Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Flottengesetz

Hat die Marineverwaltung schon sehr große Zurückhaltung in der Ver¬
mehrung der Panzerschiffzahl gezeigt, so gilt das noch viel mehr von den
Forderungen für die Kreuzer. Wie jetzt allgemein anerkannt und durch die
vielen Bauten schwerer Schlachtschiffe überall bewiesen wird, fallen den Kreuzern
im Kriege nur Nebenrollen zu, nämlich der Kundschafter- und Vorpostendienst
bei der Schlachtflotte und der Kreuzerdienst gegen feindliche Handelszerstörer.
Da außerdem der überseeische Friedensdienst von Kreuzern versehen werden
muß (denn Linienschiffe bei jedem geringen Streitfall ins Ausland zu schicken
würde recht kostspielig werden), so wird man die Kreuzer nie entbehren können,
obwohl sie keinerlei Ersatz für Schlachtschiffe bilden, weil sie beim .Kampfe
gegen Schlachtschiffe so gut wie gar nicht mitwirken und eingreifen können,
ihrer leichtern Bauart wegen, die die Bedingung für ihre notwendige Schnelligkeit
ist. Admiral Hollmann hat schon nachgewiesen, daß die Zahl unsrer Kreuzer erster
bis vierter Klasse und unsrer Avisos dreiundvierzig betragen müßte, wenn wirklich
gebaut und ersetzt wäre, was der Flottengründungsplan und spätere Denk¬
schriften als nötig gefordert haben. Im Flottengesetz ist der Begriff des
Avisos ganz mit dem des kleinen Kreuzers verschmolzen worden, eine sehr
glückliche Vereinfachung, die damit begründet ist, daß die Avisos thatsächlich
kleine Kreuzer für den Kundschafterdienst bei der Flotte sind. Unter den
großen Kreuzern sind Panzerkreuzer zu verstehen, unter den kleinen Kreuzern
aber sogenannte "geschützte" oder Panzerdeckkreuzer, wenigstens sofern es sich
um Neubauten handelt. In den Bestand der großen Kreuzer sind aushilfsweise
drei alte Panzerschiffe mit aufgenommen, in dem Bestände der kleinen werden
fünf Schiffe mitgezählt, die schon an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit als
kriegsbrauchbare kleine Kreuzer stehen, nämlich die ohne Panzerdeck und alt¬
modisch gebauten Schiffe Alexandrine, Arkona, Zieten, Blitz und Pfeil. Die
im Flottengesetz geforderten zwölf großen und dreißig kleinen Kreuzer bleiben
also ihrer Gesamtzahl zweiundvierzig nach noch hinter dem zurück, was von
früher an Kreuzern (und Avisos) vorhanden sein müßte, wenn keine Ersatzbauten
versäumt worden wären. Die neun Neubauten von Kreuzern, die das Gesetz
nötig macht, dürfen also mit vollem Recht als Ersatzbauten nicht mehr vor¬
handner und noch nicht ersetzter Kreuzer angesehen werden. Neubauten wie
Ersatzbauten sind ja freilich neue Schiffe, von denen eins so viel kostet wie
das andre; aber trotzdem thut man klug, die "Neubauten" im Sinne
der vermehrten Flottenstärke recht scharf von den "Ersatzbauten" für ver¬
altende Schiffe zu trennen, weil für alle Ersatzbauteil längst, seit dem
Gründungsplan, die moralische Pflicht der Bewilligung für jeden vaterlands¬
liebenden Neichsboten vorhanden ist. Denn ohne Ersatzbauten versiele ja die
Flotte vollständig. Nur die Neubauten fordern Prüfung auf ihren Zweck,
ihre Notwendigkeit. Und was die Kreuzerzahl nach dem Flvttengesetz betrifft,
so ist zu bemerken, daß für den Aufklärungs- und Sicherheitsdienst bei der


Das Flottengesetz

Hat die Marineverwaltung schon sehr große Zurückhaltung in der Ver¬
mehrung der Panzerschiffzahl gezeigt, so gilt das noch viel mehr von den
Forderungen für die Kreuzer. Wie jetzt allgemein anerkannt und durch die
vielen Bauten schwerer Schlachtschiffe überall bewiesen wird, fallen den Kreuzern
im Kriege nur Nebenrollen zu, nämlich der Kundschafter- und Vorpostendienst
bei der Schlachtflotte und der Kreuzerdienst gegen feindliche Handelszerstörer.
