Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.Aus der napoleonischen Zeit Als Napoleon Bonapnrte den Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November So wurde in Frankreich der Despotismus errichtet, der von nun an Aus der napoleonischen Zeit Als Napoleon Bonapnrte den Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November So wurde in Frankreich der Despotismus errichtet, der von nun an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226622"/> <fw type="header" place="top"> Aus der napoleonischen Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_967"> Als Napoleon Bonapnrte den Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November<lb/> 1799) vollführte, hat er vielleicht einen Augenblick davon geträumt, sich mit<lb/> dem Ruhm eines Washington zu begnügen und eine Politik der Versöhnung,<lb/> der gemäßigten Freiheit zu unterstützen. Aber sobald er sah, daß sich die<lb/> Republikaner dem Staatsstreich fügten, daß sie hinsichtlich der Zukunft teils<lb/> unbesorgt, teils zum Verzicht geneigt waren, daß also kein ernster Wider¬<lb/> stand zu befürchten war, erwachte sein Ehrgeiz, und er schuf, unter Be¬<lb/> seitigung der andern in Betracht kommenden Entwürfe, eine Verfassung, die ihn<lb/> als ersten Konsul kurzweg zum Herrn Frankreichs machte. Ja er ging soweit,<lb/> daß er diese Verfassung, ehe noch das französische Volk darüber abgestimmt<lb/> hatte, am 25. Dezember 1799 vorläufig in Kraft setzte. Nachdem 3011007<lb/> Ja und nur 1562 Nein abgegeben waren, wenn nämlich die amtlichen An¬<lb/> gaben glaubhaft sind, ließ er von der Volksvertretung das Gesetz vom 28. Plu-<lb/> viose 1800 annehmen, das zum Vorteil des ersten Konsuls eine schrankenlose<lb/> Zentralisation schuf. Unter dem Namen von Präfekten wurden die allmäch¬<lb/> tigen Werkzeuge des Staatsoberhaupts des kmclsn r^uns hergestellt, die In¬<lb/> tendanten für den Geschäftskreis der Departements; von ihnen und den Unter-<lb/> präfekten hingen die Bürgermeister der Gemeinden ab, denen die Zivilverwal-<lb/> tung und die Polizeigewalt zukam. In den Städten mit mehr als 100000<lb/> Einwohnern übertrug das Gesetz die Polizeigewalt dem Staate unmittelbar,<lb/> und gar Paris erhielt in den Pvlizeipräfekten einen mit außerordentlichen<lb/> Befugnissen ausgestatteten Aufseher. Alle Verwaltungsbeamten — Prüfekten,<lb/> Unterprüfekten, Gcueralräte, Vezirksräte, Bürgermeister, Adjunkten, Gemeindc-<lb/> räte — wurden entweder vom ersten Konsul oder von seinen Prüfekten er¬<lb/> nannt. Kein Wunder, daß der Berichterstatter des Tribunats, Dciuuou, das<lb/> Gesetz scharf kritisirte; aber es ist bezeichnend für die Lage, daß er schließlich<lb/> doch die Annahme empfahl, nur „weil die Ablehnung gefährlich wäre," und<lb/> daß diesem Rat das Tribunat mit 71 gegen 25, der gesetzgebende Körper mit<lb/> 217 gegen 69 Stimmen folgten.</p><lb/> <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> So wurde in Frankreich der Despotismus errichtet, der von nun an<lb/> fünfzehn Jahre lang bestehen und sich mit den Jahren nur noch verschärfen<lb/> sollte — das Kaiserreich ist lediglich die Vollendung dessen, was schon in der<lb/> Konsulatsverfassung im Keim vorhanden war. Wenn sich die französische Nation<lb/> unter dieses Joch beugte, so hatte das seinen Grund darin, daß Bonaparte<lb/> dnrch eine sehr geschickte Auswahl der Beamten die rasche Durchführung einer<lb/> langen Reihe von materiellen Fortschritten sicherte, die ihm sein Genie eingab;<lb/> die Früchte des Despotismus schmeckten anfangs süß, und so ließ man sich<lb/> ihn gefallen: erst allmählich verwandelte sich der „gute Despot" in einen rohen<lb/> Tyrannen. Als er am 30. Pluviose in die Tuilerien einzog, hatte er noch<lb/> keinen Hofstaat um sich; er gedachte das alte Königsschloß mit Bildsäulen von<lb/> großen Männern zu schmücken, von Demosthenes, Alexander, Hannibal, Scipio,<lb/> Brutus, Cieero, Cäsar, Turenne, Conto, Washington, Friedrich 11., Mirabeau</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
