Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Neue Romane

wer der gelungensten Romane, den Ludwig Gang böser ge¬
schrieben hat, ist, wie wir meinen, sein neuester Hochlcmdsroman:
Der laufende Berg (Stuttgart, Bonz u. Comp.). Seine
Dorfgeschichten sind überhaupt mehr uach unserm Geschmack,
als die Romane aus dem Leben der vornehmen Welt, in denen
die Bauern und Gebirgsleute nur im Nebenspiel mit herlaufen, Und in diesem
"Laufenden Berg" sind die wenigen Hauptfiguren besonders gut und fein aus¬
geführt. Der reiche junge Purtschellerbaner wirtschaftet sich unten im Dorf
durch Spiel, Sport und Jagdbummelei von Haus und Hof und verunglückt
um Schluß des Romans auf seiner neuen Renngig. Man hat ihm trotz seiner
vielen Dummheiten eigentlich doch immer gut sein müssen, denn seine Fehler,
Heftigkeit und Hang zum Wohlleben, sind Erziehungsfehler; wäre das nicht,
so hielte es ja der Leser gar nicht aus. bis zum Schluß mit den Narrheiten
des kindisch eitel" Patrons unterhalten zu werden. Nun aber ist alles zu
Ende, der Bauer liegt drüben auf dein Kirchhof, auf dem Hof ist Versteigerung,
alles geht für Hypotheken und Handschulden drauf, und die junge Frau, die
vor wenig Jahren als armes Mädchen vom ganzen Dorfe beneidet hier ein¬
zog, verläßt das Haus, arm, wie sie gekommen ist, und mit der Erinnerung
um eine unglückliche Ehe belastet. Sie Hütte damals einen vortrefflichen, armen
Burschen, einen Gespielen ihrer Kindheit, haben können. Ob sie ihn nicht
wollte, weil sie den Purtscheller vorzog? Der Matthes ist seit einem Jahr
vom Militär zurück und lebt bei seinen alten Eltern, die über dem Dorf am
Berg ein kleines Besitztum haben. Hätte der Purtschellerbcmer den Matthes
als Großkuecht oder Aufseher haben können, dann könnte er sich ganz seinen
feinern Passionen hingeben, aber der Matthes hat nicht gemocht, bis er Hort
und sieht, daß unter alles verfällt, daß die Hhpothekenjuden kommen, und
die arme junge Frau immer unglücklicher wird. Da endlich bietet er sich um,
arbeitet und hilft die Last tragen, so lange es noch geht. Aber es ist zu spät,
und als sie am Tage nach der Versteigerung die Schritte zu seinen Eltern
hinauflenken und vorläufig um Aufnahme bitten will, findet sie in dem kurz
zuvor entlassenen Knechte ihren zweiten Mann, der mit seinen Ersparnissen
das längst verfallne Anwesen ihrer früh verstorbnen Eltern erwirbt und wieder¬
herstellt. Aber es giebt noch ein zweites Paar am Schluß, des Matthes




