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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die großen Kunstausstellungen des Jahres

dcirum eines Meister in der Beschränkung sind. Die Industrieausstellung von
1896 hat trotz der großen Konkurrentin in Berlin ohne Fehlbetrag abgeschlossen,
und als Reingewinn ist der Stadt ein monumentales Ausstellungsgebände am
Rande des großen Gartens geblieben, das allen Ausstellungszwecken, selbst
denen einer Kunst- und Knnstgewerbeausstellung durch provisorische Einbänden,
durch Dekorationen und sonstige Anordnungen angepaßt werden kann. Die
Probe daraus ist in diesem Jahre gemacht worden, und sie ist glänzend aus¬
gefallen. Schwach oder ungenügend beleuchtete Räume wird es in jedem Kunst¬
ausstellungsgebäude geben, das auch nach außen hin seine Würde in künstlerischer
Gestaltung offenbaren will. Aber so wenig Räume dieser von den Künstlern
mit Recht gehaßten Art hat außer dein Dresdner kein andres Ausstellungs¬
gebände aufzuweisen. Ein besondres Verdienst ist das ja heute nicht mehr,
nach der großen Summe von Erfahrungen, die auf dem Gebiete des modernen
Ausstellungswesens gesammelt worden sind, und zumal in Dresden nicht, wo
ein gewaltiger Platz zur Verfügung stand, dessen einsame Lage durch keine für
reichlichen Lichtzufluß gefährliche Nachbarschaft bedroht wird.

Bei weitem weniger beifallswürdig als das Gebäude, seine Dekoration
und seine Einrichtung für den besondern Zweck ist sein Inhalt, wenn man
nämlich den gewöhnlichen Maßstab internationaler Kunstausstellungen anlegt.
Bisher hatte man geglaubt, daß diese alle Richtungen der Kunst eines Landes
widerspiegeln müsse, um lehrreich und der Wahrheit entsprechend zu wirken. Es
scheint aber, daß dieses Ziel in Deutschland, bei dem Wettbewerb andrer
Nationen, die auch internationale Kunstausstellungen haben wollen, ohne schwere,
unberechenbare Geldopfer uicht mehr zu erreichen ist. München hat diesen Um¬
schlag der Stimmung so bitter erfahren wie noch nie zuvor. Die Franzosen,
auf die man in München immer sicher gerechnet, mit denen man in schweren
Zeiten sogar den letzten Trumpf ausgespielt hat, sind dort in diesem Jahre nur
mit Werken vertreten, die die geringe Achtung der französischen Künstler vor
Deutschland oder vielmehr vor dem deutschen Kunstmarkt mit unverschämter
Aufrichtigkeit kennzeichnen, und in Dresden findet man auch nicht viel
besseres. Die Leitung der Dresdner Ausstellung ist aber, wie es scheint, von
vornherein so klug gewesen, auf ein Unternehmen im großen Stile zu verzichten.
Sie hat sich mit einer xg.i'8 pro wo begnügt, sie hat sich ans einen
Ausschnitt aus dem modernen Kunstschaffen beschränkt, und um gleich aufs
Ganze zu gehen, hat sie bei ihren Einladungen besonders die Künstler berück¬
sichtigt, die sich am meisten von der Überlieferung entfernt haben, und von
denen man eine Umwälzung in der modernen Kunst erwartet, deren Ziel vor¬
läufig noch in tiefem Nebel verborgen ist.

Nicht bloß einzelne Künstler, sondern auch Künstlervereinigungen haben
sich sowohl von jedem Zusammenhang mit der Kunstgeschichte als auch von
den alten Künstlerverbändcn losgesagt, um neue zu stiften. Der bekannteste


Die großen Kunstausstellungen des Jahres

dcirum eines Meister in der Beschränkung sind. Die Industrieausstellung von
1896 hat trotz der großen Konkurrentin in Berlin ohne Fehlbetrag abgeschlossen,
und als Reingewinn ist der Stadt ein monumentales Ausstellungsgebände am
Rande des großen Gartens geblieben, das allen Ausstellungszwecken, selbst
denen einer Kunst- und Knnstgewerbeausstellung durch provisorische Einbänden,
durch Dekorationen und sonstige Anordnungen angepaßt werden kann. Die
Probe daraus ist in diesem Jahre gemacht worden, und sie ist glänzend aus¬
gefallen. Schwach oder ungenügend beleuchtete Räume wird es in jedem Kunst¬
ausstellungsgebäude geben, das auch nach außen hin seine Würde in künstlerischer
Gestaltung offenbaren will. Aber so wenig Räume dieser von den Künstlern
mit Recht gehaßten Art hat außer dein Dresdner kein andres Ausstellungs¬
gebände aufzuweisen. Ein besondres Verdienst ist das ja heute nicht mehr,
nach der großen Summe von Erfahrungen, die auf dem Gebiete des modernen
Ausstellungswesens gesammelt worden sind, und zumal in Dresden nicht, wo
ein gewaltiger Platz zur Verfügung stand, dessen einsame Lage durch keine für
reichlichen Lichtzufluß gefährliche Nachbarschaft bedroht wird.

