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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Neue Romane

sich scheu zurück. Sie kauft nicht bei den Reformatoren des modernen Ge¬
schmacks, weil dieser Geschmack nicht der ihrige ist, und sie fürchtet, sich zu
blamiren, wenn sie bei den alten biedern Werkmeistern kauft.

Um solche volkswirtschaftlichen Fragen kümmern sich natürlich die jugend¬
lichen Reformatoren unsrer Kunst nicht. Für ihr schöpferisches Gemüt giebt
es nur den Erfolg des Augenblicks. Besonnene Volkswirte dürfen aber fragen:
Wohin soll das führen? Weil der Kunstmarkt mit Bildern und Bildwerken
-- dank der internationalen Kunstausstellungen! -- völlig gesättigt ist, hat
sich eine Schar von Künstlern auf das Kunstgewerbe gestürzt. Die Arbeit ist
noch viel leichter, als wenn einer Skizzen und Studien malt. In München
ist der erste Vorstoß der Künstler auf diesem Gebiet in großem Umfange ver¬
sucht worden. Wir haben die weitere Entwicklung abzuwarten. Aber es wird
kein erfreuliches Schauspiel sein, wenn dieser verderbliche Kampf zwischen Kunst
und Kunstgewerbe, der nur in einer scharfen Trennung endigen kann, noch
fortgesetzt wird.


Adolf Rosenberg


Neue Romane

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.<FIM"M^n der Hoffnung, unsern Lesern noch einige hübsche erzählende
Bücher unter den Christbaum legen zu können, stöberten wir
unsern Vorrat an neuen Erscheinungen noch einmal durch und
gerieten nach verschiednen erfolglosen Leseproben auf: Getändel
von Maria Janitscheck, eine der im Verlage der Romanwelt
in Berlin erschienenen "Kurzen Geschichten," die wir um des Namens der
Verfasserin willen mit einiger Hoffnung begannen. Der Roman fängt auch
ganz gut an, etwas sehr temperamentvoll freilich, aber das liebt man ja jetzt
vielfach, jedenfalls erweckt der Eingang eine gewisse Erwartung. Wir werden
in das junge Eheglück eines elsässischen Gutsbesitzers geführt. Herr Zorn
von Rufach wird wie ein verwöhnter, gutmütiger großer Junge geschildert,
den eine zarte,' fast ätherische Frau von einem ganz entgegengesetzten Sinn und
Geschmack unmerklich zu regieren beginnt, bis er es eines Tages nach vielen
vergeblichen Versuchen von ihr erreicht, daß sie zu einem Spazierritt mit ihm
ein Pferd besteigt. Nun verunglückt sie auf schreckliche Weise, der Maun aber
kommt dem Wahnsinn nahe, entläßt sein Personal, verschließt Hans und
Hof und geht mit seiner kleinen Tochter auf Reisen. In Basel engagirt er
einen Diener und eine Bonne, die sich nach kurzer Zeit als Ehegatten heraus¬
stellen. Beide sind in ihren Leistungen ausgezeichnet, sie haben wegen


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sich scheu zurück. Sie kauft nicht bei den Reformatoren des modernen Ge¬
schmacks, weil dieser Geschmack nicht der ihrige ist, und sie fürchtet, sich zu
blamiren, wenn sie bei den alten biedern Werkmeistern kauft.

Um solche volkswirtschaftlichen Fragen kümmern sich natürlich die jugend¬
lichen Reformatoren unsrer Kunst nicht. Für ihr schöpferisches Gemüt giebt
es nur den Erfolg des Augenblicks. Besonnene Volkswirte dürfen aber fragen:
Wohin soll das führen? Weil der Kunstmarkt mit Bildern und Bildwerken
— dank der internationalen Kunstausstellungen! — völlig gesättigt ist, hat
sich eine Schar von Künstlern auf das Kunstgewerbe gestürzt. Die Arbeit ist
noch viel leichter, als wenn einer Skizzen und Studien malt. In München
ist der erste Vorstoß der Künstler auf diesem Gebiet in großem Umfange ver¬
sucht worden. Wir haben die weitere Entwicklung abzuwarten. Aber es wird
kein erfreuliches Schauspiel sein, wenn dieser verderbliche Kampf zwischen Kunst
und Kunstgewerbe, der nur in einer scharfen Trennung endigen kann, noch
fortgesetzt wird.


