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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Endlich den Beruf gefunden

Letzel noch durch einige Gönner in den Stand gesetzt, meinen Gehalt auf 1200,
zuletzt auf 1400 Mark zu erhöhen, und so gestaltete sich meine materielle Lage,
von der Unsicherheit abgesehen, ganz befriedigend.

In der Septennatsfrage konnte ich bei meiner oben beschriebnen Stellung
keinen Augenblick schwanken. Da "jeder Mann und jeder Groschen" bewilligt
war, so handelte es sich bei der Neichstagsauflösung nicht um die Militär¬
vorlage (zumal da, wie ich wiederholt ausführte, die Volksvertretung sogar
sehr zufrieden hätte sein können mit der Festlegung des Militärctats auf sieben
statt auf drei Jahre; wer gar nicht daran dachte, sich auf volle sieben Jahre
festlegen zu lassen, das war die Militärverwaltung), sondern um das Budget¬
recht der Volksvertretung und um einen Vorwand, der die Schaffung einer
Kartellmehrheit ermöglichen sollte. Beim Beginne des Septennatsstreits er¬
öffnete mir ein höherer Beamter, daß er in der Lage sei, das Blatt mit
-- ich weiß nicht mehr ob ein- oder zweihundert Mark-- zu subventioniren,
wenn ich mich bereit fände, Informationen zu benutzen, die mir zugehen würden.
Ich antwortete, daß ich nicht daran dächte, mich zu verkaufen, daß ich, wenn
ich mich einmal dazu entschließen sollte, mich doch ein wenig höher ein¬
schätzen würde als auf eine Rente von ein- oder zweihundert Mark, daß mich
aber die Geldfrage überhaupt nichts anginge, da ich meinen Gehalt von Herrn
Letzel bekäme und nicht darnach fragte, woher dieser das Geld nähme. Der
Herr erwiderte, davon sei ja gar nicht die Rede, daß man meine politische
Haltung beeinflussen wolle, ich solle ja nur Informationen aufnehmen. Nun,
erwiderte ich, Informationen sind ja stets willkommen, Wenns also weiter nichts
ist, dann habe ich gegen das Geschäft, das man Herrn Letzel anbietet, nichts
einzuwenden. Die "Informationen" bestanden in einer gedruckte" Zeitungs¬
korrespondenz. Die Nachrichten darin waren wertlos für mich; denn wenn mein
Blättchen erschien, so hatten sie schon in hundert andern Zeitungen gestanden,
es handelte sich also nur um die kurzen Leitartikel. Ich nahm wöchentlich je
einen oder zwei auf mit der Überschrift: Die offiziöse Proviuzialkorrespondenz
schreibt: (die Korrespondenz dieses Namens war kurz vorher eingangen; diese
neue Korrespondenz war aber so offenbar ihre Nachfolgerin, daß ich mich für
berechtigt hielt, sie so zu nennen), und darauf polemisirte ich dagegen. Der
gute Herr, der den Vermittler spielen mußte, und den ich persönlich sehr hoch
schätzte, that mir doppelt leid; erstens, daß er zu diesem seiner Person und
Stellung unwürdigen Botendienste gezwungen wurde (er mußte das wertlose
Papierchen jede Woche zwei- oder dreimal persönlich überbringen), und zweitens,
daß ich ihm solchen Verdruß zu bereiten genötigt war. Nachdem die Sache
ein paar Wochen so fortgegangen war, erschien eine Deputation der "liberalen"
Partei und bat mich, ich möchte doch ein paar Wochen ausruhen und
die Korrespondenz sowie die Parteiführer am Ort allein sprechen lassen.
Darauf erklärte ich in der Nummer vorn 13. Februar, die Thatsache, daß ein


Endlich den Beruf gefunden

Letzel noch durch einige Gönner in den Stand gesetzt, meinen Gehalt auf 1200,
zuletzt auf 1400 Mark zu erhöhen, und so gestaltete sich meine materielle Lage,
von der Unsicherheit abgesehen, ganz befriedigend.

In der Septennatsfrage konnte ich bei meiner oben beschriebnen Stellung
keinen Augenblick schwanken. Da „jeder Mann und jeder Groschen" bewilligt
war, so handelte es sich bei der Neichstagsauflösung nicht um die Militär¬
vorlage (zumal da, wie ich wiederholt ausführte, die Volksvertretung sogar
sehr zufrieden hätte sein können mit der Festlegung des Militärctats auf sieben
statt auf drei Jahre; wer gar nicht daran dachte, sich auf volle sieben Jahre
festlegen zu lassen, das war die Militärverwaltung), sondern um das Budget¬
recht der Volksvertretung und um einen Vorwand, der die Schaffung einer
Kartellmehrheit ermöglichen sollte. Beim Beginne des Septennatsstreits er¬
öffnete mir ein höherer Beamter, daß er in der Lage sei, das Blatt mit
— ich weiß nicht mehr ob ein- oder zweihundert Mark— zu subventioniren,
wenn ich mich bereit fände, Informationen zu benutzen, die mir zugehen würden.
Ich antwortete, daß ich nicht daran dächte, mich zu verkaufen, daß ich, wenn
ich mich einmal dazu entschließen sollte, mich doch ein wenig höher ein¬
schätzen würde als auf eine Rente von ein- oder zweihundert Mark, daß mich
aber die Geldfrage überhaupt nichts anginge, da ich meinen Gehalt von Herrn
Letzel bekäme und nicht darnach fragte, woher dieser das Geld nähme. Der
Herr erwiderte, davon sei ja gar nicht die Rede, daß man meine politische
Haltung beeinflussen wolle, ich solle ja nur Informationen aufnehmen. Nun,
erwiderte ich, Informationen sind ja stets willkommen, Wenns also weiter nichts
ist, dann habe ich gegen das Geschäft, das man Herrn Letzel anbietet, nichts
einzuwenden. Die „Informationen" bestanden in einer gedruckte» Zeitungs¬
korrespondenz. Die Nachrichten darin waren wertlos für mich; denn wenn mein
Blättchen erschien, so hatten sie schon in hundert andern Zeitungen gestanden,
es handelte sich also nur um die kurzen Leitartikel. Ich nahm wöchentlich je
einen oder zwei auf mit der Überschrift: Die offiziöse Proviuzialkorrespondenz
schreibt: (die Korrespondenz dieses Namens war kurz vorher eingangen; diese
neue Korrespondenz war aber so offenbar ihre Nachfolgerin, daß ich mich für
berechtigt hielt, sie so zu nennen), und darauf polemisirte ich dagegen. Der
gute Herr, der den Vermittler spielen mußte, und den ich persönlich sehr hoch
schätzte, that mir doppelt leid; erstens, daß er zu diesem seiner Person und
Stellung unwürdigen Botendienste gezwungen wurde (er mußte das wertlose
Papierchen jede Woche zwei- oder dreimal persönlich überbringen), und zweitens,
daß ich ihm solchen Verdruß zu bereiten genötigt war. Nachdem die Sache
ein paar Wochen so fortgegangen war, erschien eine Deputation der „liberalen"
Partei und bat mich, ich möchte doch ein paar Wochen ausruhen und
die Korrespondenz sowie die Parteiführer am Ort allein sprechen lassen.
Darauf erklärte ich in der Nummer vorn 13. Februar, die Thatsache, daß ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/575>, abgerufen am 26.06.2024.