Bei weitem weniger beifallswürdig als das Gebäude, seine Dekoration
und seine Einrichtung für den besondern Zweck ist sein Inhalt, wenn man
nämlich den gewöhnlichen Maßstab internationaler Kunstausstellungen anlegt.
Bisher hatte man geglaubt, daß diese alle Richtungen der Kunst eines Landes
widerspiegeln müsse, um lehrreich und der Wahrheit entsprechend zu wirken. Es
scheint aber, daß dieses Ziel in Deutschland, bei dem Wettbewerb andrer
Nationen, die auch internationale Kunstausstellungen haben wollen, ohne schwere,
unberechenbare Geldopfer uicht mehr zu erreichen ist. München hat diesen Um¬
schlag der Stimmung so bitter erfahren wie noch nie zuvor. Die Franzosen,
auf die man in München immer sicher gerechnet, mit denen man in schweren
Zeiten sogar den letzten Trumpf ausgespielt hat, sind dort in diesem Jahre nur
mit Werken vertreten, die die geringe Achtung der französischen Künstler vor
Deutschland oder vielmehr vor dem deutschen Kunstmarkt mit unverschämter
Aufrichtigkeit kennzeichnen, und in Dresden findet man auch nicht viel
besseres. Die Leitung der Dresdner Ausstellung ist aber, wie es scheint, von
vornherein so klug gewesen, auf ein Unternehmen im großen Stile zu verzichten.
Sie hat sich mit einer xg.i'8 pro wo begnügt, sie hat sich ans einen
Ausschnitt aus dem modernen Kunstschaffen beschränkt, und um gleich aufs
Ganze zu gehen, hat sie bei ihren Einladungen besonders die Künstler berück¬
sichtigt, die sich am meisten von der Überlieferung entfernt haben, und von
denen man eine Umwälzung in der modernen Kunst erwartet, deren Ziel vor¬
läufig noch in tiefem Nebel verborgen ist.

Nicht bloß einzelne Künstler, sondern auch Künstlervereinigungen haben
sich sowohl von jedem Zusammenhang mit der Kunstgeschichte als auch von
den alten Künstlerverbändcn losgesagt, um neue zu stiften. Der bekannteste


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[0228] Die großen Kunstausstellungen des Jahres dcirum eines Meister in der Beschränkung sind. Die Industrieausstellung von 1896 hat trotz der großen Konkurrentin in Berlin ohne Fehlbetrag abgeschlossen, und als Reingewinn ist der Stadt ein monumentales Ausstellungsgebände am Rande des großen Gartens geblieben, das allen Ausstellungszwecken, selbst denen einer Kunst- und Knnstgewerbeausstellung durch provisorische Einbänden, durch Dekorationen und sonstige Anordnungen angepaßt werden kann. Die Probe daraus ist in diesem Jahre gemacht worden, und sie ist glänzend aus¬ gefallen. Schwach oder ungenügend beleuchtete Räume wird es in jedem Kunst¬ ausstellungsgebäude geben, das auch nach außen hin seine Würde in künstlerischer Gestaltung offenbaren will. Aber so wenig Räume dieser von den Künstlern mit Recht gehaßten Art hat außer dein Dresdner kein andres Ausstellungs¬ gebände aufzuweisen. Ein besondres Verdienst ist das ja heute nicht mehr, nach der großen Summe von Erfahrungen, die auf dem Gebiete des modernen Ausstellungswesens gesammelt worden sind, und zumal in Dresden nicht, wo ein gewaltiger Platz zur Verfügung stand, dessen einsame Lage durch keine für reichlichen Lichtzufluß gefährliche Nachbarschaft bedroht wird. Bei weitem weniger beifallswürdig als das Gebäude, seine Dekoration und seine Einrichtung für den besondern Zweck ist sein Inhalt, wenn man nämlich den gewöhnlichen Maßstab internationaler Kunstausstellungen anlegt. Bisher hatte man geglaubt, daß diese alle Richtungen der Kunst eines Landes widerspiegeln müsse, um lehrreich und der Wahrheit entsprechend zu wirken. Es scheint aber, daß dieses Ziel in Deutschland, bei dem Wettbewerb andrer Nationen, die auch internationale Kunstausstellungen haben wollen, ohne schwere, unberechenbare Geldopfer uicht mehr zu erreichen ist. München hat diesen Um¬ schlag der Stimmung so bitter erfahren wie noch nie zuvor. Die Franzosen, auf die man in München immer sicher gerechnet, mit denen man in schweren Zeiten sogar den letzten Trumpf ausgespielt hat, sind dort in diesem Jahre nur mit Werken vertreten, die die geringe Achtung der französischen Künstler vor Deutschland oder vielmehr vor dem deutschen Kunstmarkt mit unverschämter Aufrichtigkeit kennzeichnen, und in Dresden findet man auch nicht viel besseres. Die Leitung der Dresdner Ausstellung ist aber, wie es scheint, von vornherein so klug gewesen, auf ein Unternehmen im großen Stile zu verzichten. Sie hat sich mit einer xg.i'8 pro wo begnügt, sie hat sich ans einen Ausschnitt aus dem modernen Kunstschaffen beschränkt, und um gleich aufs Ganze zu gehen, hat sie bei ihren Einladungen besonders die Künstler berück¬ sichtigt, die sich am meisten von der Überlieferung entfernt haben, und von denen man eine Umwälzung in der modernen Kunst erwartet, deren Ziel vor¬ läufig noch in tiefem Nebel verborgen ist. Nicht bloß einzelne Künstler, sondern auch Künstlervereinigungen haben sich sowohl von jedem Zusammenhang mit der Kunstgeschichte als auch von den alten Künstlerverbändcn losgesagt, um neue zu stiften. Der bekannteste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/228>, abgerufen am 29.06.2024.