Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Vas deutsche vorfwirtshaus lichen Beziehungen mit sich, daß der Wirt Abnehmer der neuesten Erzeugnisse Wie wenig von dem Aufschwung der deutschen Kunst dem Volke zu gute Vas deutsche vorfwirtshaus lichen Beziehungen mit sich, daß der Wirt Abnehmer der neuesten Erzeugnisse Wie wenig von dem Aufschwung der deutschen Kunst dem Volke zu gute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227062"/> <fw type="header" place="top"> Vas deutsche vorfwirtshaus</fw><lb/> <p xml:id="ID_494" prev="#ID_493"> lichen Beziehungen mit sich, daß der Wirt Abnehmer der neuesten Erzeugnisse<lb/> des Umkreises seines Städtchens ist. Was für Privatleute Überfluß wäre,<lb/> das kann seinem Hause Nutzen bringen. Ich habe in Gasthäusern kleiner<lb/> Städte der Lausitz Wurzner Teppiche, schlesisches Steingut und Dresdner elek¬<lb/> trische Lampen, dazu Seiden- und Federblumen auf jedem Tisch und Schrank,<lb/> geschliffne Gläser, japanische Brettchen mit echt abendländischen Mustern,<lb/> vogtländische Vorhänge gefunden. Aber leider hatte diese Pracht ihre Lücken,<lb/> die übrigens lehrreich sind. Die Tapeten der Wände sind fast immer ge¬<lb/> schmacklos. Schwere Farben und große Muster, sogenannte Ohrfeigenmuster,<lb/> wiegen vor. Von Harmonie zwischen den Wänden und der Decke ist keine<lb/> Rede. Die Hauptsache ist aber, daß all das bunt zusammengewürfelte nicht<lb/> zusammenpaßt. In Niederdeutschland, wo, wie in Belgien und Frankreich<lb/> und auch in unserm Reichsland, in den vierziger und fünfziger Jahren die<lb/> Mahagonimöbel sehr verbreitet waren, machen die einfachen, praktischen, ge¬<lb/> räumigen Formen noch heute einen harmonischen Eindruck. Und zu ihrer<lb/> Zeit sprach niemand von Kunstgewerbe und Volkskunst. Auf welche Abwege<lb/> das Streben nach einer äußerlichen Ausschmückung der Gebrauchsgegenstünde<lb/> ohne Rücksicht auf den Zweck und ohne Verbesserung des Materials führt,<lb/> kann man nirgends besser als gerade in den Zimmern einfacher Wirtshäuser<lb/> beobachten. In größern Städten sind einige neue Gasthäuser mit gediegnem<lb/> Geschmack eingerichtet worden, wie man ihn vor dreißig Jahren nicht kannte.<lb/> In die kleinern Städte und auf das Dorf ergießt sich der verlogne Schund<lb/> eines „billigen Luxus," der unglaublich teuer, weil unzweckmäßig und un¬<lb/> dauerhaft ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_495" next="#ID_496"> Wie wenig von dem Aufschwung der deutschen Kunst dem Volke zu gute<lb/> gekommen ist, zeigt auch der Bilderschmuck der Wirtshäuser dieses Volks. Hier<lb/> hat der Ölfarbendruck verwüstend gewirkt. Hätten wir doch noch die alten<lb/> Stahlstiche oder Lithographien, die den nun längst bläulich oder grünlich be¬<lb/> reiften Stümpereien in Ölfarbe weichen mußten. Die großen Ereignisse unsrer<lb/> neuern Geschichte haben nichts daran gebessert. Vergleiche ich die Schlachten¬<lb/> bilder von 1864, 1866. 1870/71 — wahrlich, es hat unsern Künstlern nicht<lb/> an Material gefehlt! —, die ihren Weg bis in die Gastzimmer deutscher<lb/> Wirtshäuser gefunden haben, so bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig es<lb/> ist, und wie schlecht und unzweckmäßig das wenige genannt werden muß. Lahn<lb/> aufgefaßt, schlecht gezeichnet, endlich noch schlecht gedruckt, das gilt von nahezu<lb/> allen. Wie waren da die alten Bilder: Napoleon bei Austerlitz, Napoleon bei<lb/> Wagram und dergleichen in Stahlstichen und Lithographien packend. In einem<lb/> lothringischen Gasthaus fand ich den seinerzeit auch in Deutschland verbreiteten<lb/> Holzschnitt nach Avons 1859 preisgekröntem Bild „Die Erstürmung des<lb/> Malakoff." Niemand kann das Bild ohne Interesse betrachten. Der Holz¬<lb/> schnitt sieht wie eine doppelseitige Beilage zur Illustration aus, kann also</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Vas deutsche vorfwirtshaus