Aus der napoleonischen Zeit
Als Napoleon Bonapnrte den Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November
1799) vollführte, hat er vielleicht einen Augenblick davon geträumt, sich mit
dem Ruhm eines Washington zu begnügen und eine Politik der Versöhnung,
der gemäßigten Freiheit zu unterstützen. Aber sobald er sah, daß sich die
Republikaner dem Staatsstreich fügten, daß sie hinsichtlich der Zukunft teils
unbesorgt, teils zum Verzicht geneigt waren, daß also kein ernster Wider¬
stand zu befürchten war, erwachte sein Ehrgeiz, und er schuf, unter Be¬
seitigung der andern in Betracht kommenden Entwürfe, eine Verfassung, die ihn
als ersten Konsul kurzweg zum Herrn Frankreichs machte. Ja er ging soweit,
daß er diese Verfassung, ehe noch das französische Volk darüber abgestimmt
hatte, am 25. Dezember 1799 vorläufig in Kraft setzte. Nachdem 3011007
Ja und nur 1562 Nein abgegeben waren, wenn nämlich die amtlichen An¬
gaben glaubhaft sind, ließ er von der Volksvertretung das Gesetz vom 28. Plu-
viose 1800 annehmen, das zum Vorteil des ersten Konsuls eine schrankenlose
Zentralisation schuf. Unter dem Namen von Präfekten wurden die allmäch¬
tigen Werkzeuge des Staatsoberhaupts des kmclsn r^uns hergestellt, die In¬
tendanten für den Geschäftskreis der Departements; von ihnen und den Unter-
präfekten hingen die Bürgermeister der Gemeinden ab, denen die Zivilverwal-
tung und die Polizeigewalt zukam. In den Städten mit mehr als 100000
Einwohnern übertrug das Gesetz die Polizeigewalt dem Staate unmittelbar,
und gar Paris erhielt in den Pvlizeipräfekten einen mit außerordentlichen
Befugnissen ausgestatteten Aufseher. Alle Verwaltungsbeamten — Prüfekten,
Unterprüfekten, Gcueralräte, Vezirksräte, Bürgermeister, Adjunkten, Gemeindc-
räte — wurden entweder vom ersten Konsul oder von seinen Prüfekten er¬
nannt. Kein Wunder, daß der Berichterstatter des Tribunats, Dciuuou, das
Gesetz scharf kritisirte; aber es ist bezeichnend für die Lage, daß er schließlich
doch die Annahme empfahl, nur „weil die Ablehnung gefährlich wäre," und
daß diesem Rat das Tribunat mit 71 gegen 25, der gesetzgebende Körper mit
217 gegen 69 Stimmen folgten.
So wurde in Frankreich der Despotismus errichtet, der von nun an
fünfzehn Jahre lang bestehen und sich mit den Jahren nur noch verschärfen
sollte — das Kaiserreich ist lediglich die Vollendung dessen, was schon in der
Konsulatsverfassung im Keim vorhanden war. Wenn sich die französische Nation
unter dieses Joch beugte, so hatte das seinen Grund darin, daß Bonaparte
dnrch eine sehr geschickte Auswahl der Beamten die rasche Durchführung einer
langen Reihe von materiellen Fortschritten sicherte, die ihm sein Genie eingab;
die Früchte des Despotismus schmeckten anfangs süß, und so ließ man sich
ihn gefallen: erst allmählich verwandelte sich der „gute Despot" in einen rohen
Tyrannen. Als er am 30. Pluviose in die Tuilerien einzog, hatte er noch
keinen Hofstaat um sich; er gedachte das alte Königsschloß mit Bildsäulen von
großen Männern zu schmücken, von Demosthenes, Alexander, Hannibal, Scipio,
Brutus, Cieero, Cäsar, Turenne, Conto, Washington, Friedrich 11., Mirabeau
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |