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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wie die durch Leo XIII. in ihrer Giltigkeit ausgehöhlten Trideutiuer Regeln,
und wie die in Kraft gebliebueu Anweisungen Benedikts XIV., bilden natürlich auch
die neuen Bestimmungen einen Teil des geltenden Rechts der katholischen Kirche.
Die Strafe für ihre Übertretung ist die sogenannte Reservatexkvmmunikatiou, wenn
es sich um das Lese" und Behalten häretischer Bücher usw. handelt, der Kirchenbann
ohne Einschränkung, wenn es sich um die Herausgabe nicht anerkannter Bibelaus-
gaben handelt. Die Artikel 27 bis 29 und 31 suchen den Gebrauch der ab¬
wehrenden und strafenden Bestimmungen den ungemein verwickelten und unüber¬
sichtlichen Verhältnissen des heutigen geistigen Verkehrs und Lebens anzupassen:
die Befugnisse der Bischöfe nach allen diesen Richtungen sind außerordentlich erhöht,
und es wird auch die Verpflichtung des katholischen Laien zur Denunziation an¬
stößiger Bücher, die übrigens geheim bleiben soll, verkündigt. Ob man sich
schmeichelt, damit zum Ziele zu kommen? Dem Vorwurf, daß durch die Jndex-
verbote die wissenschaftliche Entwicklung und Fortbildung auf katholischer Seite ge¬
hemmt werde, tritt man von katholischer Seite mit dem Hinweis auf die Artikel
27 bis 29 entgegen, nach denen "wissenschaftlich gebildeten und auch theologisch
urteilsfähigen" Männern die Erlaubnis zum Lesen verbotner Bücher "bereitwilligst
und unentgeltlich" von dem Diözesanbischof oder der Jndextongregativn erteilt wird
(Wetzer und Weite, Kirchenlexikon). Die allgemeine Entwicklung und Fortbildung
der urteilslosen Masse der Gläubigen zu fördern hat die katholische Kirche ja nie
als ihre Aufgabe angesehen.

Ob die neuen Judexbestimmuugen den Erwartungen und Wünschen derer, die
sie vor mehr als einem Vierteljnhrhuudert so lebhaft herbeisehnten, der französischen
und deutschen Bischöfe entsprechen? Wir wissen es nicht. Ihre Voraussetzung
war ja natürlich die Mitarbeit eines Konzils an dieser wichtigen Frage, nicht die
bloße Willensäußerung des inzwischen allerdings rin der Unfehlbarkeit umkleideten
Papstes. Sicherlich haben sie nicht die Wünsche der allerdings nichts weniger als
maßgebenden Laien- und Klerikerelemente der katholischen Kirche befriedigt, die bei
Gelegenheit des Vatikanischen Konzils in Adressen und Zuschriften die vollkommne
Aufhebung der Jndexkongregation forderten, Bestrebungen, denen übrigens schon
Gregor XIV. in der Encyllika Nirari entgegentreten mußte.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wie die durch Leo XIII. in ihrer Giltigkeit ausgehöhlten Trideutiuer Regeln,
und wie die in Kraft gebliebueu Anweisungen Benedikts XIV., bilden natürlich auch
die neuen Bestimmungen einen Teil des geltenden Rechts der katholischen Kirche.
Die Strafe für ihre Übertretung ist die sogenannte Reservatexkvmmunikatiou, wenn
es sich um das Lese» und Behalten häretischer Bücher usw. handelt, der Kirchenbann
ohne Einschränkung, wenn es sich um die Herausgabe nicht anerkannter Bibelaus-
gaben handelt. Die Artikel 27 bis 29 und 31 suchen den Gebrauch der ab¬
wehrenden und strafenden Bestimmungen den ungemein verwickelten und unüber¬
sichtlichen Verhältnissen des heutigen geistigen Verkehrs und Lebens anzupassen:
die Befugnisse der Bischöfe nach allen diesen Richtungen sind außerordentlich erhöht,
und es wird auch die Verpflichtung des katholischen Laien zur Denunziation an¬
stößiger Bücher, die übrigens geheim bleiben soll, verkündigt. Ob man sich
schmeichelt, damit zum Ziele zu kommen? Dem Vorwurf, daß durch die Jndex-
verbote die wissenschaftliche Entwicklung und Fortbildung auf katholischer Seite ge¬
hemmt werde, tritt man von katholischer Seite mit dem Hinweis auf die Artikel
27 bis 29 entgegen, nach denen „wissenschaftlich gebildeten und auch theologisch
urteilsfähigen" Männern die Erlaubnis zum Lesen verbotner Bücher „bereitwilligst
und unentgeltlich" von dem Diözesanbischof oder der Jndextongregativn erteilt wird
(Wetzer und Weite, Kirchenlexikon). Die allgemeine Entwicklung und Fortbildung
der urteilslosen Masse der Gläubigen zu fördern hat die katholische Kirche ja nie
als ihre Aufgabe angesehen.

