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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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natürliche Ausweg nach dem Norden, zum Meere öffnen, wohin die große
Lebensader des Landes, die Elbe, fuhrt, den Rohprodukten Ungarns, seinem
Getreide und seinen Weinen, der Weg nach Schlesien und Baiern hinein, und
Tirol würde uicht mehr zwischen drei Zollgrenzen eingezwängt liegen. Uns
aber im Reiche wäre ein weites Feld für unsre überschüssigen Arbeitskräfte
geöffnet; unsre Kapitalien und unsre Menschenkräfte würden wieder frei wie
einst in den Zeiten des alten Reichs die Donau abwärts finden, dahin, wo
sie jetzt nur spärlich fließen. Wir würden mit einem Schlage eine mächtige
Erweiterung unsers viel zu engen Wirtschaftsgebiets nach dem Südosten unsers
Erdteils gewinnen, der seit Jahrhunderten von der deutscheu Kultur befruchtet
morden ist, und in dem unsre geistige Herrschaft trotz alles Dünkels junger
Völker unerschüttert aufrecht steht bis Bukarest und Sofia; wir würden den freien
Zugang zum Mittelmeer gewinnen, dessen Wichtigkeit auch für unsern Handel trotz
der jetzige" Schranken von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Drängt doch auch alles
auf eine nähere wirtschaftliche Bereinigung des europäischen Festlandes hin
gegenüber den drei riesigen wirtschaftlichen Körpern, die schon entstanden oder
in der Entstehung begriffen sind: Rußland, dem britischen Weltreiche und der
nordamerikanischen Union. Wir wollen nicht die Tschechen und Magyaren
germanisiren, das ist vorbei, wir wollen aber alle Bande, die unsre Stammes¬
genossen drüben und damit diese Länder überhaupt an uns knüpfen, so ver¬
stärken, daß sie unzerreißbar werden. Dann wird die Macht der dentschen
Gesittung unwiderstehlich wirken und jene kleinen Nationalitäten, unbeschadet
ihrer Eigenart, zu ihrem eignen Vorteil auf die Stufe der politischen Geltung
zurückführen, die sie nur mit krampfhaften Anstrengungen, zum Schaden ihrer
eignen Bildung, überschritten haben, um sich schließlich doch nur in einem engen
Sprachlüfig einzusperren, und das in einem Zeitalter des riesig wachsenden
Weltverkehrs! Wie aber anch die Würfel in Zukunft fallen mögen, für unser
Reich und unser Volk gilt das Wort: "Bereit sein ist alles."




Personalreformen bei der Post

in Frühjahr 1871 tagte in Berlin unter dem Vorsitz des da¬
maligen Generalpostdirektors Stephan eine Konferenz höherer
Postbeamten, um über eine Reform der Pcrsonalverhältnisfe zu
beraten. Das tiefe Stillschweigen, das über den Verlauf der
Arbeiten beobachtet wurde, erregte allgemeinen Unwillen. "Was
ist von der Thätigkeit einer Konferenz zu hoffen, so schriebe" Berliner Zeitunge",
die jede Veröffentlichung über den Gang ihrer Beratungen ausschließt, sodaß


natürliche Ausweg nach dem Norden, zum Meere öffnen, wohin die große
Lebensader des Landes, die Elbe, fuhrt, den Rohprodukten Ungarns, seinem
Getreide und seinen Weinen, der Weg nach Schlesien und Baiern hinein, und
Tirol würde uicht mehr zwischen drei Zollgrenzen eingezwängt liegen. Uns
aber im Reiche wäre ein weites Feld für unsre überschüssigen Arbeitskräfte
geöffnet; unsre Kapitalien und unsre Menschenkräfte würden wieder frei wie
einst in den Zeiten des alten Reichs die Donau abwärts finden, dahin, wo
sie jetzt nur spärlich fließen. Wir würden mit einem Schlage eine mächtige
Erweiterung unsers viel zu engen Wirtschaftsgebiets nach dem Südosten unsers
Erdteils gewinnen, der seit Jahrhunderten von der deutscheu Kultur befruchtet
morden ist, und in dem unsre geistige Herrschaft trotz alles Dünkels junger
Völker unerschüttert aufrecht steht bis Bukarest und Sofia; wir würden den freien
Zugang zum Mittelmeer gewinnen, dessen Wichtigkeit auch für unsern Handel trotz
der jetzige» Schranken von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Drängt doch auch alles
auf eine nähere wirtschaftliche Bereinigung des europäischen Festlandes hin
gegenüber den drei riesigen wirtschaftlichen Körpern, die schon entstanden oder
in der Entstehung begriffen sind: Rußland, dem britischen Weltreiche und der
nordamerikanischen Union. Wir wollen nicht die Tschechen und Magyaren
germanisiren, das ist vorbei, wir wollen aber alle Bande, die unsre Stammes¬
genossen drüben und damit diese Länder überhaupt an uns knüpfen, so ver¬
stärken, daß sie unzerreißbar werden. Dann wird die Macht der dentschen
Gesittung unwiderstehlich wirken und jene kleinen Nationalitäten, unbeschadet
ihrer Eigenart, zu ihrem eignen Vorteil auf die Stufe der politischen Geltung
zurückführen, die sie nur mit krampfhaften Anstrengungen, zum Schaden ihrer
eignen Bildung, überschritten haben, um sich schließlich doch nur in einem engen
Sprachlüfig einzusperren, und das in einem Zeitalter des riesig wachsenden
Weltverkehrs! Wie aber anch die Würfel in Zukunft fallen mögen, für unser
Reich und unser Volk gilt das Wort: „Bereit sein ist alles."




