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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Neueste Runst und Aunstlitteratur

mobile, aber kaum transportable Geräte genannt werden können. Die ganze
Architektur ferner, die der neue Stil nebenbei hervorgerufen hat, Landhäuser,
Ausstellungsgebäude und ähnliches, macht, ganz abgesehen von der erzwungnen
äußern Einfachheit im Detail, auf unsern durch die historische Tektonik ge¬
bildeten Geschmack den Eindruck, als wäre auf ein Kellergeschoß eine Mansarde
gesetzt worden, oder als befänden wir uns am Thor eines Vorwerks, das uns
das Hauptgebäude verdeckt. Wir meinen alles in allem genommen: wir waren
mit der Dekoration der historischen Stile in jeder Hinsicht besser dran, und
da die neuen dekorationslosen Gegenstände keineswegs wohlfeiler, sondern
zunächst noch viel teurer sind als die alten, so können wir nicht an eine
wirkliche Aussicht für das Neue glauben, von dem wir jedoch mit größtem
Interesse, sei es durch deu Pan, sei es durch die neue Zeitschrift für ange¬
wandte Kunst Kenntnis nehmen werden.

Für heute wenden wir uns noch mit einigen Bemerkungen unsern großen
Vorfahren zu, die uns ein neues, sehr schönes Unternehmen derselben Firma
(F. Bruckmann) in halbmonatlich erscheinenden Heften zu sechs Blättern vor¬
führt. Der Klassische Skulpturenschatz hat größeres Format als der längst
bekannte "Klassische Bilderschatz" (derselben Herausgeber und desselben Verlags),
der bei seinem bescheidnen Äußern doch ein sehr wertvolles Hilfsmittel für
unzählige Menschen geworden ist. Die Abbildungen des neuen Unternehmens
sind sehr gut, sowohl was die Aufnahme als was die Reproduktion durch
Autotypie betrifft, und der Preis -- noch nicht zehn Pfennige für das Blatt --
ist lächerlich niedrig. Nach den ersten vierzehn Heften, die uus vorliegen, zu
urteilen, ist die Auswahl praktisch und dankenswert, namentlich auch mit Rück¬
sicht auf seltener abgebildete und wichtige Denkmäler, wie die großen Skulp¬
turenreihen der französischen und deutschen Kathedralen und die burgundischen
Bildwerke. Hätten wir einen Wunsch zu der Sache äußern können, so wäre
es der gewesen, daß man die antike Skulptur womöglich ganz ausgeschlossen
hätte. Sie ist eine Sache für sich, und die Betriebsamkeit der Archäologen
sorgt mehr als genügend für Abbildnngswerke, sodaß kaum jemand in Ver¬
legenheit sein dürfte, wo er das oder jenes zu finden habe. Es ist darum
schade, daß das antike Element hier den Platz wegnimmt und manchmal über
die Hälfte der Tafeln beansprucht. Dies Verhältnis könnte wenigstens für die
Folge geändert werden; wenn die Antike auf einer oder höchstens zwei Tafeln
vertreten wäre, so wäre es gerade genug. Ganz besonders gut sind die Reliefs
der italienischen Renaissance wiedergegeben. Der kurze Text, den sich der Be¬
sitzer auf das betreffende Blatt kleben kann, ist sachgemäß und mit Überlegung
abgefaßt. Das Unternehmen hat eine sichere Zukunft, wenn die Auswahl, die
hier schwieriger ist als in der Malerei, nicht auf Abwege gerät. Unsers
Erachtens sollte das wirklich Bedeutende und zugleich Schöne möglichst bald
vollständig gebracht werden, sodaß das bloß Merkwürdige und Interessante


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mobile, aber kaum transportable Geräte genannt werden können. Die ganze
Architektur ferner, die der neue Stil nebenbei hervorgerufen hat, Landhäuser,
Ausstellungsgebäude und ähnliches, macht, ganz abgesehen von der erzwungnen
äußern Einfachheit im Detail, auf unsern durch die historische Tektonik ge¬
bildeten Geschmack den Eindruck, als wäre auf ein Kellergeschoß eine Mansarde
gesetzt worden, oder als befänden wir uns am Thor eines Vorwerks, das uns
das Hauptgebäude verdeckt. Wir meinen alles in allem genommen: wir waren
mit der Dekoration der historischen Stile in jeder Hinsicht besser dran, und
da die neuen dekorationslosen Gegenstände keineswegs wohlfeiler, sondern
zunächst noch viel teurer sind als die alten, so können wir nicht an eine
wirkliche Aussicht für das Neue glauben, von dem wir jedoch mit größtem
Interesse, sei es durch deu Pan, sei es durch die neue Zeitschrift für ange¬
wandte Kunst Kenntnis nehmen werden.

