Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Die Uanfleute im Kaiserhof haben beeinflussen lassen, aber das glaube ich doch, daß sich sehr viele Handels¬ Was ist denn Patriotismus, was ist Vaterlandsliebe in xrs.xi, in der Die Uanfleute im Kaiserhof haben beeinflussen lassen, aber das glaube ich doch, daß sich sehr viele Handels¬ Was ist denn Patriotismus, was ist Vaterlandsliebe in xrs.xi, in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227011"/> <fw type="header" place="top"> Die Uanfleute im Kaiserhof</fw><lb/> <p xml:id="ID_315" prev="#ID_314"> haben beeinflussen lassen, aber das glaube ich doch, daß sich sehr viele Handels¬<lb/> und Fabrikherren in Deutschland scheuen, fast schämen, die Vaterlandsliebe<lb/> offen als Richtschnur ihres politischen Verhaltens in der Flottenfrage anzu¬<lb/> erkennen, ja daß ihnen die manchesterliche Orthodoxie so tief im Blute sitzt,<lb/> daß sie die Vaterlandsliebe lahmt und trübt bis zur praktischen Wert- und Kraft¬<lb/> losigkeit. Wenn man die Notwendigkeit der neuen Bahnen der deutschen Wirt¬<lb/> schaftspolitik einsieht, wenn man für die Kaufmannschaft einen größern Anteil<lb/> an der Politik verlangt, wenn man die Behandlung, die ihr von vielen Seiten<lb/> heute zu teil wird, als Ungerechtigkeit und Thorheit, als den Ausfluß von Neid<lb/> und widerlicher Splitterrichterei verdammt, dann hat man zweifellos die Pflicht,<lb/> nach der Vaterlandsliebe des deutschen Kaufmanns zu fragen und der Frage<lb/> auf den Grund zu gehen. Die Intelligenz in unserm Handel und unsrer In¬<lb/> dustrie sollte sich hüten, der Frage auszuweichen, sich den Angriffen auf ihre<lb/> Negierungsfähigkeit gegenüber taub und blind zu stellen. Vollends die Herren<lb/> jüdischer Abkunft thun sehr unklug daran.</p><lb/> <p xml:id="ID_316"> Was ist denn Patriotismus, was ist Vaterlandsliebe in xrs.xi, in der<lb/> Politik von Kaufleuten vor allem? Versicherungen der Vaterlandsliebe hören<lb/> wir ja auf allen Seiten, von Herrn v. Plötz über das Zentrum bis zu Bebel<lb/> und Genossen. Man soll sich hüten, so leichthin den Kaufleuten die Vater¬<lb/> landsliebe abzusprechen, ohne ihnen zu sagen, was man darunter versteht. Das<lb/> hat keiner besser gethan als Professor Otterberg in seinem bekannten Vortrag<lb/> über „Deutschland als Industriestaat," der, so verkehrt er in seinen Voraus¬<lb/> setzungen und so übertrieben er in seinen Folgerungen ist, einen geradezu er¬<lb/> schreckenden Beifall und Widerhall gefunden hat in weiten und einflußreichen<lb/> Kreisen der Gebildeten gerade jetzt bei Eröffnung des neuen Kurses in unsrer<lb/> Handelspolitik. Er spricht darin dem „Kapital," d. h. den Großindustriellen und<lb/> den Großhändlern vor allem, jede wirtschaftliche Voraussicht, jede Sorge für<lb/> die Zukunft ab. Der Sinn für die Zukunft werde von ihm systematisch<lb/> erstickt. Alles sei darauf eingelegt, nur nach heute und morgen zu fragen.<lb/> Der leitende Gesichtspunkt seines Vortrags — sagt Otterberg selbst — „das<lb/> ist der Gegensatz zwischen der Augenblickspolitik, die das Kapital immer ver¬<lb/> folgt hat und seiner Natur nach verfolgen muß, und zwischen der weitblickenden<lb/> Sorge sür die Zukunft, die wir für eine nationale Wirtschaftspolitik fordern."<lb/> Gerade diese weitblickende Sorge für die Zukunft, nicht nur für ihre Söhne<lb/> und Schwiegersöhne in London, New-Uork, Paris und Petersburg, sondern<lb/> für die Zukunft des Vaterlands, des deutschen Volks, das ist die Vaterlands¬<lb/> liebe in der Politik der Kaufleute, die wir von den Vertretern des „Kapitals,"<lb/> den Handelsherren und Industriellen, fordern müssen in dem neuen handels¬<lb/> politischen Kurs und Gott sei Dank auch fordern dürfen trotz Adam Smith<lb/> und trotz Otterberg und seinen neuen Propheten in der Nationalökonomie, die<lb/> den alten in nichts nachstehen in Unfehlbarkeit und Übertreibung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
