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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Das Llottengesetz

Nur zweierlei ist an dem Z 1 des Flottengesctzentwurfs auszusetzen:
erstens ist die Zahl der Linienschiffe zu knapp bemessen, weil die siebzehn
Linienschiffe nebst ihrer Reserve eben nur ausreichen, die heimischen Küsteu-
gewciffer zu sichern. Mußten wir gelegentlich einmal einzelne oder gar mehrere
Linienschiffe gegen asiatische oder amerikanische Seestanten ins Ausland
schicken, was doch vorkommen kann, so würde unsre heimische Schlachtflotte
geschwächt werden. Mit andern Worten, mit der sehr bescheidnen Zahl von
neunzehn Linienschiffen im ganzen werden nur die dringendsten Bedürfnisse
gedeckt, wahrend sehr berechtigte Anforderungen nicht erfüllt werden. Ferner
ist es sehr zu bedauern, daß die Verstärkung der Flotte erst im Laufe von
sieben Jahren durchgeführt werden soll. Denn die Flotte in der Stärke des
Gesetzentwurfs fehlt uns doch heute schon; wir sind heute noch gegen den
Gründnngsplan zurück und haben also umso mehr Ursache, frühere Versäum¬
nisse recht schnell nachzuholen. Was in sieben Jahren gebaut werden kann,
das würde unsre prächtig entwickelte Schiffbauindnstrie auch schon in fünf
Jahren schaffen können, wenn nur die Gelder dazu bewilligt würden. Wir
sind doch nicht mehr im Kindesalter der Versuche; unsre Schiffsarten sind
wohldurchdacht, sind nach den Erfahrungen mit frühern Schiffen geplant und
meist anch schon selbst erprobt. Da konnte schon lebhafter, schneller gebaut
werden, also mehr gefordert werden. Und das ließe sich anch machen, wenn
man die Ersatzbauten früher begönne, als nach dem amtlichen Plane. Die
Ersatzbauten sind meist schon längere Zeit fällig, z. B. eine ganze Reihe von
Kreuzern; es wäre deshalb gerechtfertigt, sie gleichzeitig neben den Neubauten
zu bewilligen, umso mehr als der Marinehaushalt ganz gut schou sür die
nächsten Jahre gesteigert werdeu könnte, denn was man jetzt gleich bauen
würde, das würde ja später gespart werden. Es handelt sich doch darum,
so schnell wie möglich die Flotte so stark zu machen, wie es für Deutschlands
Wohl nötig ist. Freilich hat die Nationalzeitung kürzlich ganz richtig bemerkt:
"Wir schreiben 1897 und nicht 1877; die Zahl der unverbesserlichen Demagogen
ist größer geworden." Aber der Kern unsers Volks ist noch gesund, trotz vieler
Versetzungen; bei rastloser aufklärender Arbeit müßte die Flottenfrage schneller
zu lösen sein, als es das Gesetz thut. Daß der Zeitpunkt überhaupt festgesetzt
wird, wann die Flotte auf den angesetzten Schiffsbestand gelangen soll, ist
genau ebenso nötig wie die Festsetzung der Stärke der Flotte; denn sonst
bliebe ja alles beim Alten, der neue Flottenplan bliebe dann ebenso auf dem
Papier ohne Verbindlichkeit für Regierung und Reichstag, wie die alten
Denkschriften und der Gründungsplan. Auch der dritte Puukt, die gesetzliche
Bestimmung der Altersgrenze für die Schiffe G 2 des Gesetzes), und zwar
fünfundzwanzig Jahre für Linienschiffe und Küsteupauzerschiffe usw., hängt innig
mit der Festsetzung des Schiffsbestands der Flotte zusammen; denn er verhütet,
daß in künftige" Jahren die Ersatzbauten zu spät gefordert und gebant werden.