Personalreformen bei der Post

in Frühjahr 1871 tagte in Berlin unter dem Vorsitz des da¬
maligen Generalpostdirektors Stephan eine Konferenz höherer
Postbeamten, um über eine Reform der Pcrsonalverhältnisfe zu
beraten. Das tiefe Stillschweigen, das über den Verlauf der
Arbeiten beobachtet wurde, erregte allgemeinen Unwillen. „Was
ist von der Thätigkeit einer Konferenz zu hoffen, so schriebe» Berliner Zeitunge»,
die jede Veröffentlichung über den Gang ihrer Beratungen ausschließt, sodaß


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[0313] natürliche Ausweg nach dem Norden, zum Meere öffnen, wohin die große Lebensader des Landes, die Elbe, fuhrt, den Rohprodukten Ungarns, seinem Getreide und seinen Weinen, der Weg nach Schlesien und Baiern hinein, und Tirol würde uicht mehr zwischen drei Zollgrenzen eingezwängt liegen. Uns aber im Reiche wäre ein weites Feld für unsre überschüssigen Arbeitskräfte geöffnet; unsre Kapitalien und unsre Menschenkräfte würden wieder frei wie einst in den Zeiten des alten Reichs die Donau abwärts finden, dahin, wo sie jetzt nur spärlich fließen. Wir würden mit einem Schlage eine mächtige Erweiterung unsers viel zu engen Wirtschaftsgebiets nach dem Südosten unsers Erdteils gewinnen, der seit Jahrhunderten von der deutscheu Kultur befruchtet morden ist, und in dem unsre geistige Herrschaft trotz alles Dünkels junger Völker unerschüttert aufrecht steht bis Bukarest und Sofia; wir würden den freien Zugang zum Mittelmeer gewinnen, dessen Wichtigkeit auch für unsern Handel trotz der jetzige» Schranken von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Drängt doch auch alles auf eine nähere wirtschaftliche Bereinigung des europäischen Festlandes hin gegenüber den drei riesigen wirtschaftlichen Körpern, die schon entstanden oder in der Entstehung begriffen sind: Rußland, dem britischen Weltreiche und der nordamerikanischen Union. Wir wollen nicht die Tschechen und Magyaren germanisiren, das ist vorbei, wir wollen aber alle Bande, die unsre Stammes¬ genossen drüben und damit diese Länder überhaupt an uns knüpfen, so ver¬ stärken, daß sie unzerreißbar werden. Dann wird die Macht der dentschen Gesittung unwiderstehlich wirken und jene kleinen Nationalitäten, unbeschadet ihrer Eigenart, zu ihrem eignen Vorteil auf die Stufe der politischen Geltung zurückführen, die sie nur mit krampfhaften Anstrengungen, zum Schaden ihrer eignen Bildung, überschritten haben, um sich schließlich doch nur in einem engen Sprachlüfig einzusperren, und das in einem Zeitalter des riesig wachsenden Weltverkehrs! Wie aber anch die Würfel in Zukunft fallen mögen, für unser Reich und unser Volk gilt das Wort: „Bereit sein ist alles." Personalreformen bei der Post in Frühjahr 1871 tagte in Berlin unter dem Vorsitz des da¬ maligen Generalpostdirektors Stephan eine Konferenz höherer Postbeamten, um über eine Reform der Pcrsonalverhältnisfe zu beraten. Das tiefe Stillschweigen, das über den Verlauf der Arbeiten beobachtet wurde, erregte allgemeinen Unwillen. „Was ist von der Thätigkeit einer Konferenz zu hoffen, so schriebe» Berliner Zeitunge», die jede Veröffentlichung über den Gang ihrer Beratungen ausschließt, sodaß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/313>, abgerufen am 26.06.2024.