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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Fünfundzwanzig Jahre deutscher Reichsstatistik

Beamten damit vertraut sind. Daran kann von außen nicht gerührt werden,
ohne zu schaden. Je größere Ansprüche gemacht werden, umso mehr wird
man sich vor störenden Eingriffen zu hüten haben.

Nur nach einer Richtung, freilich einer sehr wichtigen, scheint uns der
zukünftigen Entwicklung kräftige Hilfe unentbehrlich zu sein, und zwar für die
wissenschaftliche Leistung. Ist es in den ersten fünfundzwanzig Jahren durch
die Pflichttreue aller Teile gelungen, der Gefahr vorzubeugen, daß die deutsche
Reichsstatistik wieder auf das subalterne Niveau des Zeutralbureaus des Zoll¬
vereins herabsank, im zweiten Vierteljahrhundert wird diese Gefahr sicher
nicht mehr beschworen werden können, wenn man das Mißverhältnis zwischen
Bureaupersonal und Mitgliedern weiter wie bisher anwachsen läßt, und
vollends, wenn etwa zugleich die unglückselige Snbalternisiruug des Vurean-
personcils burcaukratischer Gleichmacherei und "Zivilversorgung" zuliebe auch in
der Neichsstatistik zunehmen sollte. Soll das Kaiserliche Statistische Amt nicht
zur subalternen Rechenmaschine des Reichsamts des Innern werden, unter das
es an sich wohl ganz zweckmäßigerweise gestellt ist, so müssen die Mitgliederstellen
schon jetzt vermehrt und in Bezug auf Gehalte und Rang so ausgestattet
werden, daß auch Männer von hervorragender, namentlich auch wissenschaft¬
licher Bedeutung. Volkswirte und Statistiker ersten Ranges, dauernd in ihnen
Befriedigung finden können. Die besondre wissenschaftliche Bedeutung, Arbeits¬
kraft und Aufopferung der Männer, die bisher das Amt auf der Höhe gehalten
haben, sollte nicht über die Gefahr täuschen, die in der unzureichenden Aus¬
gestaltung der statistischen Beamtenlaufbahn liegt; zum Assessorentaubenschlag
darf das Amt auf keinen Fall werden. In seinem Gutachten über die Gründung
und Einrichtung einer Reichsbehörde für deutsche Statistik, das Rümelin im
Mai 1871 als Referent der Kommission zur weitern Ausbildung der Statistik
des Zollvereins abgab, und das von der Kommission mit dem Bericht vom
26. Mai desselben Jahres dem Bundesrat überreicht wurde, ist in voller
Schärfe die Beantwortung der Vorfrage verlangt: "Liegt die Aufgabe des
statistischen Amts überhaupt ausschließlich oder wenigstens vorherrschend in der
Ermittlung und Veröffentlichung zuverlässiger Zahlen, sodaß die Verwertung
und Verarbeitung des gebotenen Stoffs der freien Wissenschaft oder dem prak¬
tischen Gebrauch anheimgestellt bleibt? oder aber bildet diese wissenschaftliche
Analyse und Behandlung des statistischen Materials einen wesentlichen und
unerläßlichen Teil der Aufgaben des Amts selbst?" Und nicht minder scharf
giebt der Referent sein Urteil dahin ab: "daß die statistischen Ämter nur im
Falle der Bejahung dieser letztgestellten Frage den Namen wissenschaftlicher
Institute mit Recht und Ehre führen, daß sie nur in diesem Falle dem Staat
und der Gesellschaft die hohen Dienste leisten können, deren wir uns gern und
mit Fug zu rühmen pflegen, daß der Wert und die Leistung der einzelnen
Bureaus nicht nach den Bänden von Zahlen, die sie in die Welt senden,


Fünfundzwanzig Jahre deutscher Reichsstatistik

Beamten damit vertraut sind. Daran kann von außen nicht gerührt werden,
ohne zu schaden. Je größere Ansprüche gemacht werden, umso mehr wird
man sich vor störenden Eingriffen zu hüten haben.

Nur nach einer Richtung, freilich einer sehr wichtigen, scheint uns der
zukünftigen Entwicklung kräftige Hilfe unentbehrlich zu sein, und zwar für die
wissenschaftliche Leistung. Ist es in den ersten fünfundzwanzig Jahren durch
die Pflichttreue aller Teile gelungen, der Gefahr vorzubeugen, daß die deutsche
Reichsstatistik wieder auf das subalterne Niveau des Zeutralbureaus des Zoll¬
vereins herabsank, im zweiten Vierteljahrhundert wird diese Gefahr sicher
nicht mehr beschworen werden können, wenn man das Mißverhältnis zwischen
Bureaupersonal und Mitgliedern weiter wie bisher anwachsen läßt, und
vollends, wenn etwa zugleich die unglückselige Snbalternisiruug des Vurean-
personcils burcaukratischer Gleichmacherei und „Zivilversorgung" zuliebe auch in
der Neichsstatistik zunehmen sollte. Soll das Kaiserliche Statistische Amt nicht
zur subalternen Rechenmaschine des Reichsamts des Innern werden, unter das
es an sich wohl ganz zweckmäßigerweise gestellt ist, so müssen die Mitgliederstellen
schon jetzt vermehrt und in Bezug auf Gehalte und Rang so ausgestattet
werden, daß auch Männer von hervorragender, namentlich auch wissenschaft¬
licher Bedeutung. Volkswirte und Statistiker ersten Ranges, dauernd in ihnen
Befriedigung finden können. Die besondre wissenschaftliche Bedeutung, Arbeits¬
kraft und Aufopferung der Männer, die bisher das Amt auf der Höhe gehalten
haben, sollte nicht über die Gefahr täuschen, die in der unzureichenden Aus¬
gestaltung der statistischen Beamtenlaufbahn liegt; zum Assessorentaubenschlag
darf das Amt auf keinen Fall werden. In seinem Gutachten über die Gründung
und Einrichtung einer Reichsbehörde für deutsche Statistik, das Rümelin im
Mai 1871 als Referent der Kommission zur weitern Ausbildung der Statistik
des Zollvereins abgab, und das von der Kommission mit dem Bericht vom
26. Mai desselben Jahres dem Bundesrat überreicht wurde, ist in voller
Schärfe die Beantwortung der Vorfrage verlangt: „Liegt die Aufgabe des
statistischen Amts überhaupt ausschließlich oder wenigstens vorherrschend in der
Ermittlung und Veröffentlichung zuverlässiger Zahlen, sodaß die Verwertung
und Verarbeitung des gebotenen Stoffs der freien Wissenschaft oder dem prak¬
tischen Gebrauch anheimgestellt bleibt? oder aber bildet diese wissenschaftliche
Analyse und Behandlung des statistischen Materials einen wesentlichen und
unerläßlichen Teil der Aufgaben des Amts selbst?" Und nicht minder scharf
giebt der Referent sein Urteil dahin ab: „daß die statistischen Ämter nur im
Falle der Bejahung dieser letztgestellten Frage den Namen wissenschaftlicher
Institute mit Recht und Ehre führen, daß sie nur in diesem Falle dem Staat
und der Gesellschaft die hohen Dienste leisten können, deren wir uns gern und
mit Fug zu rühmen pflegen, daß der Wert und die Leistung der einzelnen
Bureaus nicht nach den Bänden von Zahlen, die sie in die Welt senden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/518>, abgerufen am 26.06.2024.