Das Llottengesetz

Nur zweierlei ist an dem Z 1 des Flottengesctzentwurfs auszusetzen:
erstens ist die Zahl der Linienschiffe zu knapp bemessen, weil die siebzehn
Linienschiffe nebst ihrer Reserve eben nur ausreichen, die heimischen Küsteu-
gewciffer zu sichern. Mußten wir gelegentlich einmal einzelne oder gar mehrere
Linienschiffe gegen asiatische oder amerikanische Seestanten ins Ausland
schicken, was doch vorkommen kann, so würde unsre heimische Schlachtflotte
geschwächt werden. Mit andern Worten, mit der sehr bescheidnen Zahl von
neunzehn Linienschiffen im ganzen werden nur die dringendsten Bedürfnisse
gedeckt, wahrend sehr berechtigte Anforderungen nicht erfüllt werden. Ferner
ist es sehr zu bedauern, daß die Verstärkung der Flotte erst im Laufe von
sieben Jahren durchgeführt werden soll. Denn die Flotte in der Stärke des
Gesetzentwurfs fehlt uns doch heute schon; wir sind heute noch gegen den
Gründnngsplan zurück und haben also umso mehr Ursache, frühere Versäum¬
nisse recht schnell nachzuholen. Was in sieben Jahren gebaut werden kann,
das würde unsre prächtig entwickelte Schiffbauindnstrie auch schon in fünf
Jahren schaffen können, wenn nur die Gelder dazu bewilligt würden. Wir
sind doch nicht mehr im Kindesalter der Versuche; unsre Schiffsarten sind
wohldurchdacht, sind nach den Erfahrungen mit frühern Schiffen geplant und
meist anch schon selbst erprobt. Da konnte schon lebhafter, schneller gebaut
werden, also mehr gefordert werden. Und das ließe sich anch machen, wenn
man die Ersatzbauten früher begönne, als nach dem amtlichen Plane. Die
Ersatzbauten sind meist schon längere Zeit fällig, z. B. eine ganze Reihe von
Kreuzern; es wäre deshalb gerechtfertigt, sie gleichzeitig neben den Neubauten
zu bewilligen, umso mehr als der Marinehaushalt ganz gut schou sür die
nächsten Jahre gesteigert werdeu könnte, denn was man jetzt gleich bauen
würde, das würde ja später gespart werden. Es handelt sich doch darum,
so schnell wie möglich die Flotte so stark zu machen, wie es für Deutschlands
Wohl nötig ist. Freilich hat die Nationalzeitung kürzlich ganz richtig bemerkt:
„Wir schreiben 1897 und nicht 1877; die Zahl der unverbesserlichen Demagogen
ist größer geworden." Aber der Kern unsers Volks ist noch gesund, trotz vieler
Versetzungen; bei rastloser aufklärender Arbeit müßte die Flottenfrage schneller
zu lösen sein, als es das Gesetz thut. Daß der Zeitpunkt überhaupt festgesetzt
wird, wann die Flotte auf den angesetzten Schiffsbestand gelangen soll, ist
genau ebenso nötig wie die Festsetzung der Stärke der Flotte; denn sonst
bliebe ja alles beim Alten, der neue Flottenplan bliebe dann ebenso auf dem
Papier ohne Verbindlichkeit für Regierung und Reichstag, wie die alten
Denkschriften und der Gründungsplan. Auch der dritte Puukt, die gesetzliche
Bestimmung der Altersgrenze für die Schiffe G 2 des Gesetzes), und zwar
fünfundzwanzig Jahre für Linienschiffe und Küsteupauzerschiffe usw., hängt innig
mit der Festsetzung des Schiffsbestands der Flotte zusammen; denn er verhütet,
daß in künftige» Jahren die Ersatzbauten zu spät gefordert und gebant werden.


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[0461] Das Llottengesetz Nur zweierlei ist an dem Z 1 des Flottengesctzentwurfs auszusetzen: erstens ist die Zahl der Linienschiffe zu knapp bemessen, weil die siebzehn Linienschiffe nebst ihrer Reserve eben nur ausreichen, die heimischen Küsteu- gewciffer zu sichern. Mußten wir gelegentlich einmal einzelne oder gar mehrere Linienschiffe gegen asiatische oder amerikanische Seestanten ins Ausland schicken, was doch vorkommen kann, so würde unsre heimische Schlachtflotte geschwächt werden. Mit andern Worten, mit der sehr bescheidnen Zahl von neunzehn Linienschiffen im ganzen werden nur die dringendsten Bedürfnisse gedeckt, wahrend sehr berechtigte Anforderungen nicht erfüllt werden. Ferner ist es sehr zu bedauern, daß die Verstärkung der Flotte erst im Laufe von sieben Jahren durchgeführt werden soll. Denn die Flotte in der Stärke des Gesetzentwurfs fehlt uns doch heute schon; wir sind heute noch gegen den Gründnngsplan zurück und haben also umso mehr Ursache, frühere Versäum¬ nisse recht schnell nachzuholen. Was in sieben Jahren gebaut werden kann, das würde unsre prächtig entwickelte Schiffbauindnstrie auch schon in fünf Jahren schaffen können, wenn nur die Gelder dazu bewilligt würden. Wir sind doch nicht mehr im Kindesalter der Versuche; unsre Schiffsarten sind wohldurchdacht, sind nach den Erfahrungen mit frühern Schiffen geplant und meist anch schon selbst erprobt. Da konnte schon lebhafter, schneller gebaut werden, also mehr gefordert werden. Und das ließe sich anch machen, wenn man die Ersatzbauten früher begönne, als nach dem amtlichen Plane. Die Ersatzbauten sind meist schon längere Zeit fällig, z. B. eine ganze Reihe von Kreuzern; es wäre deshalb gerechtfertigt, sie gleichzeitig neben den Neubauten zu bewilligen, umso mehr als der Marinehaushalt ganz gut schou sür die nächsten Jahre gesteigert werdeu könnte, denn was man jetzt gleich bauen würde, das würde ja später gespart werden. Es handelt sich doch darum, so schnell wie möglich die Flotte so stark zu machen, wie es für Deutschlands Wohl nötig ist. Freilich hat die Nationalzeitung kürzlich ganz richtig bemerkt: „Wir schreiben 1897 und nicht 1877; die Zahl der unverbesserlichen Demagogen ist größer geworden." Aber der Kern unsers Volks ist noch gesund, trotz vieler Versetzungen; bei rastloser aufklärender Arbeit müßte die Flottenfrage schneller zu lösen sein, als es das Gesetz thut. Daß der Zeitpunkt überhaupt festgesetzt wird, wann die Flotte auf den angesetzten Schiffsbestand gelangen soll, ist genau ebenso nötig wie die Festsetzung der Stärke der Flotte; denn sonst bliebe ja alles beim Alten, der neue Flottenplan bliebe dann ebenso auf dem Papier ohne Verbindlichkeit für Regierung und Reichstag, wie die alten Denkschriften und der Gründungsplan. Auch der dritte Puukt, die gesetzliche Bestimmung der Altersgrenze für die Schiffe G 2 des Gesetzes), und zwar fünfundzwanzig Jahre für Linienschiffe und Küsteupauzerschiffe usw., hängt innig mit der Festsetzung des Schiffsbestands der Flotte zusammen; denn er verhütet, daß in künftige» Jahren die Ersatzbauten zu spät gefordert und gebant werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/461>, abgerufen am 26.06.2024.