen."

Über den Grafen Robert Goltz, preußischen Gesandten in Paris,
berichtet Bernhardt am 5. Juni 1866: "Graf Goltz schildert die Gefahren,
die von Frankreich her drohen könnten, in den schwärzesten Farben und er¬
mahnt in dieser angeblich prekären Lage Preußens nicht nur zur Konferenz,
sondern zum Frieden. Er ermahnt den König, an den sein Bericht gerichtet
ist, auf der Konferenz, auf die man unbedingt eingehen müsse, nicht etwa die
Interessen Preußens, deren der Bericht gar nicht erwähnt, sondern den Frieden
anzustreben." Bernhardt bemerkt zu dieser Weisheit nur trocken: "Es ist ein
unerträgliches Gewäsch, das mich aufs tiefste empört!"

Über Menabrea und Barral, die italienischen Gesandten in Paris und in
Berlin, äußert Bismarck zu Bernhardi am 21. August 1866, er habe Menabrea
durch Goltz nach Prag entbieten lassen, Menabrea habe aber von Paris aus
ausweichend geantwortet, er könne nicht kommen. Mit Barral sei nicht vor¬
wärts zu kommen: er sei beschränkt und empfindlich: "Er versteht sehr oft
nicht, was man ihm sagt, und ist zuweilen beleidigt, man weiß nicht wodurch.
Er steht dann mitten im Gespräch auf, verbeugt sich schweigend und geht."

Als Bernhardi am 22. Februar 1867 im auswärtigen Amte die Schwierig¬
keiten schilderte, mit denen damals Österreich zu kämpfen hatte, erwiderte ihm
Philippsborn, er möge wohl Recht haben, aber die Berichte Werthers, des
preußischen Gesandten in Wien, lauteten ganz anders. Werther sehe alles
im günstigsten Lichte, wiederhole beständig, Osterreich habe unerschöpfliche
Ressourcen und eine solche Macht der Kohäsion, daß es dennoch zusammen-


Der Krieg von ^366 und seine Folgen

sich nach seinen Depeschen gar kein eignes Urteil bilden könne. Und dazu
schwankten seine Darstellungen von einem Extrem zum andern hin und her:
einmal sei alles ooulsur als rc>86, und acht Tage darauf schreibe er dann
wieder, in Italien sei alles verloren, wenn man dem Könige nicht den
schwarzen Adlerorden sende. Ähnlich spricht sich Bismarck am 10. Mai 1867
aus. Da hieß es, Usedom schreibe uicht Berichte sondern Leitartikel, weit¬
läufige Betrachtungen über das, was erfolgen könne, wenn dies und das ge¬
schehe, oder über das, was sich ergeben würde, wenn das eine und andre
anders gemacht worden wäre; er habe nicht Zeit, dergleichen zu lesen, und
damit sei nichts anzufangen; wenn er aber Usedom und Brassier Samt Simon
(in Konstantinopel) wollte die Stellen wechseln lassen, so wäre auch nichts
gewonnen. Das Ende war, daß Bernhardt am 11. Mai 1867 nach Florenz
als Militärbevollmüchtigter ging, um militärische und politische Berichte nach
Berlin zu erstatten; denn „wir brauchen, wie Bismarck ein andres mal zu
ihm sagte, präzise und zuverlässige Berichte aus Italien: wir müssen da jemand
haben, an den wir schreiben können. Usedom ist nicht zu beseitigen; ihn ohne
weitere Umstände zur Disposition zu stellen, dazu kann sich der König nicht
entschließen, dazu ist er zu rücksichtsvoll; dazu vermag ich ihn nicht zu
bringen."

Über den Grafen Robert Goltz, preußischen Gesandten in Paris,
berichtet Bernhardt am 5. Juni 1866: „Graf Goltz schildert die Gefahren,
die von Frankreich her drohen könnten, in den schwärzesten Farben und er¬
mahnt in dieser angeblich prekären Lage Preußens nicht nur zur Konferenz,
sondern zum Frieden. Er ermahnt den König, an den sein Bericht gerichtet
ist, auf der Konferenz, auf die man unbedingt eingehen müsse, nicht etwa die
Interessen Preußens, deren der Bericht gar nicht erwähnt, sondern den Frieden
anzustreben." Bernhardt bemerkt zu dieser Weisheit nur trocken: „Es ist ein
unerträgliches Gewäsch, das mich aufs tiefste empört!"

Über Menabrea und Barral, die italienischen Gesandten in Paris und in
Berlin, äußert Bismarck zu Bernhardi am 21. August 1866, er habe Menabrea
durch Goltz nach Prag entbieten lassen, Menabrea habe aber von Paris aus
ausweichend geantwortet, er könne nicht kommen. Mit Barral sei nicht vor¬
wärts zu kommen: er sei beschränkt und empfindlich: „Er versteht sehr oft
nicht, was man ihm sagt, und ist zuweilen beleidigt, man weiß nicht wodurch.
Er steht dann mitten im Gespräch auf, verbeugt sich schweigend und geht."

Als Bernhardi am 22. Februar 1867 im auswärtigen Amte die Schwierig¬
keiten schilderte, mit denen damals Österreich zu kämpfen hatte, erwiderte ihm
Philippsborn, er möge wohl Recht haben, aber die Berichte Werthers, des
preußischen Gesandten in Wien, lauteten ganz anders. Werther sehe alles
im günstigsten Lichte, wiederhole beständig, Osterreich habe unerschöpfliche
Ressourcen und eine solche Macht der Kohäsion, daß es dennoch zusammen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/192>, abgerufen am 08.01.2025.