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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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großen Ilunftausstellimgen des Jahres ^39?

vollendete, das im EntWurfe stecken Gebliebne in unsrer greisenhafter Zeit, die
sich lieber an Trümmern als an abgerundeten Kunstwerken begeistert, unendlich
interessanter, weil rätselhafter ist.

Auch bei einer längern Wanderung durch die Jrrgänge der modernen
Kunst, zu der uns die Dresdner Ausstellung noch ein weites Feld eröffnet,
würden wir immer zu demselben Ergebnis kommen: Gedankenarmut und Mangel
an schöpferischer Kraft verbergen sich unter allerlei gleißenden Flittern und
grellfarbigen Fähnchen und Lappen, und der Erfolg der Spekulation bleibt
nicht aus, indem eine gedankenlose Menge in Begeisterung über die Wunder
und Kniffe der neuen Techniken ausbricht. So werden die modernen Zimmer¬
einrichtungen des Pariser Kunsthändlers Bing, die ein Hohn auf den gesunden
Menschenverstand sind, die Gemälde der belgischen Punktierer und Symbolisten,
der holländischen "Breitmaler," deren Bilder ein Mosaik aus Farbenflecken sind,
der schottischen Träumer und der englischen Phantasten mit gläubiger Be¬
wunderung hingenommen, und der Same, der davon ausgeht, fällt leider auf
empfänglichen Boden.

Der Deutsche hat diese unheilvolle Neigung seit Jahrhunderten, und wir
wissen, daß sie unheilbar ist. Schon vor fünfzig Jahren hat einer, den
das deutsche Volk zu seinen größten Helden zählt, dagegen geeifert. "Ich
möchte den Herren, die so gern ihre Ideale jenseits der Vogesen suchen, eines
zur Richtschnur empfehlen, was die Engländer und Franzosen auszeichnet.
Das ist das stolze Gefühl der Nationalehre, welche sich nicht so häufig dazu her¬
giebt, nachahmungswerte und bewunderte Vorbilder im Auslande zu suchen,
wie es hier geschieht." So sprach Bismarck am 15. Juni 1847 im Vereinigten
Landtage.

Es fehlt ja auch jetzt nicht an Augenblicken, wo das "Gefühl der National¬
ehre" unter uns wieder aufflammt. Dürfen wir dazu den Beschluß rechnen,
den die Dresdner Bürgerschaft kürzlich unter der Führung ihres Oberbürger¬
meisters gefaßt hat, den Beschluß, im Jahre 189ö eine Ausstellung der deutsch¬
nationalen Kunst und des nationalen Kunstgewerbes zu veranstalten?




großen Ilunftausstellimgen des Jahres ^39?

vollendete, das im EntWurfe stecken Gebliebne in unsrer greisenhafter Zeit, die
sich lieber an Trümmern als an abgerundeten Kunstwerken begeistert, unendlich
interessanter, weil rätselhafter ist.

Auch bei einer längern Wanderung durch die Jrrgänge der modernen
Kunst, zu der uns die Dresdner Ausstellung noch ein weites Feld eröffnet,
würden wir immer zu demselben Ergebnis kommen: Gedankenarmut und Mangel
an schöpferischer Kraft verbergen sich unter allerlei gleißenden Flittern und
grellfarbigen Fähnchen und Lappen, und der Erfolg der Spekulation bleibt
nicht aus, indem eine gedankenlose Menge in Begeisterung über die Wunder
und Kniffe der neuen Techniken ausbricht. So werden die modernen Zimmer¬
einrichtungen des Pariser Kunsthändlers Bing, die ein Hohn auf den gesunden
Menschenverstand sind, die Gemälde der belgischen Punktierer und Symbolisten,
der holländischen „Breitmaler," deren Bilder ein Mosaik aus Farbenflecken sind,
der schottischen Träumer und der englischen Phantasten mit gläubiger Be¬
wunderung hingenommen, und der Same, der davon ausgeht, fällt leider auf
empfänglichen Boden.