Da außerdem der überseeische Friedensdienst von Kreuzern versehen werden
muß (denn Linienschiffe bei jedem geringen Streitfall ins Ausland zu schicken
würde recht kostspielig werden), so wird man die Kreuzer nie entbehren können,
obwohl sie keinerlei Ersatz für Schlachtschiffe bilden, weil sie beim .Kampfe
gegen Schlachtschiffe so gut wie gar nicht mitwirken und eingreifen können,
ihrer leichtern Bauart wegen, die die Bedingung für ihre notwendige Schnelligkeit
ist. Admiral Hollmann hat schon nachgewiesen, daß die Zahl unsrer Kreuzer erster
bis vierter Klasse und unsrer Avisos dreiundvierzig betragen müßte, wenn wirklich
gebaut und ersetzt wäre, was der Flottengründungsplan und spätere Denk¬
schriften als nötig gefordert haben. Im Flottengesetz ist der Begriff des
Avisos ganz mit dem des kleinen Kreuzers verschmolzen worden, eine sehr
glückliche Vereinfachung, die damit begründet ist, daß die Avisos thatsächlich
kleine Kreuzer für den Kundschafterdienst bei der Flotte sind. Unter den
großen Kreuzern sind Panzerkreuzer zu verstehen, unter den kleinen Kreuzern
aber sogenannte „geschützte" oder Panzerdeckkreuzer, wenigstens sofern es sich
um Neubauten handelt. In den Bestand der großen Kreuzer sind aushilfsweise
drei alte Panzerschiffe mit aufgenommen, in dem Bestände der kleinen werden
fünf Schiffe mitgezählt, die schon an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit als
kriegsbrauchbare kleine Kreuzer stehen, nämlich die ohne Panzerdeck und alt¬
modisch gebauten Schiffe Alexandrine, Arkona, Zieten, Blitz und Pfeil. Die
im Flottengesetz geforderten zwölf großen und dreißig kleinen Kreuzer bleiben
also ihrer Gesamtzahl zweiundvierzig nach noch hinter dem zurück, was von
früher an Kreuzern (und Avisos) vorhanden sein müßte, wenn keine Ersatzbauten
versäumt worden wären. Die neun Neubauten von Kreuzern, die das Gesetz
nötig macht, dürfen also mit vollem Recht als Ersatzbauten nicht mehr vor¬
handner und noch nicht ersetzter Kreuzer angesehen werden. Neubauten wie
Ersatzbauten sind ja freilich neue Schiffe, von denen eins so viel kostet wie
das andre; aber trotzdem thut man klug, die „Neubauten" im Sinne
der vermehrten Flottenstärke recht scharf von den „Ersatzbauten" für ver¬
altende Schiffe zu trennen, weil für alle Ersatzbauteil längst, seit dem
Gründungsplan, die moralische Pflicht der Bewilligung für jeden vaterlands¬
liebenden Neichsboten vorhanden ist. Denn ohne Ersatzbauten versiele ja die
Flotte vollständig. Nur die Neubauten fordern Prüfung auf ihren Zweck,
ihre Notwendigkeit. Und was die Kreuzerzahl nach dem Flvttengesetz betrifft,
so ist zu bemerken, daß für den Aufklärungs- und Sicherheitsdienst bei der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226692"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Flottengesetz</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1143" next="#ID_1144"> Hat die Marineverwaltung schon sehr große Zurückhaltung in der Ver¬<lb/>
mehrung der Panzerschiffzahl gezeigt, so gilt das noch viel mehr von den<lb/>
Forderungen für die Kreuzer. Wie jetzt allgemein anerkannt und durch die<lb/>
vielen Bauten schwerer Schlachtschiffe überall bewiesen wird, fallen den Kreuzern<lb/>