Für heute wenden wir uns noch mit einigen Bemerkungen unsern großen
Vorfahren zu, die uns ein neues, sehr schönes Unternehmen derselben Firma
(F. Bruckmann) in halbmonatlich erscheinenden Heften zu sechs Blättern vor¬
führt. Der Klassische Skulpturenschatz hat größeres Format als der längst
bekannte „Klassische Bilderschatz" (derselben Herausgeber und desselben Verlags),
der bei seinem bescheidnen Äußern doch ein sehr wertvolles Hilfsmittel für
unzählige Menschen geworden ist. Die Abbildungen des neuen Unternehmens
sind sehr gut, sowohl was die Aufnahme als was die Reproduktion durch
Autotypie betrifft, und der Preis — noch nicht zehn Pfennige für das Blatt —
ist lächerlich niedrig. Nach den ersten vierzehn Heften, die uus vorliegen, zu
urteilen, ist die Auswahl praktisch und dankenswert, namentlich auch mit Rück¬
sicht auf seltener abgebildete und wichtige Denkmäler, wie die großen Skulp¬
turenreihen der französischen und deutschen Kathedralen und die burgundischen
Bildwerke. Hätten wir einen Wunsch zu der Sache äußern können, so wäre
es der gewesen, daß man die antike Skulptur womöglich ganz ausgeschlossen
hätte. Sie ist eine Sache für sich, und die Betriebsamkeit der Archäologen
sorgt mehr als genügend für Abbildnngswerke, sodaß kaum jemand in Ver¬
legenheit sein dürfte, wo er das oder jenes zu finden habe. Es ist darum
schade, daß das antike Element hier den Platz wegnimmt und manchmal über
die Hälfte der Tafeln beansprucht. Dies Verhältnis könnte wenigstens für die
Folge geändert werden; wenn die Antike auf einer oder höchstens zwei Tafeln
vertreten wäre, so wäre es gerade genug. Ganz besonders gut sind die Reliefs
der italienischen Renaissance wiedergegeben. Der kurze Text, den sich der Be¬
sitzer auf das betreffende Blatt kleben kann, ist sachgemäß und mit Überlegung
abgefaßt. Das Unternehmen hat eine sichere Zukunft, wenn die Auswahl, die
hier schwieriger ist als in der Malerei, nicht auf Abwege gerät. Unsers
Erachtens sollte das wirklich Bedeutende und zugleich Schöne möglichst bald
vollständig gebracht werden, sodaß das bloß Merkwürdige und Interessante


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[0553] Neueste Runst und Aunstlitteratur mobile, aber kaum transportable Geräte genannt werden können. Die ganze Architektur ferner, die der neue Stil nebenbei hervorgerufen hat, Landhäuser, Ausstellungsgebäude und ähnliches, macht, ganz abgesehen von der erzwungnen äußern Einfachheit im Detail, auf unsern durch die historische Tektonik ge¬ bildeten Geschmack den Eindruck, als wäre auf ein Kellergeschoß eine Mansarde gesetzt worden, oder als befänden wir uns am Thor eines Vorwerks, das uns das Hauptgebäude verdeckt. Wir meinen alles in allem genommen: wir waren mit der Dekoration der historischen Stile in jeder Hinsicht besser dran, und da die neuen dekorationslosen Gegenstände keineswegs wohlfeiler, sondern zunächst noch viel teurer sind als die alten, so können wir nicht an eine wirkliche Aussicht für das Neue glauben, von dem wir jedoch mit größtem Interesse, sei es durch deu Pan, sei es durch die neue Zeitschrift für ange¬ wandte Kunst Kenntnis nehmen werden. Für heute wenden wir uns noch mit einigen Bemerkungen unsern großen Vorfahren zu, die uns ein neues, sehr schönes Unternehmen derselben Firma (F. Bruckmann) in halbmonatlich erscheinenden Heften zu sechs Blättern vor¬ führt. Der Klassische Skulpturenschatz hat größeres Format als der längst bekannte „Klassische Bilderschatz" (derselben Herausgeber und desselben Verlags), der bei seinem bescheidnen Äußern doch ein sehr wertvolles Hilfsmittel für unzählige Menschen geworden ist. Die Abbildungen des neuen Unternehmens sind sehr gut, sowohl was die Aufnahme als was die Reproduktion durch Autotypie betrifft, und der Preis — noch nicht zehn Pfennige für das Blatt — ist lächerlich niedrig. Nach den ersten vierzehn Heften, die uus vorliegen, zu urteilen, ist die Auswahl praktisch und dankenswert, namentlich auch mit Rück¬ sicht auf seltener abgebildete und wichtige Denkmäler, wie die großen Skulp¬ turenreihen der französischen und deutschen Kathedralen und die burgundischen Bildwerke. Hätten wir einen Wunsch zu der Sache äußern können, so wäre es der gewesen, daß man die antike Skulptur womöglich ganz ausgeschlossen hätte. Sie ist eine Sache für sich, und die Betriebsamkeit der Archäologen sorgt mehr als genügend für Abbildnngswerke, sodaß kaum jemand in Ver¬ legenheit sein dürfte, wo er das oder jenes zu finden habe. Es ist darum schade, daß das antike Element hier den Platz wegnimmt und manchmal über die Hälfte der Tafeln beansprucht. Dies Verhältnis könnte wenigstens für die Folge geändert werden; wenn die Antike auf einer oder höchstens zwei Tafeln vertreten wäre, so wäre es gerade genug. Ganz besonders gut sind die Reliefs der italienischen Renaissance wiedergegeben. Der kurze Text, den sich der Be¬ sitzer auf das betreffende Blatt kleben kann, ist sachgemäß und mit Überlegung abgefaßt. Das Unternehmen hat eine sichere Zukunft, wenn die Auswahl, die hier schwieriger ist als in der Malerei, nicht auf Abwege gerät. Unsers Erachtens sollte das wirklich Bedeutende und zugleich Schöne möglichst bald vollständig gebracht werden, sodaß das bloß Merkwürdige und Interessante

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/553>, abgerufen am 26.06.2024.