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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die großen Aunstausstellungen des Jahres ^89?

des deutschen Michels noch ausreichen wird, solche Fußtritte ruhig zu er¬
tragen.

Das einzige Heilmittel wäre vielleicht der Geldpunkt. Eine kostspielige
Gastfreundschaft, der am Ende so schlecht gelohnt wird, ist eine Sache, bei der
vielleicht auch die bajuvcirische Gemütlichkeit aufhört. Noch sind die Ergebnisse
der Abrechnungen über die drei großen Kunstausstellungen nicht in die Öffent¬
lichkeit gedrungen. Nur aus den Kreisen der schmerzlich Beteiligten hat man
gehört, daß die Dresdner Ausstellung ohne Verlust abgeschlossen hat. Über
den letzten Abrechnungen der Ausstellungen in Berlin und München liegt noch
Dunkel. Aber das lange Schweigen läßt auch nicht viel Erfreuliches hoffen.
Etwas Erfreuliches wäre es aber doch, wenn endlich einmal den Fanatikern
für die internationalen Ausstellungen für geraume Zeit die Lust nach solchen
gewagten Unternehmungen verginge. Wenn sie zunächst am Geldbeutel gestraft
werden, der ihrer Obhut anvertraut ist, werden sie vielleicht auch einmal auf
den Gedanken kommen, zu fragen: Was haben eigentlich die internationalen
Kunstausstellungen zur Förderung der einheimischen Kunst beigetragen?

Die Antwort, die die Münchner Sezessionisten, die sich doch als die
Träger der vom Auslande eingeführten "modernen" Bestrebungen aufspielen,
auf diese Frage gegeben haben, klang nicht gerade stolz und verheißungsvoll.
Gerade bei der ersten Ausstellung, die die beiden feindlichen Parteien
wieder unter einem Dache vereinigt zeigte, haben die Sezessionisten fast völlig
versagt. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß sie weiter nichts
vermocht haben als alten Most in neue Schläuche zu füllen, daß die neuen
Schläuche sich aber sehr schnell abgenutzt haben. Die neuen Ausdrucksmittel,
die man sich von den Franzosen, den Schotten, den Holländern u. a. geborgt
hat, sind nach allen Richtungen so stark erschöpft worden, daß man sich jetzt
bestürzt fragt, was denn eigentlich Neues daran gewesen ist. Es ist, als ob
die Neuerer plötzlich in eine Sackgasse geraten wären, aus der sie weder vorwärts
noch rückwärts heraus können. Indessen freuen sich die Philister, die sich
durch das Revolutionsgeschrei einer jauchzenden, vom Freiheitsdrang benebelten
Menge in ihrer Ruhe nicht stören ließen, ihrer Zähigkeit. Sie, die Alten,
und ihre junge, sich stetig mehrende Gefolgschaft haben in diesem Kunstkampf
-- für das Jahr 1897 wenigstens -- den Sieg errungen. Wenn es später
einmal Geschichtschreiber geben sollte, die ephemere Ereignisse wie internationale
Kunstansstellungen, die sich alle Jahre wiederholen, für Zeit- oder Gradmesser
der Kunstbewegung halten könnten, werden sie vielleicht als dauernden Gewinn
zwei Werke herausheben, die durch die Münchner Kunstausstellung von 1897
zuerst bekannt geworden sind: Defreggers Kriegsrat der tirolischen Helden von
1809 und die Studie zu einem (inzwischen vollendeten) Bildnisse Mommsens
von Lenbach. Defregger ist einer von denen, die mit zäher Energie an der
einmal eingeschlagnen nationalen Tonart festhalten, und wenn auch Lenbachs


Die großen Aunstausstellungen des Jahres ^89?

des deutschen Michels noch ausreichen wird, solche Fußtritte ruhig zu er¬
tragen.

Das einzige Heilmittel wäre vielleicht der Geldpunkt. Eine kostspielige
Gastfreundschaft, der am Ende so schlecht gelohnt wird, ist eine Sache, bei der
vielleicht auch die bajuvcirische Gemütlichkeit aufhört. Noch sind die Ergebnisse
der Abrechnungen über die drei großen Kunstausstellungen nicht in die Öffent¬
lichkeit gedrungen. Nur aus den Kreisen der schmerzlich Beteiligten hat man
gehört, daß die Dresdner Ausstellung ohne Verlust abgeschlossen hat. Über
den letzten Abrechnungen der Ausstellungen in Berlin und München liegt noch
Dunkel. Aber das lange Schweigen läßt auch nicht viel Erfreuliches hoffen.
Etwas Erfreuliches wäre es aber doch, wenn endlich einmal den Fanatikern
für die internationalen Ausstellungen für geraume Zeit die Lust nach solchen
gewagten Unternehmungen verginge. Wenn sie zunächst am Geldbeutel gestraft
werden, der ihrer Obhut anvertraut ist, werden sie vielleicht auch einmal auf
den Gedanken kommen, zu fragen: Was haben eigentlich die internationalen
Kunstausstellungen zur Förderung der einheimischen Kunst beigetragen?

