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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Übergang von den Süddeutschen des Westens, einschließlich der Schweizer, zu
denen des Ostens, endlich das Bindeglied zwischen Deutschland und Italien.
Da alle diese Beziehungen über die politischen Grenzen hinauswirken und
durch Wechselströme wirtschaftlicher und geistiger Art die Völker immer
mächtiger auslockern, in Bewegung setzen und einander entgegenführen, so wird
das innere Leben und Wachsen eines Landes wie Baiern von weitreichender
Bedeutung. Für jeden, der des Glaubens lebt, daß Deutschlands Jnteressen-
nnd Wirkungssphären in Europa mit dem militärischen Übergewicht und der
derer erkauften industriellen Überlegenheit noch lange nicht beschlossen und
festgelegt sind, und daß in ihrer Ausbreitung den bestehenden Nachbarschafts¬
verhältnissen eine vorbereitende Rolle zugeteilt ist, sind die bairischen Zustände
und Entwicklungen eine wichtige gemeindeutsche Angelegenheit.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Agrarische Mißerfolge.

Dr. Buchberger, der Leiter des badischen Finanz¬
wesens, ist der beste Kenner der landwirtschaftliche" Zustände seiner engern Heimat
und einer der anerkannt besten Kenner des Agrarwesens überhaupt. In seinem
neuesten Buche nnn: Grundzüge der deutscheu Agrarpolitik unter besondrer Wür¬
digung der großen und kleinen Mittel, beweist er, wie wir aus der National-
zeitnng erfahren, n. a., "daß mindestens ein Teil jener Vorschläge auf wirtschaft¬
lichem Gebiete, die man als große Mittel zu bezeichnen pflegt, entweder überhaupt
unerfüllbare Anforderungen an die Staatsgewalt stellt oder, wenn erfüllbar, nur
unter starker Schädigung der Interessen andrer Berufsstände zu verwirklichen ist."
Da wir das Buch selbst noch nicht zu Gesicht bekommen haben, so wissen wir nicht,
ob Buchberger das Verbot des Tcrminhcmdels zu den großen oder zu den kleinen
Mitteln rechnet; soll es zu den großen gehören, so muß noch eine dritte Art dieser
Klasse bezeichnet werden: Mittel, die möglicherweise andern Leute nutzen, den Land¬
wirten aber schaden. Daß das Mittel nichts nützt, liegt klar am Tage. Die Getreide-
Preise sind in die Höhe gegangen, aber selbst die Deutsche Tageszeitung wagt nicht
zu behaupten, daß das eine Wirkung der Börsenreform sei; die Preise sind in
aller Welt gestiegen, weil die Welternte mittelmäßig ausgefallen ist. Die liberale
Presse behauptet sogar, die deutschen Preise seien infolge des jetzigen mangelhaften
Preisnvtiruugsweseus hinter dem Weltmarktpreise zurückgeblieben. Diese Be¬
hauptung hat die Zentralnotirnngsstelle der preußischen Landwirtschaftskammern in
einem Rundschreiben zu widerlegen gesucht, aber sie ist nicht so weit gegangen, zu
behaupten, daß die Preise in Deutschland über dem Weltmarktpreise stünden. Und
der Nachweis selbst wird von den nicht agrarischen Kennern des Geschäfts als


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Übergang von den Süddeutschen des Westens, einschließlich der Schweizer, zu
denen des Ostens, endlich das Bindeglied zwischen Deutschland und Italien.
Da alle diese Beziehungen über die politischen Grenzen hinauswirken und
durch Wechselströme wirtschaftlicher und geistiger Art die Völker immer
mächtiger auslockern, in Bewegung setzen und einander entgegenführen, so wird
das innere Leben und Wachsen eines Landes wie Baiern von weitreichender
Bedeutung. Für jeden, der des Glaubens lebt, daß Deutschlands Jnteressen-
nnd Wirkungssphären in Europa mit dem militärischen Übergewicht und der
derer erkauften industriellen Überlegenheit noch lange nicht beschlossen und
festgelegt sind, und daß in ihrer Ausbreitung den bestehenden Nachbarschafts¬
verhältnissen eine vorbereitende Rolle zugeteilt ist, sind die bairischen Zustände
und Entwicklungen eine wichtige gemeindeutsche Angelegenheit.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Agrarische Mißerfolge.