Die Uanfleute im Kaiserhof
haben beeinflussen lassen, aber das glaube ich doch, daß sich sehr viele Handels¬
und Fabrikherren in Deutschland scheuen, fast schämen, die Vaterlandsliebe
offen als Richtschnur ihres politischen Verhaltens in der Flottenfrage anzu¬
erkennen, ja daß ihnen die manchesterliche Orthodoxie so tief im Blute sitzt,
daß sie die Vaterlandsliebe lahmt und trübt bis zur praktischen Wert- und Kraft¬
losigkeit. Wenn man die Notwendigkeit der neuen Bahnen der deutschen Wirt¬
schaftspolitik einsieht, wenn man für die Kaufmannschaft einen größern Anteil
an der Politik verlangt, wenn man die Behandlung, die ihr von vielen Seiten
heute zu teil wird, als Ungerechtigkeit und Thorheit, als den Ausfluß von Neid
und widerlicher Splitterrichterei verdammt, dann hat man zweifellos die Pflicht,
nach der Vaterlandsliebe des deutschen Kaufmanns zu fragen und der Frage
auf den Grund zu gehen. Die Intelligenz in unserm Handel und unsrer In¬
dustrie sollte sich hüten, der Frage auszuweichen, sich den Angriffen auf ihre
Negierungsfähigkeit gegenüber taub und blind zu stellen. Vollends die Herren
jüdischer Abkunft thun sehr unklug daran.
Was ist denn Patriotismus, was ist Vaterlandsliebe in xrs.xi, in der
Politik von Kaufleuten vor allem? Versicherungen der Vaterlandsliebe hören
wir ja auf allen Seiten, von Herrn v. Plötz über das Zentrum bis zu Bebel
und Genossen. Man soll sich hüten, so leichthin den Kaufleuten die Vater¬
landsliebe abzusprechen, ohne ihnen zu sagen, was man darunter versteht. Das
hat keiner besser gethan als Professor Otterberg in seinem bekannten Vortrag
über „Deutschland als Industriestaat," der, so verkehrt er in seinen Voraus¬
setzungen und so übertrieben er in seinen Folgerungen ist, einen geradezu er¬
schreckenden Beifall und Widerhall gefunden hat in weiten und einflußreichen
Kreisen der Gebildeten gerade jetzt bei Eröffnung des neuen Kurses in unsrer
Handelspolitik. Er spricht darin dem „Kapital," d. h. den Großindustriellen und
den Großhändlern vor allem, jede wirtschaftliche Voraussicht, jede Sorge für
die Zukunft ab. Der Sinn für die Zukunft werde von ihm systematisch
erstickt. Alles sei darauf eingelegt, nur nach heute und morgen zu fragen.
Der leitende Gesichtspunkt seines Vortrags — sagt Otterberg selbst — „das
ist der Gegensatz zwischen der Augenblickspolitik, die das Kapital immer ver¬
folgt hat und seiner Natur nach verfolgen muß, und zwischen der weitblickenden
Sorge sür die Zukunft, die wir für eine nationale Wirtschaftspolitik fordern."
Gerade diese weitblickende Sorge für die Zukunft, nicht nur für ihre Söhne
und Schwiegersöhne in London, New-Uork, Paris und Petersburg, sondern
für die Zukunft des Vaterlands, des deutschen Volks, das ist die Vaterlands¬
liebe in der Politik der Kaufleute, die wir von den Vertretern des „Kapitals,"
den Handelsherren und Industriellen, fordern müssen in dem neuen handels¬
politischen Kurs und Gott sei Dank auch fordern dürfen trotz Adam Smith
und trotz Otterberg und seinen neuen Propheten in der Nationalökonomie, die
den alten in nichts nachstehen in Unfehlbarkeit und Übertreibung.
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