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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Neueste Kunst und Uunstlitteratur

gang des Unternehmens zunächst gesichert ist. Der Luxus als" -- und wäre
es wirklich weiter nichts -- soll uns in Buchform immerhin lieber sein, als
in mancher weniger edeln Gestalt, und so wollen wir uns denn auch wieder
bemühen herauszufinden, was der Pan außerdem noch enthält.

Von den drei Abteilungen: Dichtung, Kunst und Kunstbelehrung, ist die
erste, wie in den frühern Heften, so auch in diesen beiden ohne Frage die
schwächste. Ohne Einschränkung gut finden wir in dem ersten Hefte nur ein
kleines zartes zweistrophiges Lied von Karl Vcmsclow und, für stärkere Nerven,
etwa in der Tonart von Goethes Deutschem Parnaß, ein Gedicht von Anton
Lindner: "Wein." Auch ein längeres, spruchartiges Gedicht von Cäsar
Flaischlen: Im Spiel des Lebens, ist gesund von Inhalt und frisch in der
Form, während desselben Autors Prosa: "Stimmungen von Alltag und
Sonne" recht schwach ist, gesucht, manierirt und ganz ohne Ertrag. Und
was soll diese Art des Drucks, wo nach jedem satzten die Zeile absetzt, und
ein vollständiger Satz mehr weißes als gedrucktes umschließt? Soll das
Stimmung machen oder die Wirkung erhöhen? Es ist doch nur fürs Auge.
Die Moderne hat also ganz vergessen, daß alle Dichtung ursprünglich ge¬
sprochen und gehört wurde. Für wirkliche Gedichte ist es ganz gleich, wie
sie gedruckt werden, sie dringen durch alle Entstellung und leben weiter.
Alexandriner aber und Meistersinger und unsre neuesten Verstandeslyriker sehen
in der äußern Figur des Schriftsatzes ein Ausdrucksmittel, eine Ersatzform
für das Poetische. Wenn aber der Setzer nicht den Poeten macht, wozu
dann solche Possen? Doch Cäsar Flaischlen scheint von der Manier etwas
zu halten. Er setzt sie im zweiten Hefte fort: "Gedichte in Prosa, Aus einem
Mönchguter Skizzenbuch." Wäre das vernünftig und weniger anspruchsvoll
gesetzt und etwas weniger abgerissen, mehr ausgeführt in der Sprache andrer
Menschen, so würde man es ganz gerne lesen, denn es sind einige Gedanken
darin, aber das Gesuchte, Gewundne, Kautschukmannartige hat alle Natur ver¬
dorben. Sehr stark vertreten ist in beiden Heften das Dichterpaar Arno Holz
und Johannes Schlaf mit seinen alten, immer wieder neu ausgespielten Tönen,
roten, blauen, gelben, und dem stets wiederkehrenden Ich, das diese unwichtigen
Kleinigkeiten zu etwas Interessanten auszuspreizen sucht, und in dem zweiten
Hefte findet sich ein längeres Singspiel von Richard Dehmel, eine Lebensmcsse
genannt. Dehmel hat unter allen Modernen vielleicht das größte Geschick,
volltönende Verse zu machen mit Worten, die nach etwas klingen, wenigstens
wenn das Konzert nicht zu lange dauert. Aber eine größere Dichtung, wie
diese, wird durch das andauernde Pathos unerträglich. Man nannte der¬
gleichen früher Bombast. Wie außerordentlich gering der dichterische Ertrag
dieser zwei PanHefte ist, zeigt ein Vergleich, den die Redaktion uns nahe legt,
indem sie einige Jugendgedichte Nietzsches veröffentlicht. Wir glauben kaum
auf Widerspruch zu stoßen, wenn wir behaupten, daß die vier oder fünf kurzen


Neueste Kunst und Uunstlitteratur

gang des Unternehmens zunächst gesichert ist. Der Luxus als» — und wäre
es wirklich weiter nichts — soll uns in Buchform immerhin lieber sein, als
in mancher weniger edeln Gestalt, und so wollen wir uns denn auch wieder
bemühen herauszufinden, was der Pan außerdem noch enthält.

Von den drei Abteilungen: Dichtung, Kunst und Kunstbelehrung, ist die
erste, wie in den frühern Heften, so auch in diesen beiden ohne Frage die
schwächste. Ohne Einschränkung gut finden wir in dem ersten Hefte nur ein
kleines zartes zweistrophiges Lied von Karl Vcmsclow und, für stärkere Nerven,
etwa in der Tonart von Goethes Deutschem Parnaß, ein Gedicht von Anton
Lindner: „Wein." Auch ein längeres, spruchartiges Gedicht von Cäsar
Flaischlen: Im Spiel des Lebens, ist gesund von Inhalt und frisch in der
Form, während desselben Autors Prosa: „Stimmungen von Alltag und
Sonne" recht schwach ist, gesucht, manierirt und ganz ohne Ertrag. Und
was soll diese Art des Drucks, wo nach jedem satzten die Zeile absetzt, und
ein vollständiger Satz mehr weißes als gedrucktes umschließt? Soll das
Stimmung machen oder die Wirkung erhöhen? Es ist doch nur fürs Auge.
Die Moderne hat also ganz vergessen, daß alle Dichtung ursprünglich ge¬
sprochen und gehört wurde. Für wirkliche Gedichte ist es ganz gleich, wie
sie gedruckt werden, sie dringen durch alle Entstellung und leben weiter.
Alexandriner aber und Meistersinger und unsre neuesten Verstandeslyriker sehen
in der äußern Figur des Schriftsatzes ein Ausdrucksmittel, eine Ersatzform
für das Poetische. Wenn aber der Setzer nicht den Poeten macht, wozu
dann solche Possen? Doch Cäsar Flaischlen scheint von der Manier etwas
zu halten. Er setzt sie im zweiten Hefte fort: „Gedichte in Prosa, Aus einem
Mönchguter Skizzenbuch." Wäre das vernünftig und weniger anspruchsvoll
gesetzt und etwas weniger abgerissen, mehr ausgeführt in der Sprache andrer
Menschen, so würde man es ganz gerne lesen, denn es sind einige Gedanken
darin, aber das Gesuchte, Gewundne, Kautschukmannartige hat alle Natur ver¬
dorben. Sehr stark vertreten ist in beiden Heften das Dichterpaar Arno Holz
und Johannes Schlaf mit seinen alten, immer wieder neu ausgespielten Tönen,
roten, blauen, gelben, und dem stets wiederkehrenden Ich, das diese unwichtigen
Kleinigkeiten zu etwas Interessanten auszuspreizen sucht, und in dem zweiten
Hefte findet sich ein längeres Singspiel von Richard Dehmel, eine Lebensmcsse
genannt. Dehmel hat unter allen Modernen vielleicht das größte Geschick,
volltönende Verse zu machen mit Worten, die nach etwas klingen, wenigstens
wenn das Konzert nicht zu lange dauert. Aber eine größere Dichtung, wie
diese, wird durch das andauernde Pathos unerträglich. Man nannte der¬
gleichen früher Bombast. Wie außerordentlich gering der dichterische Ertrag
dieser zwei PanHefte ist, zeigt ein Vergleich, den die Redaktion uns nahe legt,
indem sie einige Jugendgedichte Nietzsches veröffentlicht. Wir glauben kaum
auf Widerspruch zu stoßen, wenn wir behaupten, daß die vier oder fünf kurzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/544>, abgerufen am 26.06.2024.