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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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persoimlreformen bei der Post

gängern, daß es den Anwärtern für die niedere Laufbahn, den Postgehilfen,
unter keinen Umständen gestattete, in die höhere Laufbahn überzutreten. Es
wurden also die Stellen vom Postsekretär an aufwärts wieder deu Eleven
ausschließlich vorbehalten. Diese Scheidung ist bis heute streug eingehalten
worden. Leider sind die wohlthätigen Folgen hiervon noch nicht völlig sichtbar
geworden, da auf Grund der Übergangsbestimuugen, die zur Wahrung der
Rechte der vor 1871 eingetretenen Beamten erlassen werden mußten, noch
immer Sekretäre aus der Klasse der Postexpedienten in die Stellen für Post¬
meister, Oberpvstsekretüre usw. einrücken.

Möchten doch die, die dazu berufen sind, bei den gegenwärtig geplanten
Reformen mitzuwirken, die Geschichte der Persvnalverhültnisse aus den Jahren
1849 bis 1870 recht gründlich studiren, damit sie vor dem verhängnisvollen
Irrtum bewahrt bleiben, daß die PostVerwaltung mit minder hoch "aualifizirteu"
Kräften billiger arbeiten könne.

Auch die Behauptung im allgemeinen, daß an die Schulbildung der Post¬
beamten zu hohe Anforderungen gestellt würden, entbehrt jeglicher Begründung.
Untersuchen wir, um dies zu beweisen, aus was sür Leuten das Beamtcnheer
der PostVerwaltung, das nach amtlicher Angabe Ende 1895 66977 Köpfe
betrug, zusammengesetzt ist. Studirte Leute giebt es bei der Post, wenn wir
von den höhern Baubeamten absehen, nur vier, und zwar drei Juristen und
einen früheren Bcrgcissessor im Neichspostamt. Die übrigen Anwärter ans die
Stellen vom Pvstsekretür an aufwärts haben höchstens das Zeugnis der Reife
von einem Gymnasium oder Realgymnasium, also einen Bildungsgrad, der
heutzutage wahrlich nicht als zu hoch erachtet werden kann, wenn man
erwägt, daß die Postverwaltung die einzige Verwaltung ist, die ihre höhern
Beamtenstellen mit ihren eignen, von ihr selbst durchgebildeten Beamten besetzt,
und daß diese vielfach dieselben Gegenstände zu bearbeiten haben, wie die
Juristen bei der Eisenbahn- und Steuerverwaltung. Nach den amtlichen Ver¬
öffentlichungen, die leider für eiuen Teil des Jahres 1876 fehlen, wurden von
1871 bis 1880: 1544, von 1881 bis 1890: 1865 und von 1891 bis Ende
1896: 1705, im ganze" also 5114 Pvstelcven angenommen; die Zahl der
wieder Ausgcschiedueu ist bei diesen Angaben bereits abgezogen worden. Dies^
5114 Eleven, die (abgesehen von 91 Primanern, die in den Jahren von 1871
bis 1882 ausnahmsweise angenommen werden durften) das Abiturientenexamen
abgelegt haben, bilden für das ungeheure Beamtenheer der Post den gesamten
Nachwuchs von Anwärtern mit guter Schulbildung innerhalb eines Zeitraums
von sechsundzwanzig Jahren.

Verfolgen wir nun die Laufbahn dieser jungen Leute. Nach drei Jahren
kann der Postcleve die Sekretärprüfung und nach weitern drei Jahren die
höhere Verwaltuugsprüfung ablegen; hat er auch diese Prüfung bestanden, so
rückt er bei Gelegenheit in eine der obern Dienststellen ein. Es sind das die


persoimlreformen bei der Post

gängern, daß es den Anwärtern für die niedere Laufbahn, den Postgehilfen,
unter keinen Umständen gestattete, in die höhere Laufbahn überzutreten. Es
wurden also die Stellen vom Postsekretär an aufwärts wieder deu Eleven
ausschließlich vorbehalten. Diese Scheidung ist bis heute streug eingehalten
worden. Leider sind die wohlthätigen Folgen hiervon noch nicht völlig sichtbar
geworden, da auf Grund der Übergangsbestimuugen, die zur Wahrung der
Rechte der vor 1871 eingetretenen Beamten erlassen werden mußten, noch
immer Sekretäre aus der Klasse der Postexpedienten in die Stellen für Post¬
meister, Oberpvstsekretüre usw. einrücken.

Möchten doch die, die dazu berufen sind, bei den gegenwärtig geplanten
Reformen mitzuwirken, die Geschichte der Persvnalverhültnisse aus den Jahren
1849 bis 1870 recht gründlich studiren, damit sie vor dem verhängnisvollen
Irrtum bewahrt bleiben, daß die PostVerwaltung mit minder hoch „aualifizirteu"
Kräften billiger arbeiten könne.

