Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Schritt. Dem anfänglichen Einvernehmen innerhalb der Lehrerschaft folgte eine Diese Verschiebung bedeutete natürlich zugleich eine Schwenkung der Schritt. Dem anfänglichen Einvernehmen innerhalb der Lehrerschaft folgte eine Diese Verschiebung bedeutete natürlich zugleich eine Schwenkung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227041"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_431" prev="#ID_430"> Schritt. Dem anfänglichen Einvernehmen innerhalb der Lehrerschaft folgte eine<lb/> stärker und stärker werdende Spannung. Je ausgedehnter das Professoren-<lb/> kollegium ward, umso mehr machte sich der Mangel an Gleichartigkeit fühlbar.<lb/> Auch erwies es sich als ein wenig glücklicher Gedanke, daß durch die Über¬<lb/> gabe der theologischen Fakultät an einen Orden gleichsam ein Staat im Staate<lb/> geschaffen worden war, eine Gruppe, die ihre Sonderinteressen in immer<lb/> steigendem Maße hervorzukehren begann und nicht selten mit rücksichtslosester<lb/> Schroffheit durchzusetzen suchte. Auch die Verschiedenheit der Nationalität<lb/> hatte anfangs wenig Schwierigkeiten bereitet, ja mit der Zeit hatte sich ein<lb/> freundschaftliches Verhältnis nicht nur zwischen Reichsdeutschen und Deutsch¬<lb/> schweizern, sondern auch zwischen Deutschen und Franzosen gebildet. Jetzt<lb/> begannen Zerwürfnisse' aufzutauchen. Einen bedrohlicher» Charakter nahmen<lb/> diese Gegensätze jedoch erst an, als die Polen unter den Dozenten eine Rolle<lb/> zu spiele« begannen. Ihnen gelang es, die Funken zur hellen Lohe zu ent¬<lb/> fachen, insbesondre die Mehrzahl der Franzosen gegen die deutschen Kollegen<lb/> aufzuhetzen. Das war umso eher möglich, als unter den französischen Pro¬<lb/> fessoren nur einer war, der von der Gründung der Universität an in Freiburg<lb/> gewirkt hatte. Willkommne Bundesgenossen fanden sie in den an der theo¬<lb/> logischen Fakultät thätige» Vertretern des Dominikanerordens, die ihrer Mehr¬<lb/> heit nach Franzosen waren. Die neuen Berufungen brachten keine Stärkung<lb/> der Deutschen. In merkwürdigem Gegensatz zu der Zusammensetzung der Stu¬<lb/> dentenschaft, deren deutscher Charakter sich immer schärfer ausgeprägt hat,<lb/> erfuhr das Professorenkollegium eine merkliche Verschiebung zu Ungunsten des<lb/> Deutschtums. So zählt die Universität gegenwärtig sieben Polen (drei Pro¬<lb/> fessoren, vier Assistenten), zwei Tschechen, zehn Nationalfranzosen, der vereinzelt<lb/> vertretnen Nationalitüten, wie des Jtalieners usw., nicht zu gedenken.</p><lb/> <p xml:id="ID_432" next="#ID_433"> Diese Verschiebung bedeutete natürlich zugleich eine Schwenkung der<lb/> Regierung oder, was dasselbe sagt, des allmächtigen Erziehuugsdirektors.<lb/> Hätte dieser unparteiisch seines Amtes gewaltet, so hätten die auftauchenden<lb/> Konflikte leicht beseitigt werden können. Statt dessen ergriff er selber Partei<lb/> gegen die Deutschen. Sie waren ihm unbequem geworden, weil sie unter alleu<lb/> Umständen an der ihnen zugesicherten Selbständigkeit der Universität in ihren<lb/> innern Angelegenheiten festhielten; weil sie wieder und wieder darauf drangen,<lb/> daß das seit Jahren in den Händen der Regierung befindliche Grundgesetz der<lb/> gesetzgebenden Körperschaft, dem großen Rate, vorgelegt werde und so die<lb/> Universität eine rechtliche Grundlage erhalte; weil sie stets die Forderung<lb/> stellten, daß die in Universitätsfragen völlig ununterrichtete Regierung den Rat<lb/> der offiziellen Vertreter der Universität einholen und sich nicht auf unverantwort¬<lb/> liche Ratgeber stützen solle; weil sie endlich das Verlangen stellten, daß die bei<lb/> ihrer Berufung von der Regierung kontraktlich übernommnen Verpflichtungen<lb/> endlich erfüllt würden. Das alles war sehr unbequem. An Widerspruch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
Schritt. Dem anfänglichen Einvernehmen innerhalb der Lehrerschaft folgte eine
stärker und stärker werdende Spannung. Je ausgedehnter das Professoren-
kollegium ward, umso mehr machte sich der Mangel an Gleichartigkeit fühlbar.
Auch erwies es sich als ein wenig glücklicher Gedanke, daß durch die Über¬
gabe der theologischen Fakultät an einen Orden gleichsam ein Staat im Staate
geschaffen worden war, eine Gruppe, die ihre Sonderinteressen in immer
steigendem Maße hervorzukehren begann und nicht selten mit rücksichtslosester
Schroffheit durchzusetzen suchte. Auch die Verschiedenheit der Nationalität
hatte anfangs wenig Schwierigkeiten bereitet, ja mit der Zeit hatte sich ein
freundschaftliches Verhältnis nicht nur zwischen Reichsdeutschen und Deutsch¬
schweizern, sondern auch zwischen Deutschen und Franzosen gebildet. Jetzt
begannen Zerwürfnisse' aufzutauchen. Einen bedrohlicher» Charakter nahmen
diese Gegensätze jedoch erst an, als die Polen unter den Dozenten eine Rolle
zu spiele« begannen. Ihnen gelang es, die Funken zur hellen Lohe zu ent¬
fachen, insbesondre die Mehrzahl der Franzosen gegen die deutschen Kollegen
aufzuhetzen. Das war umso eher möglich, als unter den französischen Pro¬
fessoren nur einer war, der von der Gründung der Universität an in Freiburg
gewirkt hatte. Willkommne Bundesgenossen fanden sie in den an der theo¬
logischen Fakultät thätige» Vertretern des Dominikanerordens, die ihrer Mehr¬
heit nach Franzosen waren. Die neuen Berufungen brachten keine Stärkung
der Deutschen. In merkwürdigem Gegensatz zu der Zusammensetzung der Stu¬
dentenschaft, deren deutscher Charakter sich immer schärfer ausgeprägt hat,
erfuhr das Professorenkollegium eine merkliche Verschiebung zu Ungunsten des
Deutschtums. So zählt die Universität gegenwärtig sieben Polen (drei Pro¬
fessoren, vier Assistenten), zwei Tschechen, zehn Nationalfranzosen, der vereinzelt
vertretnen Nationalitüten, wie des Jtalieners usw., nicht zu gedenken.
Diese Verschiebung bedeutete natürlich zugleich eine Schwenkung der
Regierung oder, was dasselbe sagt, des allmächtigen Erziehuugsdirektors.
Hätte dieser unparteiisch seines Amtes gewaltet, so hätten die auftauchenden
Konflikte leicht beseitigt werden können. Statt dessen ergriff er selber Partei
gegen die Deutschen. Sie waren ihm unbequem geworden, weil sie unter alleu
Umständen an der ihnen zugesicherten Selbständigkeit der Universität in ihren
innern Angelegenheiten festhielten; weil sie wieder und wieder darauf drangen,
daß das seit Jahren in den Händen der Regierung befindliche Grundgesetz der
gesetzgebenden Körperschaft, dem großen Rate, vorgelegt werde und so die
Universität eine rechtliche Grundlage erhalte; weil sie stets die Forderung
stellten, daß die in Universitätsfragen völlig ununterrichtete Regierung den Rat
der offiziellen Vertreter der Universität einholen und sich nicht auf unverantwort¬
liche Ratgeber stützen solle; weil sie endlich das Verlangen stellten, daß die bei
ihrer Berufung von der Regierung kontraktlich übernommnen Verpflichtungen
endlich erfüllt würden. Das alles war sehr unbequem. An Widerspruch
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