Dr. Buchberger, der Leiter des badischen Finanz¬
wesens, ist der beste Kenner der landwirtschaftliche» Zustände seiner engern Heimat
und einer der anerkannt besten Kenner des Agrarwesens überhaupt. In seinem
neuesten Buche nnn: Grundzüge der deutscheu Agrarpolitik unter besondrer Wür¬
digung der großen und kleinen Mittel, beweist er, wie wir aus der National-
zeitnng erfahren, n. a., „daß mindestens ein Teil jener Vorschläge auf wirtschaft¬
lichem Gebiete, die man als große Mittel zu bezeichnen pflegt, entweder überhaupt
unerfüllbare Anforderungen an die Staatsgewalt stellt oder, wenn erfüllbar, nur
unter starker Schädigung der Interessen andrer Berufsstände zu verwirklichen ist."
Da wir das Buch selbst noch nicht zu Gesicht bekommen haben, so wissen wir nicht,
ob Buchberger das Verbot des Tcrminhcmdels zu den großen oder zu den kleinen
Mitteln rechnet; soll es zu den großen gehören, so muß noch eine dritte Art dieser
Klasse bezeichnet werden: Mittel, die möglicherweise andern Leute nutzen, den Land¬
wirten aber schaden. Daß das Mittel nichts nützt, liegt klar am Tage. Die Getreide-
Preise sind in die Höhe gegangen, aber selbst die Deutsche Tageszeitung wagt nicht
zu behaupten, daß das eine Wirkung der Börsenreform sei; die Preise sind in
aller Welt gestiegen, weil die Welternte mittelmäßig ausgefallen ist. Die liberale
Presse behauptet sogar, die deutschen Preise seien infolge des jetzigen mangelhaften
Preisnvtiruugsweseus hinter dem Weltmarktpreise zurückgeblieben. Diese Be¬
hauptung hat die Zentralnotirnngsstelle der preußischen Landwirtschaftskammern in
einem Rundschreiben zu widerlegen gesucht, aber sie ist nicht so weit gegangen, zu
behaupten, daß die Preise in Deutschland über dem Weltmarktpreise stünden. Und
der Nachweis selbst wird von den nicht agrarischen Kennern des Geschäfts als


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[0247] Maßgebliches und Unmaßgebliches Übergang von den Süddeutschen des Westens, einschließlich der Schweizer, zu denen des Ostens, endlich das Bindeglied zwischen Deutschland und Italien. Da alle diese Beziehungen über die politischen Grenzen hinauswirken und durch Wechselströme wirtschaftlicher und geistiger Art die Völker immer mächtiger auslockern, in Bewegung setzen und einander entgegenführen, so wird das innere Leben und Wachsen eines Landes wie Baiern von weitreichender Bedeutung. Für jeden, der des Glaubens lebt, daß Deutschlands Jnteressen- nnd Wirkungssphären in Europa mit dem militärischen Übergewicht und der derer erkauften industriellen Überlegenheit noch lange nicht beschlossen und festgelegt sind, und daß in ihrer Ausbreitung den bestehenden Nachbarschafts¬ verhältnissen eine vorbereitende Rolle zugeteilt ist, sind die bairischen Zustände und Entwicklungen eine wichtige gemeindeutsche Angelegenheit. Maßgebliches und Unmaßgebliches Agrarische Mißerfolge. Dr. Buchberger, der Leiter des badischen Finanz¬ wesens, ist der beste Kenner der landwirtschaftliche» Zustände seiner engern Heimat und einer der anerkannt besten Kenner des Agrarwesens überhaupt. In seinem neuesten Buche nnn: Grundzüge der deutscheu Agrarpolitik unter besondrer Wür¬ digung der großen und kleinen Mittel, beweist er, wie wir aus der National- zeitnng erfahren, n. a., „daß mindestens ein Teil jener Vorschläge auf wirtschaft¬ lichem Gebiete, die man als große Mittel zu bezeichnen pflegt, entweder überhaupt unerfüllbare Anforderungen an die Staatsgewalt stellt oder, wenn erfüllbar, nur unter starker Schädigung der Interessen andrer Berufsstände zu verwirklichen ist." Da wir das Buch selbst noch nicht zu Gesicht bekommen haben, so wissen wir nicht, ob Buchberger das Verbot des Tcrminhcmdels zu den großen oder zu den kleinen Mitteln rechnet; soll es zu den großen gehören, so muß noch eine dritte Art dieser Klasse bezeichnet werden: Mittel, die möglicherweise andern Leute nutzen, den Land¬ wirten aber schaden. Daß das Mittel nichts nützt, liegt klar am Tage. Die Getreide- Preise sind in die Höhe gegangen, aber selbst die Deutsche Tageszeitung wagt nicht zu behaupten, daß das eine Wirkung der Börsenreform sei; die Preise sind in aller Welt gestiegen, weil die Welternte mittelmäßig ausgefallen ist. Die liberale Presse behauptet sogar, die deutschen Preise seien infolge des jetzigen mangelhaften Preisnvtiruugsweseus hinter dem Weltmarktpreise zurückgeblieben. Diese Be¬ hauptung hat die Zentralnotirnngsstelle der preußischen Landwirtschaftskammern in einem Rundschreiben zu widerlegen gesucht, aber sie ist nicht so weit gegangen, zu behaupten, daß die Preise in Deutschland über dem Weltmarktpreise stünden. Und der Nachweis selbst wird von den nicht agrarischen Kennern des Geschäfts als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/247>, abgerufen am 29.06.2024.