Neue Romane

wer der gelungensten Romane, den Ludwig Gang böser ge¬
schrieben hat, ist, wie wir meinen, sein neuester Hochlcmdsroman:
Der laufende Berg (Stuttgart, Bonz u. Comp.). Seine
Dorfgeschichten sind überhaupt mehr uach unserm Geschmack,
als die Romane aus dem Leben der vornehmen Welt, in denen
die Bauern und Gebirgsleute nur im Nebenspiel mit herlaufen, Und in diesem
„Laufenden Berg" sind die wenigen Hauptfiguren besonders gut und fein aus¬
geführt. Der reiche junge Purtschellerbaner wirtschaftet sich unten im Dorf
durch Spiel, Sport und Jagdbummelei von Haus und Hof und verunglückt
um Schluß des Romans auf seiner neuen Renngig. Man hat ihm trotz seiner
vielen Dummheiten eigentlich doch immer gut sein müssen, denn seine Fehler,
Heftigkeit und Hang zum Wohlleben, sind Erziehungsfehler; wäre das nicht,
so hielte es ja der Leser gar nicht aus. bis zum Schluß mit den Narrheiten
des kindisch eitel» Patrons unterhalten zu werden. Nun aber ist alles zu
Ende, der Bauer liegt drüben auf dein Kirchhof, auf dem Hof ist Versteigerung,
alles geht für Hypotheken und Handschulden drauf, und die junge Frau, die
vor wenig Jahren als armes Mädchen vom ganzen Dorfe beneidet hier ein¬
zog, verläßt das Haus, arm, wie sie gekommen ist, und mit der Erinnerung
um eine unglückliche Ehe belastet. Sie Hütte damals einen vortrefflichen, armen
Burschen, einen Gespielen ihrer Kindheit, haben können. Ob sie ihn nicht
wollte, weil sie den Purtscheller vorzog? Der Matthes ist seit einem Jahr
vom Militär zurück und lebt bei seinen alten Eltern, die über dem Dorf am
Berg ein kleines Besitztum haben. Hätte der Purtschellerbcmer den Matthes
als Großkuecht oder Aufseher haben können, dann könnte er sich ganz seinen
feinern Passionen hingeben, aber der Matthes hat nicht gemocht, bis er Hort
und sieht, daß unter alles verfällt, daß die Hhpothekenjuden kommen, und
die arme junge Frau immer unglücklicher wird. Da endlich bietet er sich um,
arbeitet und hilft die Last tragen, so lange es noch geht. Aber es ist zu spät,
und als sie am Tage nach der Versteigerung die Schritte zu seinen Eltern
hinauflenken und vorläufig um Aufnahme bitten will, findet sie in dem kurz
zuvor entlassenen Knechte ihren zweiten Mann, der mit seinen Ersparnissen
das längst verfallne Anwesen ihrer früh verstorbnen Eltern erwirbt und wieder¬
herstellt. Aber es giebt noch ein zweites Paar am Schluß, des Matthes


