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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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drucklos bleiben, ist sehr gering. Sowohl dem Inhalt als der Form nach
haben wir hier Schöpfungen eines echten Dichters.

Imsen hat auf seiner Wanderung vom Heimatlande Holstein nach dem
Süden, der ihn früh angelockt hat und noch heute gefangen hält, mit offnem
Auge und tiefem Sinn die Natur studirt. Sie ist ihm eine liebe, fördernde
Lehrmeisterin gewesen. Ihr entnimmt er seine schönsten Gleichnisse. Man
muß diese Naturhymnen neben die Erzeugnisse mancher heutigen Dichterlinge
stellen, um zu sehen, wie er die Natur mit ihren kleinsten Wesen angeschaut
und verstanden hat. Diese Liebe zur Natur, diesen regen Sinn für sie hat
die Heimat in ihm erweckt. Selbst über den Reizen des Südens hat er doch
den Norden nie vergessen können. Sein Heimatsehnen hat er in viele Lieder
ausgeströmt:

Und die, die nach Italien zogen, denen der Tiber zum Styx wurde, fragt er
tadelnd: "Bot euch die Heimat Echtes nicht genug?" Italien ist ihm "der
Schönheit Bild, doch einer seelenlosen."

Auch Italiens Töchter haben keinen Reiz für ihn:

And ähnlich denkt er auch später in den Liedern aus Frankreich sehnsüchtig
der Heimat.

Die Heimat lieben und sich dennoch freiwillig aus ihr verbannen, ist ein
Beispiel für das Gegensätzliche in Jensens Natur. Viel ausgesprochner ist
aber noch ein andrer Widerstreit der Gefühle, der seine ganze Lyrik erfüllt.
Der Dichter, der noch in der Fülle der Kraft und Gesundheit steht, der noch
N"t Jugendfrische die Güter des Lebens in seine Arme schließt, klagt doch
Zugleich, "daß nichts bestehet, daß alles Irdische verhallt." ÄIsmsnw moll!


drucklos bleiben, ist sehr gering. Sowohl dem Inhalt als der Form nach
haben wir hier Schöpfungen eines echten Dichters.

Imsen hat auf seiner Wanderung vom Heimatlande Holstein nach dem
Süden, der ihn früh angelockt hat und noch heute gefangen hält, mit offnem
Auge und tiefem Sinn die Natur studirt. Sie ist ihm eine liebe, fördernde
Lehrmeisterin gewesen. Ihr entnimmt er seine schönsten Gleichnisse. Man
muß diese Naturhymnen neben die Erzeugnisse mancher heutigen Dichterlinge
stellen, um zu sehen, wie er die Natur mit ihren kleinsten Wesen angeschaut
und verstanden hat. Diese Liebe zur Natur, diesen regen Sinn für sie hat
die Heimat in ihm erweckt. Selbst über den Reizen des Südens hat er doch
den Norden nie vergessen können. Sein Heimatsehnen hat er in viele Lieder
ausgeströmt:

Und die, die nach Italien zogen, denen der Tiber zum Styx wurde, fragt er
tadelnd: „Bot euch die Heimat Echtes nicht genug?" Italien ist ihm „der
Schönheit Bild, doch einer seelenlosen."

Auch Italiens Töchter haben keinen Reiz für ihn:

And ähnlich denkt er auch später in den Liedern aus Frankreich sehnsüchtig
der Heimat.

Die Heimat lieben und sich dennoch freiwillig aus ihr verbannen, ist ein
Beispiel für das Gegensätzliche in Jensens Natur. Viel ausgesprochner ist
aber noch ein andrer Widerstreit der Gefühle, der seine ganze Lyrik erfüllt.
Der Dichter, der noch in der Fülle der Kraft und Gesundheit steht, der noch
N"t Jugendfrische die Güter des Lebens in seine Arme schließt, klagt doch
Zugleich, „daß nichts bestehet, daß alles Irdische verhallt." ÄIsmsnw moll!


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[0333] drucklos bleiben, ist sehr gering. Sowohl dem Inhalt als der Form nach haben wir hier Schöpfungen eines echten Dichters. Imsen hat auf seiner Wanderung vom Heimatlande Holstein nach dem Süden, der ihn früh angelockt hat und noch heute gefangen hält, mit offnem Auge und tiefem Sinn die Natur studirt. Sie ist ihm eine liebe, fördernde Lehrmeisterin gewesen. Ihr entnimmt er seine schönsten Gleichnisse. Man muß diese Naturhymnen neben die Erzeugnisse mancher heutigen Dichterlinge stellen, um zu sehen, wie er die Natur mit ihren kleinsten Wesen angeschaut und verstanden hat. Diese Liebe zur Natur, diesen regen Sinn für sie hat die Heimat in ihm erweckt. Selbst über den Reizen des Südens hat er doch den Norden nie vergessen können. Sein Heimatsehnen hat er in viele Lieder ausgeströmt: Und die, die nach Italien zogen, denen der Tiber zum Styx wurde, fragt er tadelnd: „Bot euch die Heimat Echtes nicht genug?" Italien ist ihm „der Schönheit Bild, doch einer seelenlosen." Auch Italiens Töchter haben keinen Reiz für ihn: And ähnlich denkt er auch später in den Liedern aus Frankreich sehnsüchtig der Heimat. Die Heimat lieben und sich dennoch freiwillig aus ihr verbannen, ist ein Beispiel für das Gegensätzliche in Jensens Natur. Viel ausgesprochner ist aber noch ein andrer Widerstreit der Gefühle, der seine ganze Lyrik erfüllt. Der Dichter, der noch in der Fülle der Kraft und Gesundheit steht, der noch N"t Jugendfrische die Güter des Lebens in seine Arme schließt, klagt doch Zugleich, „daß nichts bestehet, daß alles Irdische verhallt." ÄIsmsnw moll!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/333>, abgerufen am 26.06.2024.