Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr."Lüttich den Beruf gefunden Garnison unangenehm sein könnten, habe ich auch dann nicht gebracht, wenn die Was hier wie anderwärts die Stürmer, darunter nicht wenige Veteranen «Lüttich den Beruf gefunden Garnison unangenehm sein könnten, habe ich auch dann nicht gebracht, wenn die Was hier wie anderwärts die Stürmer, darunter nicht wenige Veteranen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0580" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226810"/> <fw type="header" place="top"> «Lüttich den Beruf gefunden</fw><lb/> <p xml:id="ID_1411" prev="#ID_1410"> Garnison unangenehm sein könnten, habe ich auch dann nicht gebracht, wenn die<lb/> ganze Proviuzicilpresse einschließlich der konservativen sie brachte. Wenn es augen¬<lb/> blicklich eine Stelle giebt, gegen die der Unwille der Armee sich richten konnte, so<lb/> wäre es eine, die ich nicht nennen will, und von der das unerhörte Wort ge¬<lb/> sprochen wurde: „Es ist ein Zufall, wenn sie ^die Franzosen^ uns unterlegen sind."<lb/> Und wenn jemals unsrer herrlichen Armee eine Beleidigung ins Gesicht geschleudert<lb/> worden ist, dann ist es das illustrirte Flugblatt, das vorige Woche in Schlesien<lb/> und audcrwttts verbreitet wurde, und auf dem zu sehen war, wie der Zuave die<lb/> letzte Kuh wegführt, und wie der Turko das Kindlein von der Mutterbrust weg¬<lb/> reißt. Wenn ich mich jemals einer solchen Beleidigung unsrer glorreichen Armee<lb/> schuldig gemacht hätte, dann freilich würde ich mich nicht unterstehen, in einer<lb/> Garnisonstadt mich nur eine Zeile drucken zu lassen. Aber diese Gefahr liegt mir<lb/> fern; deun ich weiß es, und werde es mein Lebtag niemals anders wissen: nicht<lb/> Zufall war der Sieg unsrer Heere in Frankreich, sondern es ist nächst Gottes Hilfe<lb/> das militärische Genie unsers Kaisers und seiner Feldherren und die Tüchtigkeit<lb/> unsers Heeres und seiner Offiziere, denen wir den Sieg verdanken; und da diese<lb/> Wacht am Rhein heut noch ebenso fest steht wie damals und nach drei, wie nach<lb/> sieben und nach dreißig Jahren noch ebenso fest stehen wird wie heute, so ist es<lb/> eine schwere Beleidigung unsrer Armee, die guten Landleute in der Gegend von<lb/> Glogau mit dem Rufe zu schrecken: der Turko kommt! Nein, der Turko kommt<lb/> nicht; er kommt nicht mehr bis an den Rhein — es müßte denn auf einer Ver¬<lb/> gnügungsreise sein — geschweige denn bis an die Oder; dafür wird unsre Armee<lb/> sorgen; und wenn mir nun ein Mitglied der Armee dieses Vertrauen übel nehmen<lb/> sollte, so würde ich das nicht verstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1412" next="#ID_1413"> Was hier wie anderwärts die Stürmer, darunter nicht wenige Veteranen<lb/> des Liberalismus, auf die Schanzen getrieben hatte, war bekanntlich nicht Furcht<lb/> vor dem Turko gewesen, sondern die Hoffnung, endlich,, endlich einmal den<lb/> verhaßten Zentrumsturm zu sprengen; dazu hatten sie sich ja den Segen des<lb/> Heiligen Vaters geholt, und wenn dieser es verlangt hätte, würden sie in jenen<lb/> Februartagen auf offnem Markte den Rosenkranz gebetet haben. Der Turin<lb/> blieb aber unerschüttert stehn, und nur der Freisinn ward zerschmettert. So<lb/> hatte sich deun dieser arme gute Liberalismus in seinem blinden Eifer das<lb/> zweite Bein abgehackt, nachdem er sich vorher schon das erste durch Ver¬<lb/> leugnung aller liberalen Grundsätze stückweise amputirt hatte. Das Plebiszit<lb/> am 1. April fiel zu meinen Gunsten aus, sodcisz ich bleiben konnte. Aber ein<lb/> Stachel blieb doch im Herzen meiner „liberalen" Freunde zurück, sodaß sie<lb/> mich in das Land wünschen mochten, wo der Pfeffer wächst. Überhaupt mag<lb/> ihnen meine Nedaktionsthätigkeit (die darin bestand, daß ich das Blatt meistens<lb/> von der ersten bis zur letzten Seite selbst schrieb), nicht sonderlich gefallen<lb/> haben. Die mittlern und untern Schichten der Bevölkerung waren damit sehr<lb/> zufrieden und mir dankbar. Der gemeine Mann spürt es, wie der Hund und<lb/> das Kind, wers gut zu ihm meint, und er ist durchnittlich nicht dumm; er<lb/> wünscht Belehrung, ist dankbar für solche und erkennt es, ob man die Sache<lb/> ernst nimmt und sich Mühe giebt, ihm gründliche Aufklärung über die An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0580]
«Lüttich den Beruf gefunden
Garnison unangenehm sein könnten, habe ich auch dann nicht gebracht, wenn die
ganze Proviuzicilpresse einschließlich der konservativen sie brachte. Wenn es augen¬
blicklich eine Stelle giebt, gegen die der Unwille der Armee sich richten konnte, so
wäre es eine, die ich nicht nennen will, und von der das unerhörte Wort ge¬
sprochen wurde: „Es ist ein Zufall, wenn sie ^die Franzosen^ uns unterlegen sind."