Auch die Behauptung im allgemeinen, daß an die Schulbildung der Post¬
beamten zu hohe Anforderungen gestellt würden, entbehrt jeglicher Begründung.
Untersuchen wir, um dies zu beweisen, aus was sür Leuten das Beamtcnheer
der PostVerwaltung, das nach amtlicher Angabe Ende 1895 66977 Köpfe
betrug, zusammengesetzt ist. Studirte Leute giebt es bei der Post, wenn wir
von den höhern Baubeamten absehen, nur vier, und zwar drei Juristen und
einen früheren Bcrgcissessor im Neichspostamt. Die übrigen Anwärter ans die
Stellen vom Pvstsekretür an aufwärts haben höchstens das Zeugnis der Reife
von einem Gymnasium oder Realgymnasium, also einen Bildungsgrad, der
heutzutage wahrlich nicht als zu hoch erachtet werden kann, wenn man
erwägt, daß die Postverwaltung die einzige Verwaltung ist, die ihre höhern
Beamtenstellen mit ihren eignen, von ihr selbst durchgebildeten Beamten besetzt,
und daß diese vielfach dieselben Gegenstände zu bearbeiten haben, wie die
Juristen bei der Eisenbahn- und Steuerverwaltung. Nach den amtlichen Ver¬
öffentlichungen, die leider für eiuen Teil des Jahres 1876 fehlen, wurden von
1871 bis 1880: 1544, von 1881 bis 1890: 1865 und von 1891 bis Ende
1896: 1705, im ganze» also 5114 Pvstelcven angenommen; die Zahl der
wieder Ausgcschiedueu ist bei diesen Angaben bereits abgezogen worden. Dies^
5114 Eleven, die (abgesehen von 91 Primanern, die in den Jahren von 1871
bis 1882 ausnahmsweise angenommen werden durften) das Abiturientenexamen
abgelegt haben, bilden für das ungeheure Beamtenheer der Post den gesamten
Nachwuchs von Anwärtern mit guter Schulbildung innerhalb eines Zeitraums
von sechsundzwanzig Jahren.

Verfolgen wir nun die Laufbahn dieser jungen Leute. Nach drei Jahren
kann der Postcleve die Sekretärprüfung und nach weitern drei Jahren die
höhere Verwaltuugsprüfung ablegen; hat er auch diese Prüfung bestanden, so
rückt er bei Gelegenheit in eine der obern Dienststellen ein. Es sind das die


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[0317] persoimlreformen bei der Post gängern, daß es den Anwärtern für die niedere Laufbahn, den Postgehilfen, unter keinen Umständen gestattete, in die höhere Laufbahn überzutreten. Es wurden also die Stellen vom Postsekretär an aufwärts wieder deu Eleven ausschließlich vorbehalten. Diese Scheidung ist bis heute streug eingehalten worden. Leider sind die wohlthätigen Folgen hiervon noch nicht völlig sichtbar geworden, da auf Grund der Übergangsbestimuugen, die zur Wahrung der Rechte der vor 1871 eingetretenen Beamten erlassen werden mußten, noch immer Sekretäre aus der Klasse der Postexpedienten in die Stellen für Post¬ meister, Oberpvstsekretüre usw. einrücken. Möchten doch die, die dazu berufen sind, bei den gegenwärtig geplanten Reformen mitzuwirken, die Geschichte der Persvnalverhültnisse aus den Jahren 1849 bis 1870 recht gründlich studiren, damit sie vor dem verhängnisvollen Irrtum bewahrt bleiben, daß die PostVerwaltung mit minder hoch „aualifizirteu" Kräften billiger arbeiten könne. Auch die Behauptung im allgemeinen, daß an die Schulbildung der Post¬ beamten zu hohe Anforderungen gestellt würden, entbehrt jeglicher Begründung. Untersuchen wir, um dies zu beweisen, aus was sür Leuten das Beamtcnheer der PostVerwaltung, das nach amtlicher Angabe Ende 1895 66977 Köpfe betrug, zusammengesetzt ist. Studirte Leute giebt es bei der Post, wenn wir von den höhern Baubeamten absehen, nur vier, und zwar drei Juristen und einen früheren Bcrgcissessor im Neichspostamt. Die übrigen Anwärter ans die Stellen vom Pvstsekretür an aufwärts haben höchstens das Zeugnis der Reife von einem Gymnasium oder Realgymnasium, also einen Bildungsgrad, der heutzutage wahrlich nicht als zu hoch erachtet werden kann, wenn man erwägt, daß die Postverwaltung die einzige Verwaltung ist, die ihre höhern Beamtenstellen mit ihren eignen, von ihr selbst durchgebildeten Beamten besetzt, und daß diese vielfach dieselben Gegenstände zu bearbeiten haben, wie die Juristen bei der Eisenbahn- und Steuerverwaltung. Nach den amtlichen Ver¬ öffentlichungen, die leider für eiuen Teil des Jahres 1876 fehlen, wurden von 1871 bis 1880: 1544, von 1881 bis 1890: 1865 und von 1891 bis Ende 1896: 1705, im ganze» also 5114 Pvstelcven angenommen; die Zahl der wieder Ausgcschiedueu ist bei diesen Angaben bereits abgezogen worden. Dies^ 5114 Eleven, die (abgesehen von 91 Primanern, die in den Jahren von 1871 bis 1882 ausnahmsweise angenommen werden durften) das Abiturientenexamen abgelegt haben, bilden für das ungeheure Beamtenheer der Post den gesamten Nachwuchs von Anwärtern mit guter Schulbildung innerhalb eines Zeitraums von sechsundzwanzig Jahren. Verfolgen wir nun die Laufbahn dieser jungen Leute. Nach drei Jahren kann der Postcleve die Sekretärprüfung und nach weitern drei Jahren die höhere Verwaltuugsprüfung ablegen; hat er auch diese Prüfung bestanden, so rückt er bei Gelegenheit in eine der obern Dienststellen ein. Es sind das die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/317>, abgerufen am 26.06.2024.