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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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halten und siegreich aus allen Schwierigkeiten hervorgehen werde. Dem allem
sei jedoch nicht zu glauben, wenn Bernhardi auf sechs Monate nach Wien
gehen wolle, würde man wohl bald klar sehen in den Zuständen Österreichs.

Am 8. November notirt Bernhardi Beusts Berufung nach Österreich und
nennt ihn einen nichtigen Salonschwätzer.

Der herrlichste aller der Diplomaten, die hier vor dem Auge des Lesers
vorbeiziehen, ist aber doch unstreitig Lord Augustus Loftus. Dieser erleuchtete
Stratege vergönnt Bernhardi am 28. August 1866 folgende Belehrung:
"Eure Leute haben in Böhmen schön gefochten, aber die höhere Führung war
durchaus verwerflich; sie wird von allen englischen Offizieren einstimmig ge¬
tadelt, und die Teilung der beiden Armeen ganz besonders. Der Erfolg ent¬
schuldigt freilich alles, aber Napoleon I. gegenüber wäret ihr doch schlecht
gefahren, und der Herzog von Wellington hätte euch geschlagen!" -- "Hilf
Himmel, notirt Bernhardi dazu, das ist ein armer Wicht!"

Aber seine strategischen Kenntnisse werden noch weit überboten von seiner
tiefen Einsicht in die Politik seines Vaterlandes. In der Luxemburger An¬
gelegenheit ist er preußenfeindlich gesinnt und verlangt laut und geräuschvoll,
Preußen müsse aus Luxemburg heraus. Als der Fürst von Hohenzollern
dagegen einwandte, dann würde Frankreich vielleicht später gar die Räumung
von Mainz verlangen, erwidert er großartig: dann wird euch England ver¬
teidigen !

Schließlich teilen wir noch einiges wenige von dem mit, was über be¬
merkenswerte Personen und Dinge erzählt oder geurteilt wird.

Friedrich von Raumer versteht nach Bernhardi nicht einmal englisch und
französisch genug, um die in diesen Sprachen abgefaßten Aktenstücke verstehen
Zu können.

Rüstow war in der Garibaldischen Armee als bekannter Poltron ver¬
achtet; auch beging er vor dem Feinde arge Thorheiten, hauptsächlich weil er
sich mit der Branntweinflasche Mut zu machen suchte und dann in einen
Zustand von Unzurechnungsfähigkeit verfiel.

Kossuths Sohn kann seinen Vater ebenso wenig verlassen, um sich am
Aufstande in Ungarn zu beteiligen, wie sein jüngerer Bruder, weil sein Vater
^chzig Jahre alt sei und der Stütze bedürfe, was ihm von Bernhardi die
Antwort zuzieht: "Ich bin auch sechzig Jahre alt und darüber; ich habe aber
'"einen Sohn nicht als Stütze bei mir gehalten; ich habe ihn zur Armee
gesendet und ins Feld, obgleich er erst siebzehn Jahre alt ist."

Plonplvn ist entzückt darüber, daß ihn der Kaiser von Österreich höflich
behandelt und Nonsvignsur angeredet, also für einen wirtlichen Prinzen ge¬
halten hat.

Visconti Venosta findet alle diplomatischen Verhandlungen mit Frankreich
äußerst schwierig, weil die Franzosen nie die Wahrheit sagen.


halten und siegreich aus allen Schwierigkeiten hervorgehen werde. Dem allem
sei jedoch nicht zu glauben, wenn Bernhardi auf sechs Monate nach Wien
gehen wolle, würde man wohl bald klar sehen in den Zuständen Österreichs.

Am 8. November notirt Bernhardi Beusts Berufung nach Österreich und
nennt ihn einen nichtigen Salonschwätzer.

Der herrlichste aller der Diplomaten, die hier vor dem Auge des Lesers
vorbeiziehen, ist aber doch unstreitig Lord Augustus Loftus. Dieser erleuchtete
Stratege vergönnt Bernhardi am 28. August 1866 folgende Belehrung:
„Eure Leute haben in Böhmen schön gefochten, aber die höhere Führung war
durchaus verwerflich; sie wird von allen englischen Offizieren einstimmig ge¬
tadelt, und die Teilung der beiden Armeen ganz besonders. Der Erfolg ent¬
schuldigt freilich alles, aber Napoleon I. gegenüber wäret ihr doch schlecht
gefahren, und der Herzog von Wellington hätte euch geschlagen!" — „Hilf
Himmel, notirt Bernhardi dazu, das ist ein armer Wicht!"

Aber seine strategischen Kenntnisse werden noch weit überboten von seiner
tiefen Einsicht in die Politik seines Vaterlandes. In der Luxemburger An¬
gelegenheit ist er preußenfeindlich gesinnt und verlangt laut und geräuschvoll,
Preußen müsse aus Luxemburg heraus. Als der Fürst von Hohenzollern
dagegen einwandte, dann würde Frankreich vielleicht später gar die Räumung
von Mainz verlangen, erwidert er großartig: dann wird euch England ver¬
teidigen !

Schließlich teilen wir noch einiges wenige von dem mit, was über be¬
merkenswerte Personen und Dinge erzählt oder geurteilt wird.

Friedrich von Raumer versteht nach Bernhardi nicht einmal englisch und
französisch genug, um die in diesen Sprachen abgefaßten Aktenstücke verstehen
Zu können.

Rüstow war in der Garibaldischen Armee als bekannter Poltron ver¬
achtet; auch beging er vor dem Feinde arge Thorheiten, hauptsächlich weil er
sich mit der Branntweinflasche Mut zu machen suchte und dann in einen
Zustand von Unzurechnungsfähigkeit verfiel.

Kossuths Sohn kann seinen Vater ebenso wenig verlassen, um sich am
Aufstande in Ungarn zu beteiligen, wie sein jüngerer Bruder, weil sein Vater
^chzig Jahre alt sei und der Stütze bedürfe, was ihm von Bernhardi die
Antwort zuzieht: „Ich bin auch sechzig Jahre alt und darüber; ich habe aber
'»einen Sohn nicht als Stütze bei mir gehalten; ich habe ihn zur Armee
gesendet und ins Feld, obgleich er erst siebzehn Jahre alt ist."

Plonplvn ist entzückt darüber, daß ihn der Kaiser von Österreich höflich
behandelt und Nonsvignsur angeredet, also für einen wirtlichen Prinzen ge¬
halten hat.

Visconti Venosta findet alle diplomatischen Verhandlungen mit Frankreich
äußerst schwierig, weil die Franzosen nie die Wahrheit sagen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/193>, abgerufen am 07.01.2025.