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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Das Flottengesetz

Statt der vierzehn tüchtigen Linienschiffe, die wir jetzt schon nach dein
alten Gründungsplane von 1873 haben müßten, fordert das Gesetz, die Zahl
der Linienschiffe auf neunzehn, einschließlich zweier Reserveschiffe, festzusetze".
Man will damit die Formation der Schlachtflotte in ähnlicher Weise wie die
eines Armeekorps ein für allemal bestimmen. Wie ein Armeekorps aus zwei
Divisionen, jede Division aus zwei Brigaden, jede Brigade ans mehreren
Regimentern besteht, soll zukünftig die Schlachtflotte aus zwei Geschwadern,
jedes Geschwader aus zwei Divisionen und jede Division aus vier Linien¬
schiffen bestehen und von einem Flottenflaggschiff geführt werden. Seetaktische
Übungen unsrer eignen Flotte und auch die Erfahrungen fremder Seemächte,
soweit wir darüber Kunde haben, ergeben, daß diese Zusammensetzung der
Schlachtflotte besonders günstig für ihre Leistungsfähigkeit ist. Man hat es
hier mit ganz ähnlichen Erwägungen zu thun, wie sie für die Stärke der
einzelnen Truppenteile des Heeres längst jedem als eine ganz natürliche Sache
erscheinen. Die Kopfstärken des Regiments, des Bataillons und der Kompagnie
sind aus taktischen Gründen längst festgesetzt; nirgends herrscht Willkür darüber,
wie viel Geschütze eine Feldbatterie haben muß, um eine kriegsbrauchbare
taktische Einheit zu bilden. Das und nichts andres soll nun endlich
auch mit der Flotte geschehen, auch ihre taktischen Einheiten sollen der Willkür
und Veränderlichkeit enthoben werden, und der Materialbedarf an Schiffen
soll dem Bedarf an taktischen Einheiten angepaßt werden, und nicht mehr
umgekehrt, wie es unnatürlicher Weise bisher war. Im Heere macht man
die Zahl der einzustellenden Soldaten, die Zahl der Kompagnien und Regi¬
menter doch auch nicht von der Zahl der vorhandnen Gewehre abhängig,
sondern beschafft eben so viel Gewehre, wie man braucht. Im Grunde ist aber
zwischen Gewehren für das Heer und Schiffen für die Marine kein Unterschied,
weil beide Material sind, totes Kriegsmaterial, das erst durch geschultes
Personal brauchbar wird. Die Abwägung der Zahl der Linienschiffe nach der
taktischen Formation der Schlachtflotte ist sehr wichtig für die Vermehrung der
Kriegstüchtigkeit der Flotte, weil die Schulung des gesamten Personals dann
auf stetige Verhältnisse zugeschnitten werden kann. Man unterschätze diesen
Punkt nicht! Denn die modernen, sehr verwickelten Schiffsmechanismen be¬
dürfen einer so vielseitig und gründlich durchgebildeten Besatzung, vom Kom¬
mandanten an bis zum letzten Heizer und Handwerker, daß die Kriegsbereit¬
schaft der Schlachtflotte von der Ausbildung der Besatzungen abhängt. Die
Truppenteile des Heeres behalten ihre Formationen, wenn sie ins Feld rücken.
Es spricht kein Grund dagegen, wohl aber sprechen viele gewichtige Gründe
dafür, daß man es der Flotte ebenso zugestehe wie dem Heere, die Kriegs¬
bereitschaft schon im Frieden soweit auszubilden, wie nur irgend möglich.
Dazu gehören feste Verhältnisse, Formationen von bestimmter Stärke; deshalb
ist es sehr zweckmäßig, daß das Gesetz dafür sorgt.


