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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Anthropologische Fragen

die Rundköpfe jedenfalls die materiellen Dinge, den Handel und Erwerb, sehr
gut verstehen, und damit mag es zusammenhängen, daß sie ihre Kinder in
verhältnismäßig so großer Anzahl in die Mittelschulen bringen. Die Lang¬
köpfe sind oft zu uneigennützige Idealisten. Wie sie sich in der Römerzeit
dazu hergegeben haben, mit Leib und Leben die römischen Herren zu schützen,
so sind sie heute noch stets bereit, sich für eine Idee aufzuopfern, denn jene
alten Leibwächter dienten auch nicht um des Soldes willen, sondern ihr
Leitstern war die Idee der Treue für den erkornen Herrn oder Kriegsführer.*)
Zum Schlüsse soll nochmals daran erinnert werden, daß nicht alle runden
Köpfe die Begabung der Rundköpfe beherbergen müssen. Wie schon wiederholt
berührt, kann bei einem Individuum, welches von Eltern verschiedner Nasse
abstammt, die Vererbungstendenz im Schädel auf die Bildung eines Rnnd-
kopfes hinwirken, während die Anlagen des Gehirns die des Langkopfes sind"
(S. 192 bis 193). Also die Gymnasiasten im allgemeinen sind ziemlich rund-
köpfig, aber nach der Untersekunda ändert sich das plötzlich. In den drei
Oberklassen der ^Karlsruhers Gymnasien "erhebt sich die Zahl der Langköpfe
bei den eigentlichen Städtern mit 40,5 Prozent im Durchschnitt und mit
45 Prozent am Realgymnasium auf eine Höhe, die an altgermanische Zeiten
erinnert, ohne sie zu erreichen; bei den Germanen war die Zahl der Langköpfe
69,2 Prozent." Die Mannheimer Gymnasien haben einen noch höhern Prozent¬
satz von Langköpfen ergeben. Nach der Ammonschen Charakteristik der rund-
köpfigen Begabung sollte man erwarten, daß die Langköpfe auf den humani¬
stischen Gymnasien zahlreicher sein würden als auf den Realgymnasium; es ist
aber das umgekehrte der Fall; er bemerkt darüber: "Auf den Umstand, daß
die Realgymnasien bei den Städtern mehr Langköpfe haben als die Gymnasien,
bei den Lcmdgebornen aber weniger, will ich kein Gewicht legen, da dies auch
vom Zufall herrühren kann."

Eine weitere Bestätigung hat ihm die Messung der Köpfe von dreißig
Mitgliedern des Karlsruher naturwissenschaftlichen Vereins geliefert; diese
Herren sind in noch höherm Grade langköpfig als die Gymnasiasten der drei
Oberklassen und haben dabei hervorragend große Köpfe. Ammon schmückt den
Bericht über die Messung mit einer hübschen Anekdote. An dem für die
Messung bestimmten Abende brach ein furchtbares Unwetter los; infolge dessen



") Die germanische" Garden sind ihren römischen Herren treu bis in den Tod gewesen,
gerade so wie sich bis auf den heutigen Tag die ruudschndligen Polaken, Russen und Türken
im Kriege für ihre Kriegsherrn totschießen lassen; aber eigens zu dein Zweck, sich für einen
Herren totschlagen zu lassen, siud sie nicht nach Rom und Konstantinopel gegangen, sondern um
Glanz, Ruhm, Beute und Grundbesitz zu erwerbe". Übrigens verstehen wir nicht, was der
Verfasser gerade in diese"! Zusammenhange mit der Erwähnung des germanischen Idealismus
will; er kann doch unmöglich meinen, die langschädligen Eltern seien zu idealistisch gesinnt,
ihre Söhne aufs Gumnnsium zu schicke".
Anthropologische Fragen

die Rundköpfe jedenfalls die materiellen Dinge, den Handel und Erwerb, sehr
gut verstehen, und damit mag es zusammenhängen, daß sie ihre Kinder in
verhältnismäßig so großer Anzahl in die Mittelschulen bringen. Die Lang¬
köpfe sind oft zu uneigennützige Idealisten. Wie sie sich in der Römerzeit
dazu hergegeben haben, mit Leib und Leben die römischen Herren zu schützen,
so sind sie heute noch stets bereit, sich für eine Idee aufzuopfern, denn jene
alten Leibwächter dienten auch nicht um des Soldes willen, sondern ihr
Leitstern war die Idee der Treue für den erkornen Herrn oder Kriegsführer.*)
Zum Schlüsse soll nochmals daran erinnert werden, daß nicht alle runden
Köpfe die Begabung der Rundköpfe beherbergen müssen. Wie schon wiederholt
berührt, kann bei einem Individuum, welches von Eltern verschiedner Nasse
abstammt, die Vererbungstendenz im Schädel auf die Bildung eines Rnnd-
kopfes hinwirken, während die Anlagen des Gehirns die des Langkopfes sind"
(S. 192 bis 193). Also die Gymnasiasten im allgemeinen sind ziemlich rund-
köpfig, aber nach der Untersekunda ändert sich das plötzlich. In den drei
Oberklassen der ^Karlsruhers Gymnasien „erhebt sich die Zahl der Langköpfe
bei den eigentlichen Städtern mit 40,5 Prozent im Durchschnitt und mit
45 Prozent am Realgymnasium auf eine Höhe, die an altgermanische Zeiten
erinnert, ohne sie zu erreichen; bei den Germanen war die Zahl der Langköpfe
69,2 Prozent." Die Mannheimer Gymnasien haben einen noch höhern Prozent¬
satz von Langköpfen ergeben. Nach der Ammonschen Charakteristik der rund-
köpfigen Begabung sollte man erwarten, daß die Langköpfe auf den humani¬
stischen Gymnasien zahlreicher sein würden als auf den Realgymnasium; es ist
aber das umgekehrte der Fall; er bemerkt darüber: „Auf den Umstand, daß
die Realgymnasien bei den Städtern mehr Langköpfe haben als die Gymnasien,
bei den Lcmdgebornen aber weniger, will ich kein Gewicht legen, da dies auch
vom Zufall herrühren kann."