lichen Beziehungen mit sich, daß der Wirt Abnehmer der neuesten Erzeugnisse
des Umkreises seines Städtchens ist. Was für Privatleute Überfluß wäre,
das kann seinem Hause Nutzen bringen. Ich habe in Gasthäusern kleiner
Städte der Lausitz Wurzner Teppiche, schlesisches Steingut und Dresdner elek¬
trische Lampen, dazu Seiden- und Federblumen auf jedem Tisch und Schrank,
geschliffne Gläser, japanische Brettchen mit echt abendländischen Mustern,
vogtländische Vorhänge gefunden. Aber leider hatte diese Pracht ihre Lücken,
die übrigens lehrreich sind. Die Tapeten der Wände sind fast immer ge¬
schmacklos. Schwere Farben und große Muster, sogenannte Ohrfeigenmuster,
wiegen vor. Von Harmonie zwischen den Wänden und der Decke ist keine
Rede. Die Hauptsache ist aber, daß all das bunt zusammengewürfelte nicht
zusammenpaßt. In Niederdeutschland, wo, wie in Belgien und Frankreich
und auch in unserm Reichsland, in den vierziger und fünfziger Jahren die
Mahagonimöbel sehr verbreitet waren, machen die einfachen, praktischen, ge¬
räumigen Formen noch heute einen harmonischen Eindruck. Und zu ihrer
Zeit sprach niemand von Kunstgewerbe und Volkskunst. Auf welche Abwege
das Streben nach einer äußerlichen Ausschmückung der Gebrauchsgegenstünde
ohne Rücksicht auf den Zweck und ohne Verbesserung des Materials führt,
kann man nirgends besser als gerade in den Zimmern einfacher Wirtshäuser
beobachten. In größern Städten sind einige neue Gasthäuser mit gediegnem
Geschmack eingerichtet worden, wie man ihn vor dreißig Jahren nicht kannte.
In die kleinern Städte und auf das Dorf ergießt sich der verlogne Schund
eines „billigen Luxus," der unglaublich teuer, weil unzweckmäßig und un¬
dauerhaft ist.
Wie wenig von dem Aufschwung der deutschen Kunst dem Volke zu gute
gekommen ist, zeigt auch der Bilderschmuck der Wirtshäuser dieses Volks. Hier
hat der Ölfarbendruck verwüstend gewirkt. Hätten wir doch noch die alten
Stahlstiche oder Lithographien, die den nun längst bläulich oder grünlich be¬
reiften Stümpereien in Ölfarbe weichen mußten. Die großen Ereignisse unsrer
neuern Geschichte haben nichts daran gebessert. Vergleiche ich die Schlachten¬
bilder von 1864, 1866. 1870/71 — wahrlich, es hat unsern Künstlern nicht
an Material gefehlt! —, die ihren Weg bis in die Gastzimmer deutscher
Wirtshäuser gefunden haben, so bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig es
ist, und wie schlecht und unzweckmäßig das wenige genannt werden muß. Lahn
aufgefaßt, schlecht gezeichnet, endlich noch schlecht gedruckt, das gilt von nahezu
allen. Wie waren da die alten Bilder: Napoleon bei Austerlitz, Napoleon bei
Wagram und dergleichen in Stahlstichen und Lithographien packend. In einem
lothringischen Gasthaus fand ich den seinerzeit auch in Deutschland verbreiteten
Holzschnitt nach Avons 1859 preisgekröntem Bild „Die Erstürmung des
Malakoff." Niemand kann das Bild ohne Interesse betrachten. Der Holz¬
schnitt sieht wie eine doppelseitige Beilage zur Illustration aus, kann also
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |