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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Neueste Aunst und Uunstlitteratur

means "Badende Jungen" zeigen doch noch eine Spur von Gegenstand, weil
Figuren erkennbar sind; übrigens hat der Künstler den Vorwurf schon besser
gegeben als hier. Ludwig von Hofmanns Kopf- und Schlußstücke mit den
unbeholfen altertümlichen oder halb blödsinnigen Fratzen scheinen auch nicht
alle werden zu wollen. Sogar eine der bekannten farbigen Originallithographien
ist wieder da: Adam und Eva. Die Benennung ist aber gleichgiltig. Wenn
wir dergleichen, anstatt als Etiketten auf Streichholzschächtelchen, wohin es
gehört, auf einem besondern Blatte sehen, so können wir uns keinen ernsthaften
Künstler dahinter denken und möchten nur fragen: wer soll eigentlich der Ge¬
foppte dabei sein? Eine wirkliche, prachtvolle Originallithographie dagegen
stellt das Porträt eines modernen holländischen Malers, Josef Israels, dar,
über den sich der Verfertiger, Jan Vels, in einem beigegcbnen Aufsatze mit
einem außerordentlichen Lobe ausspricht; mit Israels konnte keiner seiner
Landsleute verglichen werden. Wir glauben das gern, hätten aber noch lieber
zur Bestätigung hier einige seiner Werke abgebildet gesehen. In noch viel
höherm Maße kommt uns dieser Wunsch, wenn wir in einem Aussatz über
den französischen Maler Degas von M. von Seidlitz lesen, daß er "den Ver¬
gleich mit den größten Malern aller Zeiten, mit van Esel und Rembrandt,
mit Lionardo und Tizian, mit Velazguez, Menzel und Böcklin, und zwar in
deren Meisterwerken, wohl aushalten kann." Ein weiblicher Akt von Degas,
sich abtrocknend nach dem Bade, in einer Radirung von Albert Krüger, ist ja
flott und leuchtend, aber als Zeugnis doch nicht gewichtig genug gegenüber
jenem hohen Elogium, das dann in Worten weiter fortgesetzt wird. Wenn
nun aber weiterhin sast alle Werke von Degas als Studien und Ausschnitte
bezeichnet werden, die uns einen Eindruck des Künstlers, vielleicht nur eine
Vision darstellen wollen, "ohne sich durch das Vorbild der Natur auf Abwege
führen zu lassen," wenn wir hören, daß sein Ausgangspunkt ein Farbenton ist,
dem sich die Formen durchaus unterordnen müssen, daß der Gegenstand gar
nicht in Betracht kommt, der Künstler sogar durch dessen Wahl oder Auffassung
den Beschauer vor den Kopf zu stoßen liebt: ja wo bleiben dann alle die
früher angerufnen Lionardo, Eyck usw., die zwar auch ihre Eigenheiten haben,
das aber, wovon hier bei Degas geredet wird, doch eben nicht thun! Auch
die Überschwänglichkeiten, in denen gleich darnach Gustave Moreau von Roger
Marx erhoben wird, können wir an den beigegebnen Abbildungen nicht nach¬
prüfen oder bestätigen; es könnten ebenso gut zwei ganz außer aller Beziehung
stehende Dinge sein, dieser Text und diese Bilder, während das Lob, das
Treu in einem längern Aufsatze dem belgischen Bildhauer Constantin Meunier
erteilt, auf hinreichend tiefe Erwägungen gegründet und durch historisches
Vergleichen gerechtfertigt ist. Jeder sieht an den Abbildungen, daß da etwas
eigentümliches, neues ans Licht will, und wenn nun die modernen Eisenarbeiter,
charakteristisch und einfach aufgefaßt, in ihrer auf das Wesentliche begründeten
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Grenzboten IV 1897 W
Neueste Aunst und Uunstlitteratur

means „Badende Jungen" zeigen doch noch eine Spur von Gegenstand, weil
Figuren erkennbar sind; übrigens hat der Künstler den Vorwurf schon besser
gegeben als hier. Ludwig von Hofmanns Kopf- und Schlußstücke mit den
unbeholfen altertümlichen oder halb blödsinnigen Fratzen scheinen auch nicht
alle werden zu wollen. Sogar eine der bekannten farbigen Originallithographien
ist wieder da: Adam und Eva. Die Benennung ist aber gleichgiltig. Wenn
wir dergleichen, anstatt als Etiketten auf Streichholzschächtelchen, wohin es
gehört, auf einem besondern Blatte sehen, so können wir uns keinen ernsthaften
Künstler dahinter denken und möchten nur fragen: wer soll eigentlich der Ge¬
foppte dabei sein? Eine wirkliche, prachtvolle Originallithographie dagegen
stellt das Porträt eines modernen holländischen Malers, Josef Israels, dar,
über den sich der Verfertiger, Jan Vels, in einem beigegcbnen Aufsatze mit
einem außerordentlichen Lobe ausspricht; mit Israels konnte keiner seiner
Landsleute verglichen werden. Wir glauben das gern, hätten aber noch lieber
zur Bestätigung hier einige seiner Werke abgebildet gesehen. In noch viel
höherm Maße kommt uns dieser Wunsch, wenn wir in einem Aussatz über
den französischen Maler Degas von M. von Seidlitz lesen, daß er „den Ver¬
gleich mit den größten Malern aller Zeiten, mit van Esel und Rembrandt,
mit Lionardo und Tizian, mit Velazguez, Menzel und Böcklin, und zwar in
deren Meisterwerken, wohl aushalten kann." Ein weiblicher Akt von Degas,
sich abtrocknend nach dem Bade, in einer Radirung von Albert Krüger, ist ja
flott und leuchtend, aber als Zeugnis doch nicht gewichtig genug gegenüber
jenem hohen Elogium, das dann in Worten weiter fortgesetzt wird. Wenn
nun aber weiterhin sast alle Werke von Degas als Studien und Ausschnitte
bezeichnet werden, die uns einen Eindruck des Künstlers, vielleicht nur eine
Vision darstellen wollen, „ohne sich durch das Vorbild der Natur auf Abwege
führen zu lassen," wenn wir hören, daß sein Ausgangspunkt ein Farbenton ist,
dem sich die Formen durchaus unterordnen müssen, daß der Gegenstand gar
nicht in Betracht kommt, der Künstler sogar durch dessen Wahl oder Auffassung
den Beschauer vor den Kopf zu stoßen liebt: ja wo bleiben dann alle die
früher angerufnen Lionardo, Eyck usw., die zwar auch ihre Eigenheiten haben,
das aber, wovon hier bei Degas geredet wird, doch eben nicht thun! Auch
die Überschwänglichkeiten, in denen gleich darnach Gustave Moreau von Roger
Marx erhoben wird, können wir an den beigegebnen Abbildungen nicht nach¬
prüfen oder bestätigen; es könnten ebenso gut zwei ganz außer aller Beziehung
stehende Dinge sein, dieser Text und diese Bilder, während das Lob, das
Treu in einem längern Aufsatze dem belgischen Bildhauer Constantin Meunier
erteilt, auf hinreichend tiefe Erwägungen gegründet und durch historisches
Vergleichen gerechtfertigt ist. Jeder sieht an den Abbildungen, daß da etwas
eigentümliches, neues ans Licht will, und wenn nun die modernen Eisenarbeiter,
charakteristisch und einfach aufgefaßt, in ihrer auf das Wesentliche begründeten
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[0547] Neueste Aunst und Uunstlitteratur means „Badende Jungen" zeigen doch noch eine Spur von Gegenstand, weil Figuren erkennbar sind; übrigens hat der Künstler den Vorwurf schon besser gegeben als hier. Ludwig von Hofmanns Kopf- und Schlußstücke mit den unbeholfen altertümlichen oder halb blödsinnigen Fratzen scheinen auch nicht alle werden zu wollen. Sogar eine der bekannten farbigen Originallithographien ist wieder da: Adam und Eva. Die Benennung ist aber gleichgiltig. Wenn wir dergleichen, anstatt als Etiketten auf Streichholzschächtelchen, wohin es gehört, auf einem besondern Blatte sehen, so können wir uns keinen ernsthaften Künstler dahinter denken und möchten nur fragen: wer soll eigentlich der Ge¬ foppte dabei sein? Eine wirkliche, prachtvolle Originallithographie dagegen stellt das Porträt eines modernen holländischen Malers, Josef Israels, dar, über den sich der Verfertiger, Jan Vels, in einem beigegcbnen Aufsatze mit einem außerordentlichen Lobe ausspricht; mit Israels konnte keiner seiner Landsleute verglichen werden. Wir glauben das gern, hätten aber noch lieber zur Bestätigung hier einige seiner Werke abgebildet gesehen. In noch viel höherm Maße kommt uns dieser Wunsch, wenn wir in einem Aussatz über den französischen Maler Degas von M. von Seidlitz lesen, daß er „den Ver¬ gleich mit den größten Malern aller Zeiten, mit van Esel und Rembrandt, mit Lionardo und Tizian, mit Velazguez, Menzel und Böcklin, und zwar in deren Meisterwerken, wohl aushalten kann." Ein weiblicher Akt von Degas, sich abtrocknend nach dem Bade, in einer Radirung von Albert Krüger, ist ja flott und leuchtend, aber als Zeugnis doch nicht gewichtig genug gegenüber jenem hohen Elogium, das dann in Worten weiter fortgesetzt wird. Wenn nun aber weiterhin sast alle Werke von Degas als Studien und Ausschnitte bezeichnet werden, die uns einen Eindruck des Künstlers, vielleicht nur eine Vision darstellen wollen, „ohne sich durch das Vorbild der Natur auf Abwege führen zu lassen," wenn wir hören, daß sein Ausgangspunkt ein Farbenton ist, dem sich die Formen durchaus unterordnen müssen, daß der Gegenstand gar nicht in Betracht kommt, der Künstler sogar durch dessen Wahl oder Auffassung den Beschauer vor den Kopf zu stoßen liebt: ja wo bleiben dann alle die früher angerufnen Lionardo, Eyck usw., die zwar auch ihre Eigenheiten haben, das aber, wovon hier bei Degas geredet wird, doch eben nicht thun! Auch die Überschwänglichkeiten, in denen gleich darnach Gustave Moreau von Roger Marx erhoben wird, können wir an den beigegebnen Abbildungen nicht nach¬ prüfen oder bestätigen; es könnten ebenso gut zwei ganz außer aller Beziehung stehende Dinge sein, dieser Text und diese Bilder, während das Lob, das Treu in einem längern Aufsatze dem belgischen Bildhauer Constantin Meunier erteilt, auf hinreichend tiefe Erwägungen gegründet und durch historisches Vergleichen gerechtfertigt ist. Jeder sieht an den Abbildungen, daß da etwas eigentümliches, neues ans Licht will, und wenn nun die modernen Eisenarbeiter, charakteristisch und einfach aufgefaßt, in ihrer auf das Wesentliche begründeten ' Grenzboten IV 1897 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/547>, abgerufen am 26.06.2024.