Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Madlene der Triltschenchristel von Brnttendvrf hat. Denn sie weiß, daß die Lichtstnbe der Der Tanz beginnt; aber es ist noch zu hell. Um Pfingsten sind doch die Die Dunkelheit war endlich eingebrochen. An den Wänden des Tanzbodens Unbemerkt hatte sich Mndleue, die eigentlich in die vordere Reihe gehört hätte, Nun standen die armen Teufel auf ihren Beobachtungsstationen, ohne eine Heil dem, den das Leben aufsucht, wenn er strebt, sich vor ihm zu bergen! Madlene der Triltschenchristel von Brnttendvrf hat. Denn sie weiß, daß die Lichtstnbe der Der Tanz beginnt; aber es ist noch zu hell. Um Pfingsten sind doch die Die Dunkelheit war endlich eingebrochen. An den Wänden des Tanzbodens Unbemerkt hatte sich Mndleue, die eigentlich in die vordere Reihe gehört hätte, Nun standen die armen Teufel auf ihren Beobachtungsstationen, ohne eine Heil dem, den das Leben aufsucht, wenn er strebt, sich vor ihm zu bergen! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227070"/> <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/> <p xml:id="ID_527" prev="#ID_526"> der Triltschenchristel von Brnttendvrf hat. Denn sie weiß, daß die Lichtstnbe der<lb/> Triltschenchristel kommen wird. Beide haben noch nie so ungeduldig des Abend¬<lb/> tanzes geharrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_528"> Der Tanz beginnt; aber es ist noch zu hell. Um Pfingsten sind doch die<lb/> Tage schon gar zu lang. Der Türkendres wirtschaftet und tolle aber schon herum<lb/> wie ein Hanswurst, und die Brattendörfer haben sich richtig eingefunden und<lb/> machen sich schon breit, als wären sie zu Haus. Die Triltschenchristel lacht und<lb/> girrt wie eine Turteltaube. He, Christel! Der Nodersfrieder kommt heut nit!<lb/> Ines! ruft der Türkendres und schwingt die lachende Turteltaube im Kreis. —<lb/> Der Grundel stößt mit dem Türkendres an: Recht so, Bruderherz! Immer lustig!<lb/> Du hast mir die best Grasmück im Trettersberger Grümbke weggeschnappt, Saker-<lb/> mentcr! Doch darum keine Feindschaft nit. Ines! — Es wurde noch einmal an¬<lb/> gestoßen. He, Dreh, auf ein Wort! Was sagst du dazu, daß die Müsersmadlene<lb/> noch nit da ist? — Schwerenöter, der du bist; und die Madlene dazu! — Hätt<lb/> sie lieber wo anders, wie hier! Ines! — Tolpatsch! Im Bettstroh wirst sie frei¬<lb/> lich nit verlier»! — Nit so laut, Grundel! Du kriegst die Grasmück von mir<lb/> und meine Wachtel, wenn du die Geschicht ordentlich in Gang bringst. Mit den<lb/> Maien hast du 'u guten Einfall gehabt; hnhaha! — Ines! — Gelt, Brüderle? Ines!</p><lb/> <p xml:id="ID_529"> Die Dunkelheit war endlich eingebrochen. An den Wänden des Tanzbodens<lb/> brannten schon düster etliche Talglichte. Ringsherum an den Wänden standen und<lb/> saßen zuschauende Weiber, darunter anch sehr alte. Die Sitzenden hatten sich ihre<lb/> Bänke mitgebracht. Die Schützin, Dorfsmeisteriu, die Wohlhabenderen, kurz alle,<lb/> die das breitste und längste Band um der Kirchenknppe trugen, so auch z. B. die<lb/> Gotteskasteumeisters - und Steinsetzcrsfrnu, saßen in der vordem Reihe. Hinter<lb/> ihnen standen die, die schmäleres und „nngewässertes" Band und statt der Goldtressen<lb/> auf dem Mantelkragen nur blnuwollne Liezen zur Kirche trugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_530"> Unbemerkt hatte sich Mndleue, die eigentlich in die vordere Reihe gehört hätte,<lb/> in eine Ecke hinter die bescheidenste Masse gedrückt, um still zu beobachten. Und<lb/> Frieder, der Duckmäuser, hatte sich in einen Futterboden geschlichen, der durch ein<lb/> großes Loch in der Wand zur Erntezeit das Grummet vom Tanzboden aus auf¬<lb/> nahm, nun aber ziemlich leer war. Der Laden vor diesem Loch stand auf, um<lb/> etwas Zug in die Schwüle des Tanzbodens zu bringen, und hinter diesem Loch<lb/> stand beobachtend Frieder. Der Star hätte die Duckmäuserei verraten, wenn er<lb/> da gewesen wäre. Er träumte aber schon bei seiner Stärin und seinen Jungen<lb/> im Nest von dem Glück, das den, Frieder, der Madlene, dem Türkeudresen und<lb/> der Triltschenchristel im Schoße ferner Zeiten ruhte, dahinten über Bergen von<lb/> Entbehrung nud Herzeleid, Weltschwiudel und Mist.</p><lb/> <p xml:id="ID_531"> Nun standen die armen Teufel auf ihren Beobachtungsstationen, ohne eine<lb/> Spur vou dem zu rotirenden Herzenswetter zu entdecken. Jedem der Beobachter<lb/> fehlte.der wettergebärende Punkt. Und doch war er jedem so nahe. So laufen<lb/> oder stehen wir gar oft herum wie unnütze Gesellen, weil wir blind sind. Und<lb/> wenn uns nicht manchmal das Gewühl des Tanzbodens, will sagen des Lebens,<lb/> ein wenig zu Hilfe käme durch eine gesunde Anrempelnng, so würden wir wahr¬<lb/> haftig versäuern wie der vergessene Trunk im Glas.</p><lb/> <p xml:id="ID_532"> Heil dem, den das Leben aufsucht, wenn er strebt, sich vor ihm zu bergen!<lb/> Heil dir, Madlene, daß dich die Triltschenchristel von Brnttendorf entdeckt hat. Nun<lb/> ist ein Wetterpuukt gefunden. Wird sich auch der andre noch finden? Wird sich<lb/> noch Herzenswetter einstellen? Nur hinein ins Leben, in den Ningelreihn des<lb/> Tanzbodens! Es wird schon werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0168]
Madlene
der Triltschenchristel von Brnttendvrf hat. Denn sie weiß, daß die Lichtstnbe der
Triltschenchristel kommen wird. Beide haben noch nie so ungeduldig des Abend¬
tanzes geharrt.