im Kriege nur Nebenrollen zu, nämlich der Kundschafter- und Vorpostendienst<lb/>
bei der Schlachtflotte und der Kreuzerdienst gegen feindliche Handelszerstörer.<lb/>
Da außerdem der überseeische Friedensdienst von Kreuzern versehen werden<lb/>
muß (denn Linienschiffe bei jedem geringen Streitfall ins Ausland zu schicken<lb/>
würde recht kostspielig werden), so wird man die Kreuzer nie entbehren können,<lb/>
obwohl sie keinerlei Ersatz für Schlachtschiffe bilden, weil sie beim .Kampfe<lb/>
gegen Schlachtschiffe so gut wie gar nicht mitwirken und eingreifen können,<lb/>
ihrer leichtern Bauart wegen, die die Bedingung für ihre notwendige Schnelligkeit<lb/>
ist. Admiral Hollmann hat schon nachgewiesen, daß die Zahl unsrer Kreuzer erster<lb/>
bis vierter Klasse und unsrer Avisos dreiundvierzig betragen müßte, wenn wirklich<lb/>
gebaut und ersetzt wäre, was der Flottengründungsplan und spätere Denk¬<lb/>
schriften als nötig gefordert haben. Im Flottengesetz ist der Begriff des<lb/>
Avisos ganz mit dem des kleinen Kreuzers verschmolzen worden, eine sehr<lb/>
glückliche Vereinfachung, die damit begründet ist, daß die Avisos thatsächlich<lb/>
kleine Kreuzer für den Kundschafterdienst bei der Flotte sind. Unter den<lb/>
großen Kreuzern sind Panzerkreuzer zu verstehen, unter den kleinen Kreuzern<lb/>
aber sogenannte &#x201E;geschützte" oder Panzerdeckkreuzer, wenigstens sofern es sich<lb/>
um Neubauten handelt. In den Bestand der großen Kreuzer sind aushilfsweise<lb/>
drei alte Panzerschiffe mit aufgenommen, in dem Bestände der kleinen werden<lb/>
fünf Schiffe mitgezählt, die schon an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit als<lb/>
kriegsbrauchbare kleine Kreuzer stehen, nämlich die ohne Panzerdeck und alt¬<lb/>
modisch gebauten Schiffe Alexandrine, Arkona, Zieten, Blitz und Pfeil. Die<lb/>
im Flottengesetz geforderten zwölf großen und dreißig kleinen Kreuzer bleiben<lb/>
also ihrer Gesamtzahl zweiundvierzig nach noch hinter dem zurück, was von<lb/>
früher an Kreuzern (und Avisos) vorhanden sein müßte, wenn keine Ersatzbauten<lb/>
versäumt worden wären. Die neun Neubauten von Kreuzern, die das Gesetz<lb/>
nötig macht, dürfen also mit vollem Recht als Ersatzbauten nicht mehr vor¬<lb/>
handner und noch nicht ersetzter Kreuzer angesehen werden. Neubauten wie<lb/>
Ersatzbauten sind ja freilich neue Schiffe, von denen eins so viel kostet wie<lb/>
das andre; aber trotzdem thut man klug, die &#x201E;Neubauten" im Sinne<lb/>
der vermehrten Flottenstärke recht scharf von den &#x201E;Ersatzbauten" für ver¬<lb/>
altende Schiffe zu trennen, weil für alle Ersatzbauteil längst, seit dem<lb/>
Gründungsplan, die moralische Pflicht der Bewilligung für jeden vaterlands¬<lb/>
liebenden Neichsboten vorhanden ist. Denn ohne Ersatzbauten versiele ja die<lb/>
Flotte vollständig. Nur die Neubauten fordern Prüfung auf ihren Zweck,<lb/>
ihre Notwendigkeit. Und was die Kreuzerzahl nach dem Flvttengesetz betrifft,<lb/>
