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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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oder sonstige Einrichtungen des Staatswesens bekämpfen wollen, würden damit
nicht gegen das neue Gesetz verstoßen.

Was die in dem Gesetz anzudrohende Strafe anlangt, so würde ihr
Schwerpunkt darin zu liegen haben, daß die, die dem Gesetz zuwiderhandeln,
ein dem fernern Mißbrauch der staatsbürgerlichen Rechte auf eine gewisse Zeit
gehindert werden. Eine solche Strafe würde sowohl der politischen Natur des
Vergehens selbst wie auch dem Gefühl des Volkes für Recht und Billigkeit
entsprechen. Denn wer ein Gebäude von Grund aus einreißen will, kann nicht
beanspruchen, an den Arbeiten zu seiner weitern Erhaltung und Entwicklung
teilzunehmen. Auf den zeitweiligen Verlust der politischen Rechte, namentlich
des aktiven und passiven Wahlrechts, müßte daher in allen Fällen der Zuwider¬
handlung erkannt werden. Von der Gefängnisstrafe würde in Beziehung aus
die Dauer uur ein mäßiger Gebrauch zu machen und ganz davon abzusehen
sein, wenn mildernde Umstände vorliegen, z. B. in der ersten Zeit nach der
Einführung des Gesetzes, Verführten und Unwissenden gegenüber.

Um ferner Sicherheit dafür zu bieten, daß das Gesetz unabhängig von
den politischen Strömungen und den Machthabern gehandhabt werde, wäre
ausdrücklich zu bestimmen, daß Zuwiderhandlungen dagegen der Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte unterliegen.

Nach alledem würde den Hauptbestiminungen des Gesetzes etwa folgende
Fassung zu geben sein:

Wer Bestrebungen kundgiebt, fördert oder sich zu solchen bekennt, die darauf
abzielen, die erbliche Monarchie oder die auf den Wahlen des Volks beruhende
und mit dem Gesetzgebungs- und Steuerbewilligungsrecht ausgestattete Volks¬
vertretung eines BuudeLstants oder des Reichs zu beseitigen, wird, sofern er nicht
nach andern Vestinnnuugeu eine schwerere Strafe verwirkt hat, wegen Staats¬
verrats mit Gefängnis bestraft. Außerdem ist auf den Verlust der aus öffentlichen
Wahlen für deu Verurteilten hervorgegaugneu Rechte und auf die Unfähigkeit, in
öffentlichen Angelegenheiten zu stimme", zu wählen oder gewählt zu werden oder
andre politische Rechte auszuüben, auf die Dauer vou 3 bis 10 Jahren zu erkennen.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so kaun auf diesen Verlust und auf diese
Unfähigkeit allein erkannt werden.

Zuständigkeit und Verfahren richtet sich nach deu Vorschriften des Gerichts-
verfassuugsgesetzes und der Strafprozeßordnung.

Man wird vielleicht einwenden, daß ein ähnliches Gesetz bereits bestanden
und zwölf Jahre lang gegolten, nach allgemeinem Urteil aber den gewünschten
Erfolg nicht gehabt habe. Aber das vvrgeschlagne Gesetz unterscheidet sich von
dem frühern doch wesentlich dadurch, daß 1. es nicht bloß gegen sozialdemo-
kratische, sozialistische oder kommunistische Umsturzbestrebnngcn, sondern gegen
alle derartige Bestrebungen, mögen sie herkommen, von wem sie wollen, ge¬
richtet, mit andern Worten, daß es kein Ausnahmegesetz, sondern ein Gesetz
ist, dem alle Staatsbürger ohne Ausnahme unterworfen sind; 2. daß der


oder sonstige Einrichtungen des Staatswesens bekämpfen wollen, würden damit
nicht gegen das neue Gesetz verstoßen.

Was die in dem Gesetz anzudrohende Strafe anlangt, so würde ihr
Schwerpunkt darin zu liegen haben, daß die, die dem Gesetz zuwiderhandeln,
ein dem fernern Mißbrauch der staatsbürgerlichen Rechte auf eine gewisse Zeit
gehindert werden. Eine solche Strafe würde sowohl der politischen Natur des
Vergehens selbst wie auch dem Gefühl des Volkes für Recht und Billigkeit
entsprechen. Denn wer ein Gebäude von Grund aus einreißen will, kann nicht
beanspruchen, an den Arbeiten zu seiner weitern Erhaltung und Entwicklung
teilzunehmen. Auf den zeitweiligen Verlust der politischen Rechte, namentlich
des aktiven und passiven Wahlrechts, müßte daher in allen Fällen der Zuwider¬
handlung erkannt werden. Von der Gefängnisstrafe würde in Beziehung aus
die Dauer uur ein mäßiger Gebrauch zu machen und ganz davon abzusehen
sein, wenn mildernde Umstände vorliegen, z. B. in der ersten Zeit nach der
Einführung des Gesetzes, Verführten und Unwissenden gegenüber.