Die Antwort, die die Münchner Sezessionisten, die sich doch als die
Träger der vom Auslande eingeführten „modernen" Bestrebungen aufspielen,
auf diese Frage gegeben haben, klang nicht gerade stolz und verheißungsvoll.
Gerade bei der ersten Ausstellung, die die beiden feindlichen Parteien
wieder unter einem Dache vereinigt zeigte, haben die Sezessionisten fast völlig
versagt. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß sie weiter nichts
vermocht haben als alten Most in neue Schläuche zu füllen, daß die neuen
Schläuche sich aber sehr schnell abgenutzt haben. Die neuen Ausdrucksmittel,
die man sich von den Franzosen, den Schotten, den Holländern u. a. geborgt
hat, sind nach allen Richtungen so stark erschöpft worden, daß man sich jetzt
bestürzt fragt, was denn eigentlich Neues daran gewesen ist. Es ist, als ob
die Neuerer plötzlich in eine Sackgasse geraten wären, aus der sie weder vorwärts
noch rückwärts heraus können. Indessen freuen sich die Philister, die sich
durch das Revolutionsgeschrei einer jauchzenden, vom Freiheitsdrang benebelten
Menge in ihrer Ruhe nicht stören ließen, ihrer Zähigkeit. Sie, die Alten,
und ihre junge, sich stetig mehrende Gefolgschaft haben in diesem Kunstkampf
— für das Jahr 1897 wenigstens — den Sieg errungen. Wenn es später
einmal Geschichtschreiber geben sollte, die ephemere Ereignisse wie internationale
Kunstansstellungen, die sich alle Jahre wiederholen, für Zeit- oder Gradmesser
der Kunstbewegung halten könnten, werden sie vielleicht als dauernden Gewinn
zwei Werke herausheben, die durch die Münchner Kunstausstellung von 1897
zuerst bekannt geworden sind: Defreggers Kriegsrat der tirolischen Helden von
1809 und die Studie zu einem (inzwischen vollendeten) Bildnisse Mommsens
von Lenbach. Defregger ist einer von denen, die mit zäher Energie an der
einmal eingeschlagnen nationalen Tonart festhalten, und wenn auch Lenbachs


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[0590] Die großen Aunstausstellungen des Jahres ^89? des deutschen Michels noch ausreichen wird, solche Fußtritte ruhig zu er¬ tragen. Das einzige Heilmittel wäre vielleicht der Geldpunkt. Eine kostspielige Gastfreundschaft, der am Ende so schlecht gelohnt wird, ist eine Sache, bei der vielleicht auch die bajuvcirische Gemütlichkeit aufhört. Noch sind die Ergebnisse der Abrechnungen über die drei großen Kunstausstellungen nicht in die Öffent¬ lichkeit gedrungen. Nur aus den Kreisen der schmerzlich Beteiligten hat man gehört, daß die Dresdner Ausstellung ohne Verlust abgeschlossen hat. Über den letzten Abrechnungen der Ausstellungen in Berlin und München liegt noch Dunkel. Aber das lange Schweigen läßt auch nicht viel Erfreuliches hoffen. Etwas Erfreuliches wäre es aber doch, wenn endlich einmal den Fanatikern für die internationalen Ausstellungen für geraume Zeit die Lust nach solchen gewagten Unternehmungen verginge. Wenn sie zunächst am Geldbeutel gestraft werden, der ihrer Obhut anvertraut ist, werden sie vielleicht auch einmal auf den Gedanken kommen, zu fragen: Was haben eigentlich die internationalen Kunstausstellungen zur Förderung der einheimischen Kunst beigetragen? Die Antwort, die die Münchner Sezessionisten, die sich doch als die Träger der vom Auslande eingeführten „modernen" Bestrebungen aufspielen, auf diese Frage gegeben haben, klang nicht gerade stolz und verheißungsvoll. Gerade bei der ersten Ausstellung, die die beiden feindlichen Parteien wieder unter einem Dache vereinigt zeigte, haben die Sezessionisten fast völlig versagt. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß sie weiter nichts vermocht haben als alten Most in neue Schläuche zu füllen, daß die neuen Schläuche sich aber sehr schnell abgenutzt haben. Die neuen Ausdrucksmittel, die man sich von den Franzosen, den Schotten, den Holländern u. a. geborgt hat, sind nach allen Richtungen so stark erschöpft worden, daß man sich jetzt bestürzt fragt, was denn eigentlich Neues daran gewesen ist. Es ist, als ob die Neuerer plötzlich in eine Sackgasse geraten wären, aus der sie weder vorwärts noch rückwärts heraus können. Indessen freuen sich die Philister, die sich durch das Revolutionsgeschrei einer jauchzenden, vom Freiheitsdrang benebelten Menge in ihrer Ruhe nicht stören ließen, ihrer Zähigkeit. Sie, die Alten, und ihre junge, sich stetig mehrende Gefolgschaft haben in diesem Kunstkampf — für das Jahr 1897 wenigstens — den Sieg errungen. Wenn es später einmal Geschichtschreiber geben sollte, die ephemere Ereignisse wie internationale Kunstansstellungen, die sich alle Jahre wiederholen, für Zeit- oder Gradmesser der Kunstbewegung halten könnten, werden sie vielleicht als dauernden Gewinn zwei Werke herausheben, die durch die Münchner Kunstausstellung von 1897 zuerst bekannt geworden sind: Defreggers Kriegsrat der tirolischen Helden von 1809 und die Studie zu einem (inzwischen vollendeten) Bildnisse Mommsens von Lenbach. Defregger ist einer von denen, die mit zäher Energie an der einmal eingeschlagnen nationalen Tonart festhalten, und wenn auch Lenbachs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/590>, abgerufen am 26.06.2024.