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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Das Llottengesetz

zurechtfinden" könne. Admiral Hollmann hat schon darauf hingewiesen: "Die
Marine, wie sie heute ist, ist ein Produkt verschiedner Programme, die teils
ganz, teils halb, teils gar nicht zur Ausführung gekommen sind," und hat
deshalb versucht, den Reichstag über den Bestand der Flotte aufzuklären.
Trotz sehr sachlicher Anknüpfung an den alten Flottengründungsplan und an
spätere Denkschriften erschien die Sache dem Reichstage aber so verwickelt, daß
er sich nicht mehr hindurchfindeu konnte, kopfscheu wurde und die Frage stellte:
"Wohin will denn eigentlich die Regierung mit unsrer Marine?" Dadurch
wurde die Negierung gezwungen, in andrer, leichter verständlicher Form dem
Reichstage klarzumachen, was der Flotte not thut. Deshalb beantwortet die
Negierung die verstündige Frage des Abgeordneten Rickert mit dem Entwurf
zu einem Flottengesetz, der nur folgende Pnnkte für den Schiffsbestand der
Flotte ein für allemal festsetzen soll:

§ 1

1. Der Schisfsbestaud der deutschen Flotte wird, abgesehen von Torpedo¬
fahrzeugen, Schulschiffen, Spezialschiffen und Kanonenbooten, festgesetzt auf: Ver¬
wendung s bereit: 17 Linienschiffe, 8 Küstenpanzerschiffe, 9 große Kreuzer, 26
kleine Kreuzer; b) als Materialreserve: 2 Linienschiffe, 3 große Kreuzer,
4 kleine Kreuzer.

2. Von den am 1. April 1898 vorhandnen und im Bau befindlichen Schiffen
kommen nuf diesen Sollbestand in Anrechnung als Linienschiffe 12, als Küsten-
Panzerschiffe 8, als große Kreuzer 10, als kleine Kreuzer 23.

3. Die Mittel für die zur Erreichung des Sollbestandes (Ziffer 1) erforder¬
lichen Neubauten sind so rechtzeitig (gemeint ist: so zeitig. D. R.) in deu Reichs¬
haushaltsetat aufzunehmen, daß die betreffende" Schiffe bis zum Ablauf des Rech¬
nungsjahres 1904 fertig gestellt werden tonnen.

s 2

Die Mittel für die regelmäßigen Ersatzbauteu sind so rechtzeitig in den Reichs-
hcmshciltsetnt einzustellen, daß Linienschiffe und Kttstenpcmzerschiffe nach 25 Jahren,
große Kreuzer nach 20 Jahren, kleine Kreuzer uach 15 Jahren ersetzt werden
können.

Dieses Gesetz bestimmt also die Stärke der Flotte in den wichtigsten
Schiffsklassen, bestimmt ferner, bis wann die Verstärkung der Flotte durch¬
geführt sein soll, und setzt schließlich noch die Altersgrenze der Kriegsbrauch¬
barkeit der einzelnen Schiffsgattungen fest. Daß ein solches Gesetz für die
Verwendung der Flotte im Kriege, für ihre Ausbildung im Frieden und für
die Marineverwaltung mit einem Schlage klare Verhältnisse schafft, also jede
zweckmüßige Arbeit fördern muß, sollte eigentlich jedem einleuchten. Der kom-
mandirende Admiral kann alle Vorbereitungen für mögliche Kriege mit andern
Seemächten in vollkommenster Form treffen, wenn er mit einer unveränderlichen
Streitkraft rechnen darf, und kann die kriegsmäßige Ausbildung des ganzen
Personals darnach einrichten; alle seetaktischen und seestrategischen Übungen


Das Llottengesetz

zurechtfinden" könne. Admiral Hollmann hat schon darauf hingewiesen: „Die
Marine, wie sie heute ist, ist ein Produkt verschiedner Programme, die teils
ganz, teils halb, teils gar nicht zur Ausführung gekommen sind," und hat
deshalb versucht, den Reichstag über den Bestand der Flotte aufzuklären.
Trotz sehr sachlicher Anknüpfung an den alten Flottengründungsplan und an
spätere Denkschriften erschien die Sache dem Reichstage aber so verwickelt, daß
er sich nicht mehr hindurchfindeu konnte, kopfscheu wurde und die Frage stellte:
„Wohin will denn eigentlich die Regierung mit unsrer Marine?" Dadurch
wurde die Negierung gezwungen, in andrer, leichter verständlicher Form dem
Reichstage klarzumachen, was der Flotte not thut. Deshalb beantwortet die
Negierung die verstündige Frage des Abgeordneten Rickert mit dem Entwurf
zu einem Flottengesetz, der nur folgende Pnnkte für den Schiffsbestand der
Flotte ein für allemal festsetzen soll:

§ 1

1. Der Schisfsbestaud der deutschen Flotte wird, abgesehen von Torpedo¬
fahrzeugen, Schulschiffen, Spezialschiffen und Kanonenbooten, festgesetzt auf: Ver¬
wendung s bereit: 17 Linienschiffe, 8 Küstenpanzerschiffe, 9 große Kreuzer, 26
kleine Kreuzer; b) als Materialreserve: 2 Linienschiffe, 3 große Kreuzer,
4 kleine Kreuzer.

2. Von den am 1. April 1898 vorhandnen und im Bau befindlichen Schiffen
kommen nuf diesen Sollbestand in Anrechnung als Linienschiffe 12, als Küsten-
Panzerschiffe 8, als große Kreuzer 10, als kleine Kreuzer 23.

3. Die Mittel für die zur Erreichung des Sollbestandes (Ziffer 1) erforder¬
lichen Neubauten sind so rechtzeitig (gemeint ist: so zeitig. D. R.) in deu Reichs¬
haushaltsetat aufzunehmen, daß die betreffende» Schiffe bis zum Ablauf des Rech¬
nungsjahres 1904 fertig gestellt werden tonnen.

s 2

Die Mittel für die regelmäßigen Ersatzbauteu sind so rechtzeitig in den Reichs-
hcmshciltsetnt einzustellen, daß Linienschiffe und Kttstenpcmzerschiffe nach 25 Jahren,
große Kreuzer nach 20 Jahren, kleine Kreuzer uach 15 Jahren ersetzt werden
können.

Dieses Gesetz bestimmt also die Stärke der Flotte in den wichtigsten
Schiffsklassen, bestimmt ferner, bis wann die Verstärkung der Flotte durch¬
geführt sein soll, und setzt schließlich noch die Altersgrenze der Kriegsbrauch¬
barkeit der einzelnen Schiffsgattungen fest. Daß ein solches Gesetz für die
Verwendung der Flotte im Kriege, für ihre Ausbildung im Frieden und für
die Marineverwaltung mit einem Schlage klare Verhältnisse schafft, also jede
zweckmüßige Arbeit fördern muß, sollte eigentlich jedem einleuchten. Der kom-
mandirende Admiral kann alle Vorbereitungen für mögliche Kriege mit andern
Seemächten in vollkommenster Form treffen, wenn er mit einer unveränderlichen
Streitkraft rechnen darf, und kann die kriegsmäßige Ausbildung des ganzen
Personals darnach einrichten; alle seetaktischen und seestrategischen Übungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/456>, abgerufen am 26.06.2024.