Eine weitere Bestätigung hat ihm die Messung der Köpfe von dreißig
Mitgliedern des Karlsruher naturwissenschaftlichen Vereins geliefert; diese
Herren sind in noch höherm Grade langköpfig als die Gymnasiasten der drei
Oberklassen und haben dabei hervorragend große Köpfe. Ammon schmückt den
Bericht über die Messung mit einer hübschen Anekdote. An dem für die
Messung bestimmten Abende brach ein furchtbares Unwetter los; infolge dessen



") Die germanische» Garden sind ihren römischen Herren treu bis in den Tod gewesen,
gerade so wie sich bis auf den heutigen Tag die ruudschndligen Polaken, Russen und Türken
im Kriege für ihre Kriegsherrn totschießen lassen; aber eigens zu dein Zweck, sich für einen
Herren totschlagen zu lassen, siud sie nicht nach Rom und Konstantinopel gegangen, sondern um
Glanz, Ruhm, Beute und Grundbesitz zu erwerbe». Übrigens verstehen wir nicht, was der
Verfasser gerade in diese»! Zusammenhange mit der Erwähnung des germanischen Idealismus
will; er kann doch unmöglich meinen, die langschädligen Eltern seien zu idealistisch gesinnt,
ihre Söhne aufs Gumnnsium zu schicke».
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[0426] Anthropologische Fragen die Rundköpfe jedenfalls die materiellen Dinge, den Handel und Erwerb, sehr gut verstehen, und damit mag es zusammenhängen, daß sie ihre Kinder in verhältnismäßig so großer Anzahl in die Mittelschulen bringen. Die Lang¬ köpfe sind oft zu uneigennützige Idealisten. Wie sie sich in der Römerzeit dazu hergegeben haben, mit Leib und Leben die römischen Herren zu schützen, so sind sie heute noch stets bereit, sich für eine Idee aufzuopfern, denn jene alten Leibwächter dienten auch nicht um des Soldes willen, sondern ihr Leitstern war die Idee der Treue für den erkornen Herrn oder Kriegsführer.*) Zum Schlüsse soll nochmals daran erinnert werden, daß nicht alle runden Köpfe die Begabung der Rundköpfe beherbergen müssen. Wie schon wiederholt berührt, kann bei einem Individuum, welches von Eltern verschiedner Nasse abstammt, die Vererbungstendenz im Schädel auf die Bildung eines Rnnd- kopfes hinwirken, während die Anlagen des Gehirns die des Langkopfes sind" (S. 192 bis 193). Also die Gymnasiasten im allgemeinen sind ziemlich rund- köpfig, aber nach der Untersekunda ändert sich das plötzlich. In den drei Oberklassen der ^Karlsruhers Gymnasien „erhebt sich die Zahl der Langköpfe bei den eigentlichen Städtern mit 40,5 Prozent im Durchschnitt und mit 45 Prozent am Realgymnasium auf eine Höhe, die an altgermanische Zeiten erinnert, ohne sie zu erreichen; bei den Germanen war die Zahl der Langköpfe 69,2 Prozent." Die Mannheimer Gymnasien haben einen noch höhern Prozent¬ satz von Langköpfen ergeben. Nach der Ammonschen Charakteristik der rund- köpfigen Begabung sollte man erwarten, daß die Langköpfe auf den humani¬ stischen Gymnasien zahlreicher sein würden als auf den Realgymnasium; es ist aber das umgekehrte der Fall; er bemerkt darüber: „Auf den Umstand, daß die Realgymnasien bei den Städtern mehr Langköpfe haben als die Gymnasien, bei den Lcmdgebornen aber weniger, will ich kein Gewicht legen, da dies auch vom Zufall herrühren kann." Eine weitere Bestätigung hat ihm die Messung der Köpfe von dreißig Mitgliedern des Karlsruher naturwissenschaftlichen Vereins geliefert; diese Herren sind in noch höherm Grade langköpfig als die Gymnasiasten der drei Oberklassen und haben dabei hervorragend große Köpfe. Ammon schmückt den Bericht über die Messung mit einer hübschen Anekdote. An dem für die Messung bestimmten Abende brach ein furchtbares Unwetter los; infolge dessen ") Die germanische» Garden sind ihren römischen Herren treu bis in den Tod gewesen, gerade so wie sich bis auf den heutigen Tag die ruudschndligen Polaken, Russen und Türken im Kriege für ihre Kriegsherrn totschießen lassen; aber eigens zu dein Zweck, sich für einen Herren totschlagen zu lassen, siud sie nicht nach Rom und Konstantinopel gegangen, sondern um Glanz, Ruhm, Beute und Grundbesitz zu erwerbe». Übrigens verstehen wir nicht, was der Verfasser gerade in diese»! Zusammenhange mit der Erwähnung des germanischen Idealismus will; er kann doch unmöglich meinen, die langschädligen Eltern seien zu idealistisch gesinnt, ihre Söhne aufs Gumnnsium zu schicke».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/426>, abgerufen am 29.06.2024.