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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Altbairische Wanderungen
(Schluß)
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ünchcns wissenschaftliche Bedeutung ist nicht so augenfällig
wie seine Stellung in den bildenden Künsten, in Musik,
Theater und Dichtung. Aber im Besitz der zweitgrößten
und besten Bibliothek in Deutschland (die Hof- und Staats¬
bibliothek hat 900000 Bände, wozu die Universitätsbibliothek, die
junge, aber sehr gut ausgestattete Bibliothek der Technischen Hochschule, das
an Seltenheiten sehr reiche Konservatorium der Armee u. a. kommen), des
großartigsten paläontologisch-geologischen Museums der Welt, einer der besten
Mineraliensammlungen, eines ausgezeichneten Herbariums, der für Kunststudien
viele gute Dinge enthaltenden Sammlungen derGlyptothek, des Nationalmuseums,
des Münzkabinetts, des Ethnographischen Museums, der großen Archive, bietet
München den wissenschaftlichen Studien treffliche Hilfsmittel und Anregungen.
An der Universität und der Technischen Hochschule, der Tierarzneischule, der
Kriegsakademie lehren Männer, die zu den Zierden der deutschen Wissenschaft
gehören. Es gab Jahrzehnte, wo Chemie. Physiologie. Zoologie, Paläonto¬
logie, Jugenienrwissenschaften, Zweige der Medizin und Juristerei in München
den Mittelpunkt ihrer Lehre und Forschung hatten. Diese Dinge verschieben
sich immer rasch. So ist jetzt der Glanz der Münchner Wissenschaft blässer
als vor dreißig Jahren. Aber noch immer wird in München sehr tüchtig
gearbeitet. Man braucht mir an die Historische Kommission und an das
Prachtvolle chemische Laboratorium zu erinnern. Und alle die Münchner
Hochschulen werden mit jedem Jahre besser besucht. Im Vergleich mit den
Mitteln, die Berlin zur Verfügung stehen, bietet und leistet München über¬
raschend viel. Zugleich hat es den großen Vorteil, daß es noch nicht so gro߬
städtisch zerstreuend auf Professoren und Studenten wirkt wie Berlin. München
gestattet noch immer durch seine einfach-behaglichen Lebensformen ein genu߬
reiches Zusammenleben und -arbeiten, wo Berlin die Menschen isolirt, über¬
sättigt oder absetzt. Berlin hat in den letzten Jahrzehnten öfter die Erfahrung
gemacht, die in Paris alt ist. daß hinberufne Gelehrte aufhörten zu Produziren,




Altbairische Wanderungen
(Schluß)
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ünchcns wissenschaftliche Bedeutung ist nicht so augenfällig
wie seine Stellung in den bildenden Künsten, in Musik,
Theater und Dichtung. Aber im Besitz der zweitgrößten
und besten Bibliothek in Deutschland (die Hof- und Staats¬
bibliothek hat 900000 Bände, wozu die Universitätsbibliothek, die
junge, aber sehr gut ausgestattete Bibliothek der Technischen Hochschule, das
an Seltenheiten sehr reiche Konservatorium der Armee u. a. kommen), des
großartigsten paläontologisch-geologischen Museums der Welt, einer der besten
Mineraliensammlungen, eines ausgezeichneten Herbariums, der für Kunststudien
viele gute Dinge enthaltenden Sammlungen derGlyptothek, des Nationalmuseums,
des Münzkabinetts, des Ethnographischen Museums, der großen Archive, bietet
München den wissenschaftlichen Studien treffliche Hilfsmittel und Anregungen.
An der Universität und der Technischen Hochschule, der Tierarzneischule, der
Kriegsakademie lehren Männer, die zu den Zierden der deutschen Wissenschaft
gehören. Es gab Jahrzehnte, wo Chemie. Physiologie. Zoologie, Paläonto¬
logie, Jugenienrwissenschaften, Zweige der Medizin und Juristerei in München
den Mittelpunkt ihrer Lehre und Forschung hatten. Diese Dinge verschieben
sich immer rasch. So ist jetzt der Glanz der Münchner Wissenschaft blässer
als vor dreißig Jahren. Aber noch immer wird in München sehr tüchtig
gearbeitet. Man braucht mir an die Historische Kommission und an das
Prachtvolle chemische Laboratorium zu erinnern. Und alle die Münchner
Hochschulen werden mit jedem Jahre besser besucht. Im Vergleich mit den
Mitteln, die Berlin zur Verfügung stehen, bietet und leistet München über¬
raschend viel. Zugleich hat es den großen Vorteil, daß es noch nicht so gro߬
städtisch zerstreuend auf Professoren und Studenten wirkt wie Berlin. München
gestattet noch immer durch seine einfach-behaglichen Lebensformen ein genu߬
reiches Zusammenleben und -arbeiten, wo Berlin die Menschen isolirt, über¬
sättigt oder absetzt. Berlin hat in den letzten Jahrzehnten öfter die Erfahrung
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[0239] [Abbildung] Altbairische Wanderungen (Schluß) 6 ünchcns wissenschaftliche Bedeutung ist nicht so augenfällig wie seine Stellung in den bildenden Künsten, in Musik, Theater und Dichtung. Aber im Besitz der zweitgrößten und besten Bibliothek in Deutschland (die Hof- und Staats¬ bibliothek hat 900000 Bände, wozu die Universitätsbibliothek, die junge, aber sehr gut ausgestattete Bibliothek der Technischen Hochschule, das an Seltenheiten sehr reiche Konservatorium der Armee u. a. kommen), des großartigsten paläontologisch-geologischen Museums der Welt, einer der besten Mineraliensammlungen, eines ausgezeichneten Herbariums, der für Kunststudien viele gute Dinge enthaltenden Sammlungen derGlyptothek, des Nationalmuseums, des Münzkabinetts, des Ethnographischen Museums, der großen Archive, bietet München den wissenschaftlichen Studien treffliche Hilfsmittel und Anregungen. An der Universität und der Technischen Hochschule, der Tierarzneischule, der Kriegsakademie lehren Männer, die zu den Zierden der deutschen Wissenschaft gehören. Es gab Jahrzehnte, wo Chemie. Physiologie. Zoologie, Paläonto¬ logie, Jugenienrwissenschaften, Zweige der Medizin und Juristerei in München den Mittelpunkt ihrer Lehre und Forschung hatten. Diese Dinge verschieben sich immer rasch. So ist jetzt der Glanz der Münchner Wissenschaft blässer als vor dreißig Jahren. Aber noch immer wird in München sehr tüchtig gearbeitet. Man braucht mir an die Historische Kommission und an das Prachtvolle chemische Laboratorium zu erinnern. Und alle die Münchner Hochschulen werden mit jedem Jahre besser besucht. Im Vergleich mit den Mitteln, die Berlin zur Verfügung stehen, bietet und leistet München über¬ raschend viel. Zugleich hat es den großen Vorteil, daß es noch nicht so gro߬ städtisch zerstreuend auf Professoren und Studenten wirkt wie Berlin. München gestattet noch immer durch seine einfach-behaglichen Lebensformen ein genu߬ reiches Zusammenleben und -arbeiten, wo Berlin die Menschen isolirt, über¬ sättigt oder absetzt. Berlin hat in den letzten Jahrzehnten öfter die Erfahrung gemacht, die in Paris alt ist. daß hinberufne Gelehrte aufhörten zu Produziren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/239>, abgerufen am 29.06.2024.