Ob die neuen Judexbestimmuugen den Erwartungen und Wünschen derer, die
sie vor mehr als einem Vierteljnhrhuudert so lebhaft herbeisehnten, der französischen
und deutschen Bischöfe entsprechen? Wir wissen es nicht. Ihre Voraussetzung
war ja natürlich die Mitarbeit eines Konzils an dieser wichtigen Frage, nicht die
bloße Willensäußerung des inzwischen allerdings rin der Unfehlbarkeit umkleideten
Papstes. Sicherlich haben sie nicht die Wünsche der allerdings nichts weniger als
maßgebenden Laien- und Klerikerelemente der katholischen Kirche befriedigt, die bei
Gelegenheit des Vatikanischen Konzils in Adressen und Zuschriften die vollkommne
Aufhebung der Jndexkongregation forderten, Bestrebungen, denen übrigens schon
Gregor XIV. in der Encyllika Nirari entgegentreten mußte.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0258] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wie die durch Leo XIII. in ihrer Giltigkeit ausgehöhlten Trideutiuer Regeln, und wie die in Kraft gebliebueu Anweisungen Benedikts XIV., bilden natürlich auch die neuen Bestimmungen einen Teil des geltenden Rechts der katholischen Kirche. Die Strafe für ihre Übertretung ist die sogenannte Reservatexkvmmunikatiou, wenn es sich um das Lese» und Behalten häretischer Bücher usw. handelt, der Kirchenbann ohne Einschränkung, wenn es sich um die Herausgabe nicht anerkannter Bibelaus- gaben handelt. Die Artikel 27 bis 29 und 31 suchen den Gebrauch der ab¬ wehrenden und strafenden Bestimmungen den ungemein verwickelten und unüber¬ sichtlichen Verhältnissen des heutigen geistigen Verkehrs und Lebens anzupassen: die Befugnisse der Bischöfe nach allen diesen Richtungen sind außerordentlich erhöht, und es wird auch die Verpflichtung des katholischen Laien zur Denunziation an¬ stößiger Bücher, die übrigens geheim bleiben soll, verkündigt. Ob man sich schmeichelt, damit zum Ziele zu kommen? Dem Vorwurf, daß durch die Jndex- verbote die wissenschaftliche Entwicklung und Fortbildung auf katholischer Seite ge¬ hemmt werde, tritt man von katholischer Seite mit dem Hinweis auf die Artikel 27 bis 29 entgegen, nach denen „wissenschaftlich gebildeten und auch theologisch urteilsfähigen" Männern die Erlaubnis zum Lesen verbotner Bücher „bereitwilligst und unentgeltlich" von dem Diözesanbischof oder der Jndextongregativn erteilt wird (Wetzer und Weite, Kirchenlexikon). Die allgemeine Entwicklung und Fortbildung der urteilslosen Masse der Gläubigen zu fördern hat die katholische Kirche ja nie als ihre Aufgabe angesehen. Ob die neuen Judexbestimmuugen den Erwartungen und Wünschen derer, die sie vor mehr als einem Vierteljnhrhuudert so lebhaft herbeisehnten, der französischen und deutschen Bischöfe entsprechen? Wir wissen es nicht. Ihre Voraussetzung war ja natürlich die Mitarbeit eines Konzils an dieser wichtigen Frage, nicht die bloße Willensäußerung des inzwischen allerdings rin der Unfehlbarkeit umkleideten Papstes. Sicherlich haben sie nicht die Wünsche der allerdings nichts weniger als maßgebenden Laien- und Klerikerelemente der katholischen Kirche befriedigt, die bei Gelegenheit des Vatikanischen Konzils in Adressen und Zuschriften die vollkommne Aufhebung der Jndexkongregation forderten, Bestrebungen, denen übrigens schon Gregor XIV. in der Encyllika Nirari entgegentreten mußte. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/258>, abgerufen am 26.06.2024.