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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Der Arieg von und seine Folgen

Annahme, sofort an Italien zu eediren. Graf Benedetti bringt von Wien
Amiahme Österreichs. Seine Majestät hat diese Annahme für genügend er¬
achtet als Grundlage für Waffenstillstand, wenn Italien einwilligt und dies
nach Paris telegraphirt; er ist bereit die Unterhandlungen anzunehmen ^ge¬
meint: aufzunehmen^, sobald Zuziehung von italienischen Bevollmächtigten er¬
folgt. Graf Barral hat nach Florenz um Instruktion und Vollmacht tele¬
graphirt. Für den Frieden haben wir die Vorschläge für nicht genügend
erklärt; der König verlangt bedeutende direkte Annexionen in Norddeutschland,
die in den Präpositionen nicht erwähnt, aber auch nicht ausgeschlossen. Wir
können Annahme als Grundlage nicht direkt ablehnen, ohne bei unsrer vor¬
gerückten Stellung den Verdacht über Ausdehnung unsrer letzten Ziele zu ver¬
stärken und Napoleon dadurch nach Österreich hinüberzudrcingen. Wenn Italien
den Moment für Waffenstillstand nicht gekommen glaubt und mein sagt, so
hüllen wir fest an Vertrag, ohne seine Zustimmung auch nicht Waffenstillstand zu
schließen. Frieden ohne das stipulirte Äquivalent für Venetien lehnen wir
überhaupt ab. Ist denn die Flotte inaktiv? Darin liegt der Maßstab für
unser Vertrauen auf Italiens Entschlossenheit."

Diese Fricdensausstchteu schienen Usedom so ungünstig, daß er einen Zettel
an Bernhardi beilegte mit den Worten: dormimig, trixiU'eiw! anstatt Osrumnig,
ung,! HuicI Mi, viäotur? Welches Parlament, welches Volk wird dem zustimmen?

Noch unglücklicher sind Usedoms Anschauungen über Preußens Verhältnis
zu Frankreich. Als die Befürchtung auftauchte, Napoleon werde für Preußens
Vergrößerung "Kompensationen" am Rhein verlangen, notirt Bernhardi
(8. August) in seinem Tagebuche: "mit Usedom ist eigentlich über diese Dinge
nicht gut sprechen, denn er ist noch immer, wie früher, der Überzeugung, daß
Man dem Kaiser Napoleon, um ihn zu beschwichtigen, eine Kleinigkeit am Rhein
abtreten könne -- wo als selbstverständlich angenommen wird, daß sich die
Franzosen mit einer Kleinigkeit begnügen würden. Eine solche Abtretung, um
sich dann des Friedens zu versichern, könne nicht schaden, wiederholt Usedom,
so oft diese Frage berührt wird. Daß eine solche Transaktion der moralische
Ruin Preußens wäre, dafür hat er kein Verständnis. Wie unbedingt Preußens
Macht und Zukunft darauf beruht, daß es sich stets als der zuverlässigste
Schirmvogt Deutschlands wie der protestantischen Kirche bewährte, das sieht
er nicht."

Daß Bismarck über seinen so gearteten Diplomaten hart urteilen
">ußte. ist leicht einzusehen. So sagt er am 14. Januar 1867, Usedoms
Berichte seien unzuverlässig und zu nichts zu brauchen. Usedom sei ein sehr
liebenswürdiger Mann, ein liebenswürdiger Feuilletonist, der sehr angenehme
Konversation mache, aber kein Staatsmann; er erzähle in seinen Berichten
die Dinge selbst, sondern spreche immer nur seine Ansicht von den
ringen aus, ohne zu sagen, worauf sie denn begründet sei, sodaß mau


Der Arieg von und seine Folgen

Annahme, sofort an Italien zu eediren. Graf Benedetti bringt von Wien
Amiahme Österreichs. Seine Majestät hat diese Annahme für genügend er¬
achtet als Grundlage für Waffenstillstand, wenn Italien einwilligt und dies
nach Paris telegraphirt; er ist bereit die Unterhandlungen anzunehmen ^ge¬
meint: aufzunehmen^, sobald Zuziehung von italienischen Bevollmächtigten er¬
folgt. Graf Barral hat nach Florenz um Instruktion und Vollmacht tele¬
graphirt. Für den Frieden haben wir die Vorschläge für nicht genügend
erklärt; der König verlangt bedeutende direkte Annexionen in Norddeutschland,
die in den Präpositionen nicht erwähnt, aber auch nicht ausgeschlossen. Wir
können Annahme als Grundlage nicht direkt ablehnen, ohne bei unsrer vor¬
gerückten Stellung den Verdacht über Ausdehnung unsrer letzten Ziele zu ver¬
stärken und Napoleon dadurch nach Österreich hinüberzudrcingen. Wenn Italien
den Moment für Waffenstillstand nicht gekommen glaubt und mein sagt, so
hüllen wir fest an Vertrag, ohne seine Zustimmung auch nicht Waffenstillstand zu
schließen. Frieden ohne das stipulirte Äquivalent für Venetien lehnen wir
überhaupt ab. Ist denn die Flotte inaktiv? Darin liegt der Maßstab für
unser Vertrauen auf Italiens Entschlossenheit."

Diese Fricdensausstchteu schienen Usedom so ungünstig, daß er einen Zettel
an Bernhardi beilegte mit den Worten: dormimig, trixiU'eiw! anstatt Osrumnig,
ung,! HuicI Mi, viäotur? Welches Parlament, welches Volk wird dem zustimmen?

Noch unglücklicher sind Usedoms Anschauungen über Preußens Verhältnis
zu Frankreich. Als die Befürchtung auftauchte, Napoleon werde für Preußens
Vergrößerung „Kompensationen" am Rhein verlangen, notirt Bernhardi
(8. August) in seinem Tagebuche: „mit Usedom ist eigentlich über diese Dinge
nicht gut sprechen, denn er ist noch immer, wie früher, der Überzeugung, daß
Man dem Kaiser Napoleon, um ihn zu beschwichtigen, eine Kleinigkeit am Rhein
abtreten könne — wo als selbstverständlich angenommen wird, daß sich die
Franzosen mit einer Kleinigkeit begnügen würden. Eine solche Abtretung, um
sich dann des Friedens zu versichern, könne nicht schaden, wiederholt Usedom,
so oft diese Frage berührt wird. Daß eine solche Transaktion der moralische
Ruin Preußens wäre, dafür hat er kein Verständnis. Wie unbedingt Preußens
Macht und Zukunft darauf beruht, daß es sich stets als der zuverlässigste
Schirmvogt Deutschlands wie der protestantischen Kirche bewährte, das sieht
er nicht."

Daß Bismarck über seinen so gearteten Diplomaten hart urteilen
">ußte. ist leicht einzusehen. So sagt er am 14. Januar 1867, Usedoms
Berichte seien unzuverlässig und zu nichts zu brauchen. Usedom sei ein sehr
liebenswürdiger Mann, ein liebenswürdiger Feuilletonist, der sehr angenehme
Konversation mache, aber kein Staatsmann; er erzähle in seinen Berichten
die Dinge selbst, sondern spreche immer nur seine Ansicht von den
ringen aus, ohne zu sagen, worauf sie denn begründet sei, sodaß mau


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/191>, abgerufen am 08.01.2025.