Und wenn jemals unsrer herrlichen Armee eine Beleidigung ins Gesicht geschleudert
worden ist, dann ist es das illustrirte Flugblatt, das vorige Woche in Schlesien
und audcrwttts verbreitet wurde, und auf dem zu sehen war, wie der Zuave die
letzte Kuh wegführt, und wie der Turko das Kindlein von der Mutterbrust weg¬
reißt. Wenn ich mich jemals einer solchen Beleidigung unsrer glorreichen Armee
schuldig gemacht hätte, dann freilich würde ich mich nicht unterstehen, in einer
Garnisonstadt mich nur eine Zeile drucken zu lassen. Aber diese Gefahr liegt mir
fern; deun ich weiß es, und werde es mein Lebtag niemals anders wissen: nicht
Zufall war der Sieg unsrer Heere in Frankreich, sondern es ist nächst Gottes Hilfe
das militärische Genie unsers Kaisers und seiner Feldherren und die Tüchtigkeit
unsers Heeres und seiner Offiziere, denen wir den Sieg verdanken; und da diese
Wacht am Rhein heut noch ebenso fest steht wie damals und nach drei, wie nach
sieben und nach dreißig Jahren noch ebenso fest stehen wird wie heute, so ist es
eine schwere Beleidigung unsrer Armee, die guten Landleute in der Gegend von
Glogau mit dem Rufe zu schrecken: der Turko kommt! Nein, der Turko kommt
nicht; er kommt nicht mehr bis an den Rhein — es müßte denn auf einer Ver¬
gnügungsreise sein — geschweige denn bis an die Oder; dafür wird unsre Armee
sorgen; und wenn mir nun ein Mitglied der Armee dieses Vertrauen übel nehmen
sollte, so würde ich das nicht verstehen.
Was hier wie anderwärts die Stürmer, darunter nicht wenige Veteranen
des Liberalismus, auf die Schanzen getrieben hatte, war bekanntlich nicht Furcht
vor dem Turko gewesen, sondern die Hoffnung, endlich,, endlich einmal den
verhaßten Zentrumsturm zu sprengen; dazu hatten sie sich ja den Segen des
Heiligen Vaters geholt, und wenn dieser es verlangt hätte, würden sie in jenen
Februartagen auf offnem Markte den Rosenkranz gebetet haben. Der Turin
blieb aber unerschüttert stehn, und nur der Freisinn ward zerschmettert. So
hatte sich deun dieser arme gute Liberalismus in seinem blinden Eifer das
zweite Bein abgehackt, nachdem er sich vorher schon das erste durch Ver¬
leugnung aller liberalen Grundsätze stückweise amputirt hatte. Das Plebiszit
am 1. April fiel zu meinen Gunsten aus, sodcisz ich bleiben konnte. Aber ein
Stachel blieb doch im Herzen meiner „liberalen" Freunde zurück, sodaß sie
mich in das Land wünschen mochten, wo der Pfeffer wächst. Überhaupt mag
ihnen meine Nedaktionsthätigkeit (die darin bestand, daß ich das Blatt meistens
von der ersten bis zur letzten Seite selbst schrieb), nicht sonderlich gefallen
haben. Die mittlern und untern Schichten der Bevölkerung waren damit sehr
zufrieden und mir dankbar. Der gemeine Mann spürt es, wie der Hund und
das Kind, wers gut zu ihm meint, und er ist durchnittlich nicht dumm; er
wünscht Belehrung, ist dankbar für solche und erkennt es, ob man die Sache
ernst nimmt und sich Mühe giebt, ihm gründliche Aufklärung über die An-
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