Der Tanz beginnt; aber es ist noch zu hell. Um Pfingsten sind doch die
Tage schon gar zu lang. Der Türkendres wirtschaftet und tolle aber schon herum
wie ein Hanswurst, und die Brattendörfer haben sich richtig eingefunden und
machen sich schon breit, als wären sie zu Haus. Die Triltschenchristel lacht und
girrt wie eine Turteltaube. He, Christel! Der Nodersfrieder kommt heut nit!
Ines! ruft der Türkendres und schwingt die lachende Turteltaube im Kreis. —
Der Grundel stößt mit dem Türkendres an: Recht so, Bruderherz! Immer lustig!
Du hast mir die best Grasmück im Trettersberger Grümbke weggeschnappt, Saker-
mentcr! Doch darum keine Feindschaft nit. Ines! — Es wurde noch einmal an¬
gestoßen. He, Dreh, auf ein Wort! Was sagst du dazu, daß die Müsersmadlene
noch nit da ist? — Schwerenöter, der du bist; und die Madlene dazu! — Hätt
sie lieber wo anders, wie hier! Ines! — Tolpatsch! Im Bettstroh wirst sie frei¬
lich nit verlier»! — Nit so laut, Grundel! Du kriegst die Grasmück von mir
und meine Wachtel, wenn du die Geschicht ordentlich in Gang bringst. Mit den
Maien hast du 'u guten Einfall gehabt; hnhaha! — Ines! — Gelt, Brüderle? Ines!
Die Dunkelheit war endlich eingebrochen. An den Wänden des Tanzbodens
brannten schon düster etliche Talglichte. Ringsherum an den Wänden standen und
saßen zuschauende Weiber, darunter anch sehr alte. Die Sitzenden hatten sich ihre
Bänke mitgebracht. Die Schützin, Dorfsmeisteriu, die Wohlhabenderen, kurz alle,
die das breitste und längste Band um der Kirchenknppe trugen, so auch z. B. die
Gotteskasteumeisters - und Steinsetzcrsfrnu, saßen in der vordem Reihe. Hinter
ihnen standen die, die schmäleres und „nngewässertes" Band und statt der Goldtressen
auf dem Mantelkragen nur blnuwollne Liezen zur Kirche trugen.
Unbemerkt hatte sich Mndleue, die eigentlich in die vordere Reihe gehört hätte,
in eine Ecke hinter die bescheidenste Masse gedrückt, um still zu beobachten. Und
Frieder, der Duckmäuser, hatte sich in einen Futterboden geschlichen, der durch ein
großes Loch in der Wand zur Erntezeit das Grummet vom Tanzboden aus auf¬
nahm, nun aber ziemlich leer war. Der Laden vor diesem Loch stand auf, um
etwas Zug in die Schwüle des Tanzbodens zu bringen, und hinter diesem Loch
stand beobachtend Frieder. Der Star hätte die Duckmäuserei verraten, wenn er
da gewesen wäre. Er träumte aber schon bei seiner Stärin und seinen Jungen
im Nest von dem Glück, das den, Frieder, der Madlene, dem Türkeudresen und
der Triltschenchristel im Schoße ferner Zeiten ruhte, dahinten über Bergen von
Entbehrung nud Herzeleid, Weltschwiudel und Mist.
Nun standen die armen Teufel auf ihren Beobachtungsstationen, ohne eine
Spur vou dem zu rotirenden Herzenswetter zu entdecken. Jedem der Beobachter
fehlte.der wettergebärende Punkt. Und doch war er jedem so nahe. So laufen
oder stehen wir gar oft herum wie unnütze Gesellen, weil wir blind sind. Und
wenn uns nicht manchmal das Gewühl des Tanzbodens, will sagen des Lebens,
ein wenig zu Hilfe käme durch eine gesunde Anrempelnng, so würden wir wahr¬
haftig versäuern wie der vergessene Trunk im Glas.
Heil dem, den das Leben aufsucht, wenn er strebt, sich vor ihm zu bergen!
Heil dir, Madlene, daß dich die Triltschenchristel von Brnttendorf entdeckt hat. Nun
ist ein Wetterpuukt gefunden. Wird sich auch der andre noch finden? Wird sich
noch Herzenswetter einstellen? Nur hinein ins Leben, in den Ningelreihn des
Tanzbodens! Es wird schon werden.
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