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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonisten an der Ivolga

sondern nach dem Umfang und Gehalt der Thatsachen und Kausalvcrknüpfungen
zu beurteilen ist, die sie um der Hand ihrer Zahlen in sicherer und berechtigter
Schlußfolgerung ans Licht zu stellen vermögen. Jahrzehntelang hat jenes
Zentralbureau des Zollvereins eine Masse von Zahlen veröffentlicht, von denen
außer den Beamten der Zollverwaltung kaum jemand einen praktischen Gebrauch
zu machen vermochte. Noch heute beschränken sich viele auswärtige Staaten
darauf, nur dicke Bände von Ziffern zu addiren, die selbst für den Fachmann
unbenützbar in den Schränken vermodern. Es ist nur ein Zufall, ob ein
Privatgelehrter sich findet, der den stummen Zahlen den Mund zu öffnen ver¬
mag und die dazu erforderliche grenzenlose Arbeit nicht scheut, aber selbst
wenn er es thut, wird er sich im Nachteil gegen die amtlichen Statistiker
befinden, die die Fragen gestellt und das Urmaterial zu ihrer Verfügung
haben, und die mitten in der Sache, im Gebrauch aller Hilfsmittel stehen."

Wir haben seit Jahr und Tag und auch in allerneuester Zeit wiederholt
auf den Mißbrauch der amtlich veröffentlichten Zahlen in Privatarbeiten
gelehrter und ungelehrter Politiker aufmerksam gemacht und auf den Segen
der wissenschaftlichen Erschließung des Zahlenwerth durch die amtliche Statistik
hingewiesen. Möchte nur das Reich, und in erster Linie der neue Staats¬
sekretär im Neichsamt des Innern der Rümelinschen Warnung für die Zukunft
eingedenk sein und unsre Neichsstatistik schützen vor Bureaukratismus und
Assessorismus und der damit verbundnen Gefahr der Subalternisirung an
/? Haupt und Gliedern.




Die deutschen Kolonisten an der Wolga
und die russische Regierung
(Schluß)

is die deutschen Kolonien an der Wolga gegründet wurden,
war das ganze unermeßliche Gebiet am linken Ufer der Wolga
fast noch ganz Weidegrund der nomadisirenden Kirgisen. Schon
früher waren wiederholt Versuche gemacht worden, dort Dörfer
üund Städte zu gründen, die von den Kirgisen aber regelmäßig
zerstört wurden, sodaß man solche Ansiedlungen schließlich nur noch am
rechten Wolgaufer, der Bergseite, versuchte, obgleich die Terrain Verhältnisse hier
weit ungünstiger waren. So war es anch mit Ssaratow, gegenwärtig der größten
Stadt an der Wolga, der Fall. Die erste Anlage der Stadt war am linken Wolga-


Die deutschen Kolonisten an der Ivolga

sondern nach dem Umfang und Gehalt der Thatsachen und Kausalvcrknüpfungen
zu beurteilen ist, die sie um der Hand ihrer Zahlen in sicherer und berechtigter
Schlußfolgerung ans Licht zu stellen vermögen. Jahrzehntelang hat jenes
Zentralbureau des Zollvereins eine Masse von Zahlen veröffentlicht, von denen
außer den Beamten der Zollverwaltung kaum jemand einen praktischen Gebrauch
zu machen vermochte. Noch heute beschränken sich viele auswärtige Staaten
darauf, nur dicke Bände von Ziffern zu addiren, die selbst für den Fachmann
unbenützbar in den Schränken vermodern. Es ist nur ein Zufall, ob ein
Privatgelehrter sich findet, der den stummen Zahlen den Mund zu öffnen ver¬
mag und die dazu erforderliche grenzenlose Arbeit nicht scheut, aber selbst
wenn er es thut, wird er sich im Nachteil gegen die amtlichen Statistiker
befinden, die die Fragen gestellt und das Urmaterial zu ihrer Verfügung
haben, und die mitten in der Sache, im Gebrauch aller Hilfsmittel stehen."