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226723"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_226231/figures/grenzboten_341865_226231_226723_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neue Romane</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1204" next="#ID_1205"> wer der gelungensten Romane, den Ludwig Gang böser ge¬<lb/>
schrieben hat, ist, wie wir meinen, sein neuester Hochlcmdsroman:<lb/>
Der laufende Berg (Stuttgart, Bonz u. Comp.). Seine<lb/>
Dorfgeschichten sind überhaupt mehr uach unserm Geschmack,<lb/>
als die Romane aus dem Leben der vornehmen Welt, in denen<lb/>
die Bauern und Gebirgsleute nur im Nebenspiel mit herlaufen, Und in diesem<lb/>
&#x201E;Laufenden Berg" sind die wenigen Hauptfiguren besonders gut und fein aus¬<lb/>
geführt. Der reiche junge Purtschellerbaner wirtschaftet sich unten im Dorf<lb/>
durch Spiel, Sport und Jagdbummelei von Haus und Hof und verunglückt<lb/>
um Schluß des Romans auf seiner neuen Renngig. Man hat ihm trotz seiner<lb/>
vielen Dummheiten eigentlich doch immer gut sein müssen, denn seine Fehler,<lb/>
Heftigkeit und Hang zum Wohlleben, sind Erziehungsfehler; wäre das nicht,<lb/>
so hielte es ja der Leser gar nicht aus. bis zum Schluß mit den Narrheiten<lb/>
des kindisch eitel» Patrons unterhalten zu werden. Nun aber ist alles zu<lb/>
Ende, der Bauer liegt drüben auf dein Kirchhof, auf dem Hof ist Versteigerung,<lb/>
alles geht für Hypotheken und Handschulden drauf, und die junge Frau, die<lb/>
vor wenig Jahren als armes Mädchen vom ganzen Dorfe beneidet hier ein¬<lb/>
zog, verläßt das Haus, arm, wie sie gekommen ist, und mit der Erinnerung<lb/>
um eine unglückliche Ehe belastet. Sie Hütte damals einen vortrefflichen, armen<lb/>
Burschen, einen Gespielen ihrer Kindheit, haben können. Ob sie ihn nicht<lb/>
wollte, weil sie den Purtscheller vorzog? Der Matthes ist seit einem Jahr<lb/>
vom Militär zurück und lebt bei seinen alten Eltern, die über dem Dorf am<lb/>
Berg ein kleines Besitztum haben. Hätte der Purtschellerbcmer den Matthes<lb/>
als Großkuecht oder Aufseher haben können, dann könnte er sich ganz seinen<lb/>
feinern Passionen hingeben, aber der Matthes hat nicht gemocht, bis er Hort<lb/>
und sieht, daß unter alles verfällt, daß die Hhpothekenjuden kommen, und<lb/>
die arme junge Frau immer unglücklicher wird. Da endlich bietet er sich um,<lb/>
arbeitet und hilft die Last tragen, so lange es noch geht. Aber es ist zu spät,<lb/>
und als sie am Tage nach der Versteigerung die Schritte zu seinen Eltern<lb/>
hinauflenken und vorläufig um Aufnahme bitten will, findet sie in dem kurz<lb/>
zuvor entlassenen Knechte ihren zweiten Mann, der mit seinen Ersparnissen<lb/>
das längst verfallne Anwesen ihrer früh verstorbnen Eltern erwirbt und wieder¬<lb/>
herstellt.  Aber es giebt noch ein zweites Paar am Schluß, des Matthes</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0493] [Abbildung] Neue Romane wer der gelungensten Romane, den Ludwig Gang böser ge¬ schrieben hat, ist, wie wir meinen, sein neuester Hochlcmdsroman: Der laufende Berg (Stuttgart, Bonz u. Comp.). Seine Dorfgeschichten sind überhaupt mehr uach unserm Geschmack, als die Romane aus dem Leben der vornehmen Welt, in denen die Bauern und Gebirgsleute nur im Nebenspiel mit herlaufen, Und in diesem „Laufenden Berg" sind die wenigen Hauptfiguren besonders gut und fein aus¬ geführt. Der reiche junge Purtschellerbaner wirtschaftet sich unten im Dorf durch Spiel, Sport und Jagdbummelei von Haus und Hof und verunglückt um Schluß des Romans auf seiner neuen Renngig. Man hat ihm trotz seiner vielen Dummheiten eigentlich doch immer gut sein müssen, denn seine Fehler, Heftigkeit und Hang zum Wohlleben, sind Erziehungsfehler; wäre das nicht, so hielte es ja der Leser gar nicht aus. bis zum Schluß mit den Narrheiten des kindisch eitel» Patrons unterhalten zu werden. Nun aber ist alles zu Ende, der Bauer liegt drüben auf dein Kirchhof, auf dem Hof ist Versteigerung, alles geht für Hypotheken und Handschulden drauf, und die junge Frau, die vor wenig Jahren als armes Mädchen vom ganzen Dorfe beneidet hier ein¬ zog, verläßt das Haus, arm, wie sie gekommen ist, und mit der Erinnerung um eine unglückliche Ehe belastet. Sie Hütte damals einen vortrefflichen, armen Burschen, einen Gespielen ihrer Kindheit, haben können. Ob sie ihn nicht wollte, weil sie den Purtscheller vorzog? Der Matthes ist seit einem Jahr vom Militär zurück und lebt bei seinen alten Eltern, die über dem Dorf am Berg ein kleines Besitztum haben. Hätte der Purtschellerbcmer den Matthes als Großkuecht oder Aufseher haben können, dann könnte er sich ganz seinen feinern Passionen hingeben, aber der Matthes hat nicht gemocht, bis er Hort und sieht, daß unter alles verfällt, daß die Hhpothekenjuden kommen, und die arme junge Frau immer unglücklicher wird. Da endlich bietet er sich um, arbeitet und hilft die Last tragen, so lange es noch geht. Aber es ist zu spät, und als sie am Tage nach der Versteigerung die Schritte zu seinen Eltern hinauflenken und vorläufig um Aufnahme bitten will, findet sie in dem kurz zuvor entlassenen Knechte ihren zweiten Mann, der mit seinen Ersparnissen das längst verfallne Anwesen ihrer früh verstorbnen Eltern erwirbt und wieder¬ herstellt. Aber es giebt noch ein zweites Paar am Schluß, des Matthes

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/493
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/493>, abgerufen am 26.06.2024.