so ist zu bemerken, daß für den Aufklärungs- und Sicherheitsdienst bei der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] Das Flottengesetz Hat die Marineverwaltung schon sehr große Zurückhaltung in der Ver¬ mehrung der Panzerschiffzahl gezeigt, so gilt das noch viel mehr von den Forderungen für die Kreuzer. Wie jetzt allgemein anerkannt und durch die vielen Bauten schwerer Schlachtschiffe überall bewiesen wird, fallen den Kreuzern im Kriege nur Nebenrollen zu, nämlich der Kundschafter- und Vorpostendienst bei der Schlachtflotte und der Kreuzerdienst gegen feindliche Handelszerstörer. Da außerdem der überseeische Friedensdienst von Kreuzern versehen werden muß (denn Linienschiffe bei jedem geringen Streitfall ins Ausland zu schicken würde recht kostspielig werden), so wird man die Kreuzer nie entbehren können, obwohl sie keinerlei Ersatz für Schlachtschiffe bilden, weil sie beim .Kampfe gegen Schlachtschiffe so gut wie gar nicht mitwirken und eingreifen können, ihrer leichtern Bauart wegen, die die Bedingung für ihre notwendige Schnelligkeit ist. Admiral Hollmann hat schon nachgewiesen, daß die Zahl unsrer Kreuzer erster bis vierter Klasse und unsrer Avisos dreiundvierzig betragen müßte, wenn wirklich gebaut und ersetzt wäre, was der Flottengründungsplan und spätere Denk¬ schriften als nötig gefordert haben. Im Flottengesetz ist der Begriff des Avisos ganz mit dem des kleinen Kreuzers verschmolzen worden, eine sehr glückliche Vereinfachung, die damit begründet ist, daß die Avisos thatsächlich kleine Kreuzer für den Kundschafterdienst bei der Flotte sind. Unter den großen Kreuzern sind Panzerkreuzer zu verstehen, unter den kleinen Kreuzern aber sogenannte „geschützte" oder Panzerdeckkreuzer, wenigstens sofern es sich um Neubauten handelt. In den Bestand der großen Kreuzer sind aushilfsweise drei alte Panzerschiffe mit aufgenommen, in dem Bestände der kleinen werden fünf Schiffe mitgezählt, die schon an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit als kriegsbrauchbare kleine Kreuzer stehen, nämlich die ohne Panzerdeck und alt¬ modisch gebauten Schiffe Alexandrine, Arkona, Zieten, Blitz und Pfeil. Die im Flottengesetz geforderten zwölf großen und dreißig kleinen Kreuzer bleiben also ihrer Gesamtzahl zweiundvierzig nach noch hinter dem zurück, was von früher an Kreuzern (und Avisos) vorhanden sein müßte, wenn keine Ersatzbauten versäumt worden wären. Die neun Neubauten von Kreuzern, die das Gesetz nötig macht, dürfen also mit vollem Recht als Ersatzbauten nicht mehr vor¬ handner und noch nicht ersetzter Kreuzer angesehen werden. Neubauten wie Ersatzbauten sind ja freilich neue Schiffe, von denen eins so viel kostet wie das andre; aber trotzdem thut man klug, die „Neubauten" im Sinne der vermehrten Flottenstärke recht scharf von den „Ersatzbauten" für ver¬ altende Schiffe zu trennen, weil für alle Ersatzbauteil längst, seit dem Gründungsplan, die moralische Pflicht der Bewilligung für jeden vaterlands¬ liebenden Neichsboten vorhanden ist. Denn ohne Ersatzbauten versiele ja die Flotte vollständig. Nur die Neubauten fordern Prüfung auf ihren Zweck, ihre Notwendigkeit. Und was die Kreuzerzahl nach dem Flvttengesetz betrifft, so ist zu bemerken, daß für den Aufklärungs- und Sicherheitsdienst bei der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/462>, abgerufen am 26.06.2024.