Das Flottengesetz

Statt der vierzehn tüchtigen Linienschiffe, die wir jetzt schon nach dein
alten Gründungsplane von 1873 haben müßten, fordert das Gesetz, die Zahl
der Linienschiffe auf neunzehn, einschließlich zweier Reserveschiffe, festzusetze».
Man will damit die Formation der Schlachtflotte in ähnlicher Weise wie die
eines Armeekorps ein für allemal bestimmen. Wie ein Armeekorps aus zwei
Divisionen, jede Division aus zwei Brigaden, jede Brigade ans mehreren
Regimentern besteht, soll zukünftig die Schlachtflotte aus zwei Geschwadern,
jedes Geschwader aus zwei Divisionen und jede Division aus vier Linien¬
schiffen bestehen und von einem Flottenflaggschiff geführt werden. Seetaktische
Übungen unsrer eignen Flotte und auch die Erfahrungen fremder Seemächte,
soweit wir darüber Kunde haben, ergeben, daß diese Zusammensetzung der
Schlachtflotte besonders günstig für ihre Leistungsfähigkeit ist. Man hat es
hier mit ganz ähnlichen Erwägungen zu thun, wie sie für die Stärke der
einzelnen Truppenteile des Heeres längst jedem als eine ganz natürliche Sache
erscheinen. Die Kopfstärken des Regiments, des Bataillons und der Kompagnie
sind aus taktischen Gründen längst festgesetzt; nirgends herrscht Willkür darüber,
wie viel Geschütze eine Feldbatterie haben muß, um eine kriegsbrauchbare
taktische Einheit zu bilden. Das und nichts andres soll nun endlich
auch mit der Flotte geschehen, auch ihre taktischen Einheiten sollen der Willkür
und Veränderlichkeit enthoben werden, und der Materialbedarf an Schiffen
soll dem Bedarf an taktischen Einheiten angepaßt werden, und nicht mehr
umgekehrt, wie es unnatürlicher Weise bisher war. Im Heere macht man
die Zahl der einzustellenden Soldaten, die Zahl der Kompagnien und Regi¬
menter doch auch nicht von der Zahl der vorhandnen Gewehre abhängig,
sondern beschafft eben so viel Gewehre, wie man braucht. Im Grunde ist aber
zwischen Gewehren für das Heer und Schiffen für die Marine kein Unterschied,
weil beide Material sind, totes Kriegsmaterial, das erst durch geschultes
Personal brauchbar wird. Die Abwägung der Zahl der Linienschiffe nach der
taktischen Formation der Schlachtflotte ist sehr wichtig für die Vermehrung der
Kriegstüchtigkeit der Flotte, weil die Schulung des gesamten Personals dann
auf stetige Verhältnisse zugeschnitten werden kann. Man unterschätze diesen
Punkt nicht! Denn die modernen, sehr verwickelten Schiffsmechanismen be¬
dürfen einer so vielseitig und gründlich durchgebildeten Besatzung, vom Kom¬
mandanten an bis zum letzten Heizer und Handwerker, daß die Kriegsbereit¬
schaft der Schlachtflotte von der Ausbildung der Besatzungen abhängt. Die
Truppenteile des Heeres behalten ihre Formationen, wenn sie ins Feld rücken.
Es spricht kein Grund dagegen, wohl aber sprechen viele gewichtige Gründe
dafür, daß man es der Flotte ebenso zugestehe wie dem Heere, die Kriegs¬
bereitschaft schon im Frieden soweit auszubilden, wie nur irgend möglich.
Dazu gehören feste Verhältnisse, Formationen von bestimmter Stärke; deshalb
ist es sehr zweckmäßig, daß das Gesetz dafür sorgt.


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[0460] Das Flottengesetz Statt der vierzehn tüchtigen Linienschiffe, die wir jetzt schon nach dein alten Gründungsplane von 1873 haben müßten, fordert das Gesetz, die Zahl der Linienschiffe auf neunzehn, einschließlich zweier Reserveschiffe, festzusetze». Man will damit die Formation der Schlachtflotte in ähnlicher Weise wie die eines Armeekorps ein für allemal bestimmen. Wie ein Armeekorps aus zwei Divisionen, jede Division aus zwei Brigaden, jede Brigade ans mehreren Regimentern besteht, soll zukünftig die Schlachtflotte aus zwei Geschwadern, jedes Geschwader aus zwei Divisionen und jede Division aus vier Linien¬ schiffen bestehen und von einem Flottenflaggschiff geführt werden. Seetaktische Übungen unsrer eignen Flotte und auch die Erfahrungen fremder Seemächte, soweit wir darüber Kunde haben, ergeben, daß diese Zusammensetzung der Schlachtflotte besonders günstig für ihre Leistungsfähigkeit ist. Man hat es hier mit ganz ähnlichen Erwägungen zu thun, wie sie für die Stärke der einzelnen Truppenteile des Heeres längst jedem als eine ganz natürliche Sache erscheinen. Die Kopfstärken des Regiments, des Bataillons und der Kompagnie sind aus taktischen Gründen längst festgesetzt; nirgends herrscht Willkür darüber, wie viel Geschütze eine Feldbatterie haben muß, um eine kriegsbrauchbare taktische Einheit zu bilden. Das und nichts andres soll nun endlich auch mit der Flotte geschehen, auch ihre taktischen Einheiten sollen der Willkür und Veränderlichkeit enthoben werden, und der Materialbedarf an Schiffen soll dem Bedarf an taktischen Einheiten angepaßt werden, und nicht mehr umgekehrt, wie es unnatürlicher Weise bisher war. Im Heere macht man die Zahl der einzustellenden Soldaten, die Zahl der Kompagnien und Regi¬ menter doch auch nicht von der Zahl der vorhandnen Gewehre abhängig, sondern beschafft eben so viel Gewehre, wie man braucht. Im Grunde ist aber zwischen Gewehren für das Heer und Schiffen für die Marine kein Unterschied, weil beide Material sind, totes Kriegsmaterial, das erst durch geschultes Personal brauchbar wird. Die Abwägung der Zahl der Linienschiffe nach der taktischen Formation der Schlachtflotte ist sehr wichtig für die Vermehrung der Kriegstüchtigkeit der Flotte, weil die Schulung des gesamten Personals dann auf stetige Verhältnisse zugeschnitten werden kann. Man unterschätze diesen Punkt nicht! Denn die modernen, sehr verwickelten Schiffsmechanismen be¬ dürfen einer so vielseitig und gründlich durchgebildeten Besatzung, vom Kom¬ mandanten an bis zum letzten Heizer und Handwerker, daß die Kriegsbereit¬ schaft der Schlachtflotte von der Ausbildung der Besatzungen abhängt. Die Truppenteile des Heeres behalten ihre Formationen, wenn sie ins Feld rücken. Es spricht kein Grund dagegen, wohl aber sprechen viele gewichtige Gründe dafür, daß man es der Flotte ebenso zugestehe wie dem Heere, die Kriegs¬ bereitschaft schon im Frieden soweit auszubilden, wie nur irgend möglich. Dazu gehören feste Verhältnisse, Formationen von bestimmter Stärke; deshalb ist es sehr zweckmäßig, daß das Gesetz dafür sorgt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/460>, abgerufen am 26.06.2024.