Wir haben seit Jahr und Tag und auch in allerneuester Zeit wiederholt
auf den Mißbrauch der amtlich veröffentlichten Zahlen in Privatarbeiten
gelehrter und ungelehrter Politiker aufmerksam gemacht und auf den Segen
der wissenschaftlichen Erschließung des Zahlenwerth durch die amtliche Statistik
hingewiesen. Möchte nur das Reich, und in erster Linie der neue Staats¬
sekretär im Neichsamt des Innern der Rümelinschen Warnung für die Zukunft
eingedenk sein und unsre Neichsstatistik schützen vor Bureaukratismus und
Assessorismus und der damit verbundnen Gefahr der Subalternisirung an
/? Haupt und Gliedern.




Die deutschen Kolonisten an der Wolga
und die russische Regierung
(Schluß)

is die deutschen Kolonien an der Wolga gegründet wurden,
war das ganze unermeßliche Gebiet am linken Ufer der Wolga
fast noch ganz Weidegrund der nomadisirenden Kirgisen. Schon
früher waren wiederholt Versuche gemacht worden, dort Dörfer
üund Städte zu gründen, die von den Kirgisen aber regelmäßig
zerstört wurden, sodaß man solche Ansiedlungen schließlich nur noch am
rechten Wolgaufer, der Bergseite, versuchte, obgleich die Terrain Verhältnisse hier
weit ungünstiger waren. So war es anch mit Ssaratow, gegenwärtig der größten
Stadt an der Wolga, der Fall. Die erste Anlage der Stadt war am linken Wolga-


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[0519] Die deutschen Kolonisten an der Ivolga sondern nach dem Umfang und Gehalt der Thatsachen und Kausalvcrknüpfungen zu beurteilen ist, die sie um der Hand ihrer Zahlen in sicherer und berechtigter Schlußfolgerung ans Licht zu stellen vermögen. Jahrzehntelang hat jenes Zentralbureau des Zollvereins eine Masse von Zahlen veröffentlicht, von denen außer den Beamten der Zollverwaltung kaum jemand einen praktischen Gebrauch zu machen vermochte. Noch heute beschränken sich viele auswärtige Staaten darauf, nur dicke Bände von Ziffern zu addiren, die selbst für den Fachmann unbenützbar in den Schränken vermodern. Es ist nur ein Zufall, ob ein Privatgelehrter sich findet, der den stummen Zahlen den Mund zu öffnen ver¬ mag und die dazu erforderliche grenzenlose Arbeit nicht scheut, aber selbst wenn er es thut, wird er sich im Nachteil gegen die amtlichen Statistiker befinden, die die Fragen gestellt und das Urmaterial zu ihrer Verfügung haben, und die mitten in der Sache, im Gebrauch aller Hilfsmittel stehen." Wir haben seit Jahr und Tag und auch in allerneuester Zeit wiederholt auf den Mißbrauch der amtlich veröffentlichten Zahlen in Privatarbeiten gelehrter und ungelehrter Politiker aufmerksam gemacht und auf den Segen der wissenschaftlichen Erschließung des Zahlenwerth durch die amtliche Statistik hingewiesen. Möchte nur das Reich, und in erster Linie der neue Staats¬ sekretär im Neichsamt des Innern der Rümelinschen Warnung für die Zukunft eingedenk sein und unsre Neichsstatistik schützen vor Bureaukratismus und Assessorismus und der damit verbundnen Gefahr der Subalternisirung an /? Haupt und Gliedern. Die deutschen Kolonisten an der Wolga und die russische Regierung (Schluß) is die deutschen Kolonien an der Wolga gegründet wurden, war das ganze unermeßliche Gebiet am linken Ufer der Wolga fast noch ganz Weidegrund der nomadisirenden Kirgisen. Schon früher waren wiederholt Versuche gemacht worden, dort Dörfer üund Städte zu gründen, die von den Kirgisen aber regelmäßig zerstört wurden, sodaß man solche Ansiedlungen schließlich nur noch am rechten Wolgaufer, der Bergseite, versuchte, obgleich die Terrain Verhältnisse hier weit ungünstiger waren. So war es anch mit Ssaratow, gegenwärtig der größten Stadt an der Wolga, der Fall. Die erste Anlage der Stadt war am linken Wolga-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/519>, abgerufen am 26.06.2024.