Der Deutsche hat diese unheilvolle Neigung seit Jahrhunderten, und wir
wissen, daß sie unheilbar ist. Schon vor fünfzig Jahren hat einer, den
das deutsche Volk zu seinen größten Helden zählt, dagegen geeifert. „Ich
möchte den Herren, die so gern ihre Ideale jenseits der Vogesen suchen, eines
zur Richtschnur empfehlen, was die Engländer und Franzosen auszeichnet.
Das ist das stolze Gefühl der Nationalehre, welche sich nicht so häufig dazu her¬
giebt, nachahmungswerte und bewunderte Vorbilder im Auslande zu suchen,
wie es hier geschieht." So sprach Bismarck am 15. Juni 1847 im Vereinigten
Landtage.

Es fehlt ja auch jetzt nicht an Augenblicken, wo das „Gefühl der National¬
ehre" unter uns wieder aufflammt. Dürfen wir dazu den Beschluß rechnen,
den die Dresdner Bürgerschaft kürzlich unter der Führung ihres Oberbürger¬
meisters gefaßt hat, den Beschluß, im Jahre 189ö eine Ausstellung der deutsch¬
nationalen Kunst und des nationalen Kunstgewerbes zu veranstalten?




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[0238] großen Ilunftausstellimgen des Jahres ^39? vollendete, das im EntWurfe stecken Gebliebne in unsrer greisenhafter Zeit, die sich lieber an Trümmern als an abgerundeten Kunstwerken begeistert, unendlich interessanter, weil rätselhafter ist. Auch bei einer längern Wanderung durch die Jrrgänge der modernen Kunst, zu der uns die Dresdner Ausstellung noch ein weites Feld eröffnet, würden wir immer zu demselben Ergebnis kommen: Gedankenarmut und Mangel an schöpferischer Kraft verbergen sich unter allerlei gleißenden Flittern und grellfarbigen Fähnchen und Lappen, und der Erfolg der Spekulation bleibt nicht aus, indem eine gedankenlose Menge in Begeisterung über die Wunder und Kniffe der neuen Techniken ausbricht. So werden die modernen Zimmer¬ einrichtungen des Pariser Kunsthändlers Bing, die ein Hohn auf den gesunden Menschenverstand sind, die Gemälde der belgischen Punktierer und Symbolisten, der holländischen „Breitmaler," deren Bilder ein Mosaik aus Farbenflecken sind, der schottischen Träumer und der englischen Phantasten mit gläubiger Be¬ wunderung hingenommen, und der Same, der davon ausgeht, fällt leider auf empfänglichen Boden. Der Deutsche hat diese unheilvolle Neigung seit Jahrhunderten, und wir wissen, daß sie unheilbar ist. Schon vor fünfzig Jahren hat einer, den das deutsche Volk zu seinen größten Helden zählt, dagegen geeifert. „Ich möchte den Herren, die so gern ihre Ideale jenseits der Vogesen suchen, eines zur Richtschnur empfehlen, was die Engländer und Franzosen auszeichnet. Das ist das stolze Gefühl der Nationalehre, welche sich nicht so häufig dazu her¬ giebt, nachahmungswerte und bewunderte Vorbilder im Auslande zu suchen, wie es hier geschieht." So sprach Bismarck am 15. Juni 1847 im Vereinigten Landtage. Es fehlt ja auch jetzt nicht an Augenblicken, wo das „Gefühl der National¬ ehre" unter uns wieder aufflammt. Dürfen wir dazu den Beschluß rechnen, den die Dresdner Bürgerschaft kürzlich unter der Führung ihres Oberbürger¬ meisters gefaßt hat, den Beschluß, im Jahre 189ö eine Ausstellung der deutsch¬ nationalen Kunst und des nationalen Kunstgewerbes zu veranstalten?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/238>, abgerufen am 29.06.2024.