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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Anthropologische Fragen

herrschender Stellungen, als die gebornen Verteidiger des Vaterlands und der
gesellschaftlichen Ordnung. Ihr ganzes Wesen bestimmt sie zur Aristokratie.
Sinn für bürgerlichen Erwerb haben sie nur in geringem Grade. Dagegen
ist bei den Rundköpfen diese letztere Anlage sehr ausgebildet. Geschickt zu
jeder landwirtschaftlichen und technischen Fertigkeit, wie zu Handel und Geld¬
geschäften, sind sie vortreffliche Bauern, Arbeiter und Händler, dabei meist
fügsame Unterthanen. Die Begabten unter ihnen wissen auch industrielle
Unternehmungen zu organisiren und ihr Vermögen zu mehren. Nein wissen¬
schaftliche Bestrebungen, denen sich die Langköpfe, von Wißbegier getrieben,
mit dem ganzen Ungestüm ihres Wesens hingeben, liegen den Rundköpfen
ferner; der praktische Nutzen neuer Erfindungen entgeht ihnen aber nicht, und
sie bringen oft die allzu uneigennützigen Langköpfe in wirtschaftliche Abhängig¬
keit. Mer dächte da nicht an die verunglückten Börsenspekulationen des Vater
Ploey und an die Hypotheken der allzu uneigennützigen ostelbischen Junker!
Zu einiger Beruhigung über das diesen Langschädeln drohende Unheil sei jedoch
Herr Ammon daran erinnert, daß nicht wenige von ihnen bei Gründungen
ganz ausgezeichnete Geschäfte gemacht haben und wohl auch noch in Zukunft
machen werden^ Ihre Neigung zur demokratischen Gleichheitslchre ist darin
begründet, daß sie selbst in keiner Weise über die mittlere Höhe hervorragen
Mehe Perikles! der demnach ohne Zweifel ein Nundschädel gewesen ist^ und
gegen Größe, die sie nicht fassen können, Abneigung, wo nicht Haß empfinden."

Eine besonders kräftige Unterstützung seiner Auffassung findet Ammon in
den Ergebnissen der an Gymnasiasten vorgenommncn Schädelmessungen. Zwar
sind diese Ergebnisse so kraus, daß wir mehrere Seiten brauchen würden, um
sie klar darzustellen, und daß sich Ammon dadurch zu mehreren Einschränkungen
genötigt sieht. So schreibt er: "Auffallend ist die geringe Zahl von Lang¬
köpfen unter den Halbstädtern. Entweder muß man einen Einfluß des Zufalls
annehmen, der ja bei der immerhin nicht großen Zahl von dreißig Halbstädtern
vorkommen kann, oder man muß die Thatsache auf einen stärkern Zudrang
von Rundköpfen in diesem Stadium der Ansässigkeit zurückführen. Dieser
Zndrnng könnte seine Ursache darin haben, daß in der zweiten Generation
verhältnismäßig zahlreichere Rundköpfe zu Vermögen kommen und imstande
sind, ihre Kinder in höhere Schulen zu schicken, ans denen aber die nächste
Generation der Rundköpfe zum größten Teil wieder verschwindet. Mit solchen
Verhältnissen mag es mich zusammenhängen, daß wir unter den Gymnasiasten
überhaupt eine verhältnismäßig bedeutende Zahl von Rundköpfen antreffen... .
Wir dürfen darum nie behaupten, daß die Rundköpfe nicht begabt seien: unter
den Lang- und Rundköpfen giebt es verschiedne Grade der individuellen Be¬
gabung, und wir dürfen nur das eine festhalten, daß die Begabung der Lang¬
köpfe von andrer Art ist, und daß im großen und ganzen bei ihnen die höhern
Grade von Begabung gefunden werden. Es ist mehrfach betont worden, daß


Anthropologische Fragen

herrschender Stellungen, als die gebornen Verteidiger des Vaterlands und der
gesellschaftlichen Ordnung. Ihr ganzes Wesen bestimmt sie zur Aristokratie.
Sinn für bürgerlichen Erwerb haben sie nur in geringem Grade. Dagegen
ist bei den Rundköpfen diese letztere Anlage sehr ausgebildet. Geschickt zu
jeder landwirtschaftlichen und technischen Fertigkeit, wie zu Handel und Geld¬
geschäften, sind sie vortreffliche Bauern, Arbeiter und Händler, dabei meist
fügsame Unterthanen. Die Begabten unter ihnen wissen auch industrielle
Unternehmungen zu organisiren und ihr Vermögen zu mehren. Nein wissen¬
schaftliche Bestrebungen, denen sich die Langköpfe, von Wißbegier getrieben,
mit dem ganzen Ungestüm ihres Wesens hingeben, liegen den Rundköpfen
ferner; der praktische Nutzen neuer Erfindungen entgeht ihnen aber nicht, und
sie bringen oft die allzu uneigennützigen Langköpfe in wirtschaftliche Abhängig¬
keit. Mer dächte da nicht an die verunglückten Börsenspekulationen des Vater
Ploey und an die Hypotheken der allzu uneigennützigen ostelbischen Junker!
Zu einiger Beruhigung über das diesen Langschädeln drohende Unheil sei jedoch
Herr Ammon daran erinnert, daß nicht wenige von ihnen bei Gründungen
ganz ausgezeichnete Geschäfte gemacht haben und wohl auch noch in Zukunft
machen werden^ Ihre Neigung zur demokratischen Gleichheitslchre ist darin
begründet, daß sie selbst in keiner Weise über die mittlere Höhe hervorragen
Mehe Perikles! der demnach ohne Zweifel ein Nundschädel gewesen ist^ und
gegen Größe, die sie nicht fassen können, Abneigung, wo nicht Haß empfinden."

Eine besonders kräftige Unterstützung seiner Auffassung findet Ammon in
den Ergebnissen der an Gymnasiasten vorgenommncn Schädelmessungen. Zwar
sind diese Ergebnisse so kraus, daß wir mehrere Seiten brauchen würden, um
sie klar darzustellen, und daß sich Ammon dadurch zu mehreren Einschränkungen
genötigt sieht. So schreibt er: „Auffallend ist die geringe Zahl von Lang¬
köpfen unter den Halbstädtern. Entweder muß man einen Einfluß des Zufalls
annehmen, der ja bei der immerhin nicht großen Zahl von dreißig Halbstädtern
vorkommen kann, oder man muß die Thatsache auf einen stärkern Zudrang
von Rundköpfen in diesem Stadium der Ansässigkeit zurückführen. Dieser
Zndrnng könnte seine Ursache darin haben, daß in der zweiten Generation
verhältnismäßig zahlreichere Rundköpfe zu Vermögen kommen und imstande
sind, ihre Kinder in höhere Schulen zu schicken, ans denen aber die nächste
Generation der Rundköpfe zum größten Teil wieder verschwindet. Mit solchen
Verhältnissen mag es mich zusammenhängen, daß wir unter den Gymnasiasten
überhaupt eine verhältnismäßig bedeutende Zahl von Rundköpfen antreffen... .
Wir dürfen darum nie behaupten, daß die Rundköpfe nicht begabt seien: unter
den Lang- und Rundköpfen giebt es verschiedne Grade der individuellen Be¬
gabung, und wir dürfen nur das eine festhalten, daß die Begabung der Lang¬
köpfe von andrer Art ist, und daß im großen und ganzen bei ihnen die höhern
Grade von Begabung gefunden werden. Es ist mehrfach betont worden, daß


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[0425] Anthropologische Fragen herrschender Stellungen, als die gebornen Verteidiger des Vaterlands und der gesellschaftlichen Ordnung. Ihr ganzes Wesen bestimmt sie zur Aristokratie. Sinn für bürgerlichen Erwerb haben sie nur in geringem Grade. Dagegen ist bei den Rundköpfen diese letztere Anlage sehr ausgebildet. Geschickt zu jeder landwirtschaftlichen und technischen Fertigkeit, wie zu Handel und Geld¬ geschäften, sind sie vortreffliche Bauern, Arbeiter und Händler, dabei meist fügsame Unterthanen. Die Begabten unter ihnen wissen auch industrielle Unternehmungen zu organisiren und ihr Vermögen zu mehren. Nein wissen¬ schaftliche Bestrebungen, denen sich die Langköpfe, von Wißbegier getrieben, mit dem ganzen Ungestüm ihres Wesens hingeben, liegen den Rundköpfen ferner; der praktische Nutzen neuer Erfindungen entgeht ihnen aber nicht, und sie bringen oft die allzu uneigennützigen Langköpfe in wirtschaftliche Abhängig¬ keit. Mer dächte da nicht an die verunglückten Börsenspekulationen des Vater Ploey und an die Hypotheken der allzu uneigennützigen ostelbischen Junker! Zu einiger Beruhigung über das diesen Langschädeln drohende Unheil sei jedoch Herr Ammon daran erinnert, daß nicht wenige von ihnen bei Gründungen ganz ausgezeichnete Geschäfte gemacht haben und wohl auch noch in Zukunft machen werden^ Ihre Neigung zur demokratischen Gleichheitslchre ist darin begründet, daß sie selbst in keiner Weise über die mittlere Höhe hervorragen Mehe Perikles! der demnach ohne Zweifel ein Nundschädel gewesen ist^ und gegen Größe, die sie nicht fassen können, Abneigung, wo nicht Haß empfinden." Eine besonders kräftige Unterstützung seiner Auffassung findet Ammon in den Ergebnissen der an Gymnasiasten vorgenommncn Schädelmessungen. Zwar sind diese Ergebnisse so kraus, daß wir mehrere Seiten brauchen würden, um sie klar darzustellen, und daß sich Ammon dadurch zu mehreren Einschränkungen genötigt sieht. So schreibt er: „Auffallend ist die geringe Zahl von Lang¬ köpfen unter den Halbstädtern. Entweder muß man einen Einfluß des Zufalls annehmen, der ja bei der immerhin nicht großen Zahl von dreißig Halbstädtern vorkommen kann, oder man muß die Thatsache auf einen stärkern Zudrang von Rundköpfen in diesem Stadium der Ansässigkeit zurückführen. Dieser Zndrnng könnte seine Ursache darin haben, daß in der zweiten Generation verhältnismäßig zahlreichere Rundköpfe zu Vermögen kommen und imstande sind, ihre Kinder in höhere Schulen zu schicken, ans denen aber die nächste Generation der Rundköpfe zum größten Teil wieder verschwindet. Mit solchen Verhältnissen mag es mich zusammenhängen, daß wir unter den Gymnasiasten überhaupt eine verhältnismäßig bedeutende Zahl von Rundköpfen antreffen... . Wir dürfen darum nie behaupten, daß die Rundköpfe nicht begabt seien: unter den Lang- und Rundköpfen giebt es verschiedne Grade der individuellen Be¬ gabung, und wir dürfen nur das eine festhalten, daß die Begabung der Lang¬ köpfe von andrer Art ist, und daß im großen und ganzen bei ihnen die höhern Grade von Begabung gefunden werden. Es ist mehrfach betont worden, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/425>, abgerufen am 29.06.2024.