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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Neueste Umist und Kunstlitteratur

Einfachheit uns an viele allgemeinen Typen der antiken Plastik erinnern, so
hat der Künstler seinen Gegenstand erfaßt, und der Schriftsteller, der ihn des¬
wegen lobend erhebt, nicht zu viel gesagt. Ebenso hat uns auch ein Aufsatz
über Arnold Böcklin zugesagt; des Künstlers Art ist darin sehr hoch gestellt,
aber es ist nichts übertrieben, und daß hier Skizzen beigegeben worden sind
statt fertiger Bilder, ist völlig in der Ordnung.

Sehr viel ist in diesen Heften die Rede vom Kunstgewerbe und einigem,
was damit zusammenhängt. Die Zeitschrift will ihre Leser über das, was
uus äußerlich umgiebt, unterrichten, wovon wir namentlich das Bestreben an¬
erkennenswert finden, die Menschen zum Nachdenken über Eindrücke zu ver¬
anlassen, die die meisten als vorübergehend und gleichgiltig anzusehen pflegen.
Dahin rechnen wir Lichtwarks Aufsätze über Potsdam und die Hohenzollern
und über Denkmäler, beide anregend und in ihren Beobachtungen treffend
richtig. Dort sagt er, er wisse aus seiner Erfahrung kein Beispiel, daß sich
jemand für einige Tage in Potsdam einquartiert hätte, um es gründlich und
behaglich kennen zu lernen. Gewiß, wir ebenso wenig. Aber wüßte uns
Lichtwark auch nur einen einzigen Gasthof zu nennen, von wo man die
empfohlene Beschäftigung entsprechend ausführen könnte? Nicht einmal ein
nettes Kaffeehaus oder Restaurant giebt es da, und so war es schon vor
dreißig Jahren. Potsdam ist eben auch darin Anhängsel von Berlin und
Ausslugsort geworden und geblieben. Man geht hin auf einen Nachmittag. Die
Gasthäuser haben nichts, was zum Bleiben verführt, sowie ja auch die Kauf¬
läden geradezu dörfisch geblieben sind. In dem zweiten Aufsatze macht Licht¬
wark darauf aufmerksam, wie jung verhältnismäßig mit wenigen Ausnahmen
in unsern deutschen Städten die "Denkmäler" in Menschengestalt sind, und er
fügt dazu die Behauptung, in der wir ihm beipflichten, daß sie meistens ebenso
überflüssig und ungenießbar an ihrer Stelle, wie an und für sich unschön sind.
Dann kommt er auf den von unsern jetzigen Künstlern zugelassenen verschiednen
Maßstab der Dekoration an demselben Werke und giebt einige Bemerkungen
über das große Berliner Denkmal von Vegas. Sein Urteil ist maßvoll, aber
bestimmt; es entspricht wohl in der Sache dem der meisten kunstverständigen
Menschen, die Fassung ist teilweise neu. Daß Bismarck auf dem Reichstags¬
platze nun auch Vegas überantwortet ist, konnte Lichtwark noch nicht wissen.

Über Zimmerausstattung, Möbel, Gerät und Bucheinband im Hinblick
auf die außerdeutsche Kunstindustrie nachzudenken, war dieses Jahr schon durch
die großen Ausstellungen in Dresden, München und Leipzig nahegelegt. Bode
und Richard Graul sprechen darüber im Pan in einsichtsvoller Weise. Wir
verbinden damit einige Bemerkungen über eine neue Zeitschrift für an¬
gewandte oder dekorative Kunst (München, F. Bruckmann), in der, wie
das uns zugegcmgne erste Heft (Oktober 1897) zeigt, namentlich auch die An¬
schauungen und Bestrebungen des bekannten Pariser Kunsthändlers Bing (I^re


Neueste Umist und Kunstlitteratur

Einfachheit uns an viele allgemeinen Typen der antiken Plastik erinnern, so
hat der Künstler seinen Gegenstand erfaßt, und der Schriftsteller, der ihn des¬
wegen lobend erhebt, nicht zu viel gesagt. Ebenso hat uns auch ein Aufsatz
über Arnold Böcklin zugesagt; des Künstlers Art ist darin sehr hoch gestellt,
aber es ist nichts übertrieben, und daß hier Skizzen beigegeben worden sind
statt fertiger Bilder, ist völlig in der Ordnung.

Sehr viel ist in diesen Heften die Rede vom Kunstgewerbe und einigem,
was damit zusammenhängt. Die Zeitschrift will ihre Leser über das, was
uus äußerlich umgiebt, unterrichten, wovon wir namentlich das Bestreben an¬
erkennenswert finden, die Menschen zum Nachdenken über Eindrücke zu ver¬
anlassen, die die meisten als vorübergehend und gleichgiltig anzusehen pflegen.
Dahin rechnen wir Lichtwarks Aufsätze über Potsdam und die Hohenzollern
und über Denkmäler, beide anregend und in ihren Beobachtungen treffend
richtig. Dort sagt er, er wisse aus seiner Erfahrung kein Beispiel, daß sich
jemand für einige Tage in Potsdam einquartiert hätte, um es gründlich und
behaglich kennen zu lernen. Gewiß, wir ebenso wenig. Aber wüßte uns
Lichtwark auch nur einen einzigen Gasthof zu nennen, von wo man die
empfohlene Beschäftigung entsprechend ausführen könnte? Nicht einmal ein
nettes Kaffeehaus oder Restaurant giebt es da, und so war es schon vor
dreißig Jahren. Potsdam ist eben auch darin Anhängsel von Berlin und
Ausslugsort geworden und geblieben. Man geht hin auf einen Nachmittag. Die
Gasthäuser haben nichts, was zum Bleiben verführt, sowie ja auch die Kauf¬
läden geradezu dörfisch geblieben sind. In dem zweiten Aufsatze macht Licht¬
wark darauf aufmerksam, wie jung verhältnismäßig mit wenigen Ausnahmen
in unsern deutschen Städten die „Denkmäler" in Menschengestalt sind, und er
fügt dazu die Behauptung, in der wir ihm beipflichten, daß sie meistens ebenso
überflüssig und ungenießbar an ihrer Stelle, wie an und für sich unschön sind.
Dann kommt er auf den von unsern jetzigen Künstlern zugelassenen verschiednen
Maßstab der Dekoration an demselben Werke und giebt einige Bemerkungen
über das große Berliner Denkmal von Vegas. Sein Urteil ist maßvoll, aber
bestimmt; es entspricht wohl in der Sache dem der meisten kunstverständigen
Menschen, die Fassung ist teilweise neu. Daß Bismarck auf dem Reichstags¬
platze nun auch Vegas überantwortet ist, konnte Lichtwark noch nicht wissen.

Über Zimmerausstattung, Möbel, Gerät und Bucheinband im Hinblick
auf die außerdeutsche Kunstindustrie nachzudenken, war dieses Jahr schon durch
die großen Ausstellungen in Dresden, München und Leipzig nahegelegt. Bode
und Richard Graul sprechen darüber im Pan in einsichtsvoller Weise. Wir
verbinden damit einige Bemerkungen über eine neue Zeitschrift für an¬
gewandte oder dekorative Kunst (München, F. Bruckmann), in der, wie
das uns zugegcmgne erste Heft (Oktober 1897) zeigt, namentlich auch die An¬
schauungen und Bestrebungen des bekannten Pariser Kunsthändlers Bing (I^re


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[0548] Neueste Umist und Kunstlitteratur Einfachheit uns an viele allgemeinen Typen der antiken Plastik erinnern, so hat der Künstler seinen Gegenstand erfaßt, und der Schriftsteller, der ihn des¬ wegen lobend erhebt, nicht zu viel gesagt. Ebenso hat uns auch ein Aufsatz über Arnold Böcklin zugesagt; des Künstlers Art ist darin sehr hoch gestellt, aber es ist nichts übertrieben, und daß hier Skizzen beigegeben worden sind statt fertiger Bilder, ist völlig in der Ordnung. Sehr viel ist in diesen Heften die Rede vom Kunstgewerbe und einigem, was damit zusammenhängt. Die Zeitschrift will ihre Leser über das, was uus äußerlich umgiebt, unterrichten, wovon wir namentlich das Bestreben an¬ erkennenswert finden, die Menschen zum Nachdenken über Eindrücke zu ver¬ anlassen, die die meisten als vorübergehend und gleichgiltig anzusehen pflegen. Dahin rechnen wir Lichtwarks Aufsätze über Potsdam und die Hohenzollern und über Denkmäler, beide anregend und in ihren Beobachtungen treffend richtig. Dort sagt er, er wisse aus seiner Erfahrung kein Beispiel, daß sich jemand für einige Tage in Potsdam einquartiert hätte, um es gründlich und behaglich kennen zu lernen. Gewiß, wir ebenso wenig. Aber wüßte uns Lichtwark auch nur einen einzigen Gasthof zu nennen, von wo man die empfohlene Beschäftigung entsprechend ausführen könnte? Nicht einmal ein nettes Kaffeehaus oder Restaurant giebt es da, und so war es schon vor dreißig Jahren. Potsdam ist eben auch darin Anhängsel von Berlin und Ausslugsort geworden und geblieben. Man geht hin auf einen Nachmittag. Die Gasthäuser haben nichts, was zum Bleiben verführt, sowie ja auch die Kauf¬ läden geradezu dörfisch geblieben sind. In dem zweiten Aufsatze macht Licht¬ wark darauf aufmerksam, wie jung verhältnismäßig mit wenigen Ausnahmen in unsern deutschen Städten die „Denkmäler" in Menschengestalt sind, und er fügt dazu die Behauptung, in der wir ihm beipflichten, daß sie meistens ebenso überflüssig und ungenießbar an ihrer Stelle, wie an und für sich unschön sind. Dann kommt er auf den von unsern jetzigen Künstlern zugelassenen verschiednen Maßstab der Dekoration an demselben Werke und giebt einige Bemerkungen über das große Berliner Denkmal von Vegas. Sein Urteil ist maßvoll, aber bestimmt; es entspricht wohl in der Sache dem der meisten kunstverständigen Menschen, die Fassung ist teilweise neu. Daß Bismarck auf dem Reichstags¬ platze nun auch Vegas überantwortet ist, konnte Lichtwark noch nicht wissen. Über Zimmerausstattung, Möbel, Gerät und Bucheinband im Hinblick auf die außerdeutsche Kunstindustrie nachzudenken, war dieses Jahr schon durch die großen Ausstellungen in Dresden, München und Leipzig nahegelegt. Bode und Richard Graul sprechen darüber im Pan in einsichtsvoller Weise. Wir verbinden damit einige Bemerkungen über eine neue Zeitschrift für an¬ gewandte oder dekorative Kunst (München, F. Bruckmann), in der, wie das uns zugegcmgne erste Heft (Oktober 1897) zeigt, namentlich auch die An¬ schauungen und Bestrebungen des bekannten Pariser Kunsthändlers Bing (I^re

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/548>, abgerufen am 26.06.2024.