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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliche-

-- ich habe eine kurze Bettunterhaltung ganz gern --, aber er sagte nichts, er
war den ganzen Abend schweigsam gewesen. -- Nun denn, gute Nacht, Rask, sagte
ich, auf eine erfolgreiche Jagd morgen! -- Danke, sagte er, übrigens Gott mag
wissen, wie erfolgreich sie wird! -- Was soll das heißen? -- Ach, eigentlich nichts,
aber ich glaube nun einmal nicht, daß ich Glück auf der Welt habe! -- Natürlich
haben Sie Glück! Sie sollen sehen, Sie bekommen einen Auerhahn auf deu ersten
Schuß. Es entstand eine längere Pause, dann entfuhr ihm plötzlich die Frage:
Wie gefällt Ihnen der schwedische Baron? -- Sehr gut, antwortete ich. -- Wirklich!
Ich kann ihn nicht ausstehen! Nach diesem Stoßseufzer sagten nur einander Gute
Nacht, und ich entschlummerte sanft. --

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Berliner Kaufleute und Seemacht.

Weder die dein Entwurf des Flotten-
gesctzes beigegebne Denkschrift des Rcichsmarincmnts, noch die im Reichstag bei der
ersten Lesung abgegebnen Erklärungen des Reichskanzlers und der Staatssekretäre lassen
einen Zweifel darüber, daß die verbündeten Regierungen den Flottenplänen eine
hohe handelspolitische Bedeutung zuschreiben. Vor allein aber hat der Kaiser in
seinen wiederholten Äußerungen über die Notwendigkeit einer stärkern Flotte
niemals unterlassen, die Erhaltung und' Erweiterung unsrer Absatzgebiete als den
Hauptzweck zu bezeichnen, dem die Seemacht in der nächsten Zukunft zu dienen
habe. Damit ist die allgemeine oder reinpolitische Bedeutung der Flotte, d. h. ihr
Wert für die Aufrechterhaltung der Großmachtstellung Deutschlands und unsrer
politischen und nationalen Unabhängigkeit weder bestritten noch geschmälert. Das
deutsche Reich ist eben mit seiner schnell wachsenden Bevölkerung von dreiundfünfzig
Millionen uicht mehr imstande, seine politische und nationale Unabhängigkeit
aufrecht zu erhalten, wenn es sich mit der Gütererzeugung und dem Güteraustausch
auf seine zu eng gewordnen Staatsgrenzen und den von ihnen eingefriedigten
Grund und Boden beschränken will. Das Charakteristische der neuen Zeit ist für
Deutschland, daß seine auswärtige Politik viel mehr als früher, ja schon ganz vor¬
wiegend handelspolitische Aufgaben zu erfüllen hat, daß seine Wehrkraft nicht mehr
allein für die Unverletzlichkeit des Staatsgebiets, sondern auch für den Schutz
unsrer Handelsbeziehungen draußen sorgen und dieser neuen Aufgabe gewachsen
sein muß. Das gewaltige Laudheer allein, dem freilich immer mehr Rekruten zu¬
wachsen, genügt dazu nicht mehr. Unsre unentbehrlichen Handelsbeziehungen sind
nun einmal überseeisch und werden es voraussichtlich noch für Menschenalter bleiben.
Sie find zur See zu allererst gefährdet und müssen dort verteidigt werden, und
wenn wir das uicht können, so sind die Milliarden, die das Lnudheer kostet, bei
der neuen Lage der Verhältnisse einfach zum Fenster hinausgeworfen, sobald eine
feindliche Macht unsern Seehandel zu vernichten sucht. Da können wir zu Lande
Felddienst üben und nach der Scheibe schießen, so viel nur "vollen, das ficht den


Maßgebliches und Unmaßgebliche-

— ich habe eine kurze Bettunterhaltung ganz gern —, aber er sagte nichts, er
war den ganzen Abend schweigsam gewesen. — Nun denn, gute Nacht, Rask, sagte
ich, auf eine erfolgreiche Jagd morgen! — Danke, sagte er, übrigens Gott mag
wissen, wie erfolgreich sie wird! — Was soll das heißen? — Ach, eigentlich nichts,
aber ich glaube nun einmal nicht, daß ich Glück auf der Welt habe! — Natürlich
haben Sie Glück! Sie sollen sehen, Sie bekommen einen Auerhahn auf deu ersten
Schuß. Es entstand eine längere Pause, dann entfuhr ihm plötzlich die Frage:
Wie gefällt Ihnen der schwedische Baron? — Sehr gut, antwortete ich. — Wirklich!
Ich kann ihn nicht ausstehen! Nach diesem Stoßseufzer sagten nur einander Gute
Nacht, und ich entschlummerte sanft. —

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Berliner Kaufleute und Seemacht.

Weder die dein Entwurf des Flotten-
gesctzes beigegebne Denkschrift des Rcichsmarincmnts, noch die im Reichstag bei der
ersten Lesung abgegebnen Erklärungen des Reichskanzlers und der Staatssekretäre lassen
einen Zweifel darüber, daß die verbündeten Regierungen den Flottenplänen eine
hohe handelspolitische Bedeutung zuschreiben. Vor allein aber hat der Kaiser in
seinen wiederholten Äußerungen über die Notwendigkeit einer stärkern Flotte
niemals unterlassen, die Erhaltung und' Erweiterung unsrer Absatzgebiete als den
Hauptzweck zu bezeichnen, dem die Seemacht in der nächsten Zukunft zu dienen
habe. Damit ist die allgemeine oder reinpolitische Bedeutung der Flotte, d. h. ihr
Wert für die Aufrechterhaltung der Großmachtstellung Deutschlands und unsrer
politischen und nationalen Unabhängigkeit weder bestritten noch geschmälert. Das
deutsche Reich ist eben mit seiner schnell wachsenden Bevölkerung von dreiundfünfzig
Millionen uicht mehr imstande, seine politische und nationale Unabhängigkeit
aufrecht zu erhalten, wenn es sich mit der Gütererzeugung und dem Güteraustausch
auf seine zu eng gewordnen Staatsgrenzen und den von ihnen eingefriedigten
Grund und Boden beschränken will. Das Charakteristische der neuen Zeit ist für
Deutschland, daß seine auswärtige Politik viel mehr als früher, ja schon ganz vor¬
wiegend handelspolitische Aufgaben zu erfüllen hat, daß seine Wehrkraft nicht mehr
allein für die Unverletzlichkeit des Staatsgebiets, sondern auch für den Schutz
unsrer Handelsbeziehungen draußen sorgen und dieser neuen Aufgabe gewachsen
sein muß. Das gewaltige Laudheer allein, dem freilich immer mehr Rekruten zu¬
wachsen, genügt dazu nicht mehr. Unsre unentbehrlichen Handelsbeziehungen sind
nun einmal überseeisch und werden es voraussichtlich noch für Menschenalter bleiben.
Sie find zur See zu allererst gefährdet und müssen dort verteidigt werden, und
wenn wir das uicht können, so sind die Milliarden, die das Lnudheer kostet, bei
der neuen Lage der Verhältnisse einfach zum Fenster hinausgeworfen, sobald eine
feindliche Macht unsern Seehandel zu vernichten sucht. Da können wir zu Lande
Felddienst üben und nach der Scheibe schießen, so viel nur »vollen, das ficht den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/610>, abgerufen am 26.06.2024.