Adolf Rosenberg


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Bücher unter den Christbaum legen zu können, stöberten wir
unsern Vorrat an neuen Erscheinungen noch einmal durch und
gerieten nach verschiednen erfolglosen Leseproben auf: Getändel
von Maria Janitscheck, eine der im Verlage der Romanwelt
in Berlin erschienenen „Kurzen Geschichten," die wir um des Namens der
Verfasserin willen mit einiger Hoffnung begannen. Der Roman fängt auch
ganz gut an, etwas sehr temperamentvoll freilich, aber das liebt man ja jetzt
vielfach, jedenfalls erweckt der Eingang eine gewisse Erwartung. Wir werden
in das junge Eheglück eines elsässischen Gutsbesitzers geführt. Herr Zorn
von Rufach wird wie ein verwöhnter, gutmütiger großer Junge geschildert,
den eine zarte,' fast ätherische Frau von einem ganz entgegengesetzten Sinn und
Geschmack unmerklich zu regieren beginnt, bis er es eines Tages nach vielen
vergeblichen Versuchen von ihr erreicht, daß sie zu einem Spazierritt mit ihm
ein Pferd besteigt. Nun verunglückt sie auf schreckliche Weise, der Maun aber
kommt dem Wahnsinn nahe, entläßt sein Personal, verschließt Hans und
Hof und geht mit seiner kleinen Tochter auf Reisen. In Basel engagirt er
einen Diener und eine Bonne, die sich nach kurzer Zeit als Ehegatten heraus¬
stellen. Beide sind in ihren Leistungen ausgezeichnet, sie haben wegen


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[0592] Neue Romane sich scheu zurück. Sie kauft nicht bei den Reformatoren des modernen Ge¬ schmacks, weil dieser Geschmack nicht der ihrige ist, und sie fürchtet, sich zu blamiren, wenn sie bei den alten biedern Werkmeistern kauft. Um solche volkswirtschaftlichen Fragen kümmern sich natürlich die jugend¬ lichen Reformatoren unsrer Kunst nicht. Für ihr schöpferisches Gemüt giebt es nur den Erfolg des Augenblicks. Besonnene Volkswirte dürfen aber fragen: Wohin soll das führen? Weil der Kunstmarkt mit Bildern und Bildwerken — dank der internationalen Kunstausstellungen! — völlig gesättigt ist, hat sich eine Schar von Künstlern auf das Kunstgewerbe gestürzt. Die Arbeit ist noch viel leichter, als wenn einer Skizzen und Studien malt. In München ist der erste Vorstoß der Künstler auf diesem Gebiet in großem Umfange ver¬ sucht worden. Wir haben die weitere Entwicklung abzuwarten. Aber es wird kein erfreuliches Schauspiel sein, wenn dieser verderbliche Kampf zwischen Kunst und Kunstgewerbe, der nur in einer scharfen Trennung endigen kann, noch fortgesetzt wird. Adolf Rosenberg Neue Romane v'DM?Mz< '^MNlö .<FIM«M^n der Hoffnung, unsern Lesern noch einige hübsche erzählende Bücher unter den Christbaum legen zu können, stöberten wir unsern Vorrat an neuen Erscheinungen noch einmal durch und gerieten nach verschiednen erfolglosen Leseproben auf: Getändel von Maria Janitscheck, eine der im Verlage der Romanwelt in Berlin erschienenen „Kurzen Geschichten," die wir um des Namens der Verfasserin willen mit einiger Hoffnung begannen. Der Roman fängt auch ganz gut an, etwas sehr temperamentvoll freilich, aber das liebt man ja jetzt vielfach, jedenfalls erweckt der Eingang eine gewisse Erwartung. Wir werden in das junge Eheglück eines elsässischen Gutsbesitzers geführt. Herr Zorn von Rufach wird wie ein verwöhnter, gutmütiger großer Junge geschildert, den eine zarte,' fast ätherische Frau von einem ganz entgegengesetzten Sinn und Geschmack unmerklich zu regieren beginnt, bis er es eines Tages nach vielen vergeblichen Versuchen von ihr erreicht, daß sie zu einem Spazierritt mit ihm ein Pferd besteigt. Nun verunglückt sie auf schreckliche Weise, der Maun aber kommt dem Wahnsinn nahe, entläßt sein Personal, verschließt Hans und Hof und geht mit seiner kleinen Tochter auf Reisen. In Basel engagirt er einen Diener und eine Bonne, die sich nach kurzer Zeit als Ehegatten heraus¬ stellen. Beide sind in ihren Leistungen ausgezeichnet, sie haben wegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/592>, abgerufen am 26.06.2024.