Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.Endlich den Beruf gefunden Wertvollere Genußmittel sei; das würde sich schwer ausmachen lassen, denn es Also ich finde das Einkommen eines Publizisten von meinem Schlage Grenzboten IV 1897 79
Endlich den Beruf gefunden Wertvollere Genußmittel sei; das würde sich schwer ausmachen lassen, denn es Also ich finde das Einkommen eines Publizisten von meinem Schlage Grenzboten IV 1897 79
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Endlich den Beruf gefunden
Wertvollere Genußmittel sei; das würde sich schwer ausmachen lassen, denn es
könnte wohl sein, daß der Nutzen, den die einen Aufsätze stiften, durch den
Schaden aufgehoben würde, den andre anrichten. In Mecklenburg z. B. schwärmt
man für den Stand der Unschuld im Gebiete der Intelligenz, der ja doch
durch Zeitschriften nud Zeitungen erschüttert und leicht ganz aufgehoben wird.
Außerdem soll auch dem Tabak die Wirkung inne wohnen, die Gedankenbewegung
in Fluß zu bringen, und mir selbst ist es bei einer guten Cigarre schon manch¬
mal so vorgekommen; etwas unmittelbarer und reichlicher wird diese Wirkung
freilich wohl durchs Lesen erzielt, besonders in Köpfen, denen die Gedanken
erst geliefert werden müssen, ehe sie fließe». Aber eines giebt es. was meiner
Ansicht nach der Litteratur unbedingt einen höhern gesellschaftlichen Wert ver¬
leiht, als er dem Tabak zukommt: der Rauchende belästigt in neun von zehn
Fällen einen oder einige seiner Nebenmenschen, sodaß er nach der jetzt beliebten
Interpretation des Grobennnfugsparagraphen eigentlich bestraft werden müßte,
dagegen belästigt der Lesende niemand.
Also ich finde das Einkommen eines Publizisten von meinem Schlage
weder zu hoch uoch zu niedrig und stelle nur sest, daß es zu gering zum
Heiraten ist. Das mag von manchem der Betroffnen als ein Unglück
empfunden werden, aber es liegt im Interesse des Gemeinwohls, weil die
Familienbande den Publizisten meistens seiner Freiheit berauben, ihn zwingen,
sich in den Dienst der Regierung oder einer Partei zu begeben. Plato glaubte
dem Staate die vollkomne Hingebung der leitenden Männer dadurch sichern
zu können, daß ihnen die Ehe verboten würde; der moderne Staat verfährt
weit klüger, indem er die Verehelichung seiner Beamten auf alle Weise fördert
und möglichst alle akademisch gebildeten Männer zu Staatsbeamten macht.
Seine eigne Person riskirt der ehrliche und gebildete Mann wohl für seine
Überzeugung; ist er aber verheiratet, so verwickelt ihn jeder Widerspruch
gegen die Herrschenden in eine Pslichtenkollisivn, denn es ist nicht nur für den
Beteiligten, sondern wirklich und an sich zweifelhaft, ob man das Schicksal
der Gattin und die Zukunft der Kinder aufs Spiel setzen dürfe, um seine
Meinung den Mächtigen gegenüber zu behaupten. So wird heute weit mehr
uoch als in irgend einer frühern Zeit der jedesmalige Zustand des Gesell-
schaftsorgcmismus das Hindernis seiner weitern Umbildung, da selbstverständlich
die d<zu.ti xossiclsntos jeder Änderung abhold sind und alle Intelligenzen,
d. h. alle die Veränderung fördernden Kräfte, dadurch für sich unschädlich
machen, daß sie sie auf die oben beschriebne Weise in ihren Dienst zwingen.
Die Fortbildung hemmen, heißt aber das Leben töten, denn das organische
Leben besteht eben in der beständigen Umwandlung und Fortbildung, und der
Gesellschaftsorganismus ist nicht geartet wie ein Baum. der die einmal durch
das Wachstum erlangte Bildung ein paar hundert Jahre lang unverändert
festhält, sondern er hat mir die Wahl, ob er sich in europäischer Weise un-
Grenzboten IV 1897 79
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