Um ferner Sicherheit dafür zu bieten, daß das Gesetz unabhängig von
den politischen Strömungen und den Machthabern gehandhabt werde, wäre
ausdrücklich zu bestimmen, daß Zuwiderhandlungen dagegen der Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte unterliegen.

Nach alledem würde den Hauptbestiminungen des Gesetzes etwa folgende
Fassung zu geben sein:

Wer Bestrebungen kundgiebt, fördert oder sich zu solchen bekennt, die darauf
abzielen, die erbliche Monarchie oder die auf den Wahlen des Volks beruhende
und mit dem Gesetzgebungs- und Steuerbewilligungsrecht ausgestattete Volks¬
vertretung eines BuudeLstants oder des Reichs zu beseitigen, wird, sofern er nicht
nach andern Vestinnnuugeu eine schwerere Strafe verwirkt hat, wegen Staats¬
verrats mit Gefängnis bestraft. Außerdem ist auf den Verlust der aus öffentlichen
Wahlen für deu Verurteilten hervorgegaugneu Rechte und auf die Unfähigkeit, in
öffentlichen Angelegenheiten zu stimme», zu wählen oder gewählt zu werden oder
andre politische Rechte auszuüben, auf die Dauer vou 3 bis 10 Jahren zu erkennen.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so kaun auf diesen Verlust und auf diese
Unfähigkeit allein erkannt werden.

Zuständigkeit und Verfahren richtet sich nach deu Vorschriften des Gerichts-
verfassuugsgesetzes und der Strafprozeßordnung.

Man wird vielleicht einwenden, daß ein ähnliches Gesetz bereits bestanden
und zwölf Jahre lang gegolten, nach allgemeinem Urteil aber den gewünschten
Erfolg nicht gehabt habe. Aber das vvrgeschlagne Gesetz unterscheidet sich von
dem frühern doch wesentlich dadurch, daß 1. es nicht bloß gegen sozialdemo-
kratische, sozialistische oder kommunistische Umsturzbestrebnngcn, sondern gegen
alle derartige Bestrebungen, mögen sie herkommen, von wem sie wollen, ge¬
richtet, mit andern Worten, daß es kein Ausnahmegesetz, sondern ein Gesetz
ist, dem alle Staatsbürger ohne Ausnahme unterworfen sind; 2. daß der


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[0214] oder sonstige Einrichtungen des Staatswesens bekämpfen wollen, würden damit nicht gegen das neue Gesetz verstoßen. Was die in dem Gesetz anzudrohende Strafe anlangt, so würde ihr Schwerpunkt darin zu liegen haben, daß die, die dem Gesetz zuwiderhandeln, ein dem fernern Mißbrauch der staatsbürgerlichen Rechte auf eine gewisse Zeit gehindert werden. Eine solche Strafe würde sowohl der politischen Natur des Vergehens selbst wie auch dem Gefühl des Volkes für Recht und Billigkeit entsprechen. Denn wer ein Gebäude von Grund aus einreißen will, kann nicht beanspruchen, an den Arbeiten zu seiner weitern Erhaltung und Entwicklung teilzunehmen. Auf den zeitweiligen Verlust der politischen Rechte, namentlich des aktiven und passiven Wahlrechts, müßte daher in allen Fällen der Zuwider¬ handlung erkannt werden. Von der Gefängnisstrafe würde in Beziehung aus die Dauer uur ein mäßiger Gebrauch zu machen und ganz davon abzusehen sein, wenn mildernde Umstände vorliegen, z. B. in der ersten Zeit nach der Einführung des Gesetzes, Verführten und Unwissenden gegenüber. Um ferner Sicherheit dafür zu bieten, daß das Gesetz unabhängig von den politischen Strömungen und den Machthabern gehandhabt werde, wäre ausdrücklich zu bestimmen, daß Zuwiderhandlungen dagegen der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte unterliegen. Nach alledem würde den Hauptbestiminungen des Gesetzes etwa folgende Fassung zu geben sein: Wer Bestrebungen kundgiebt, fördert oder sich zu solchen bekennt, die darauf abzielen, die erbliche Monarchie oder die auf den Wahlen des Volks beruhende und mit dem Gesetzgebungs- und Steuerbewilligungsrecht ausgestattete Volks¬ vertretung eines BuudeLstants oder des Reichs zu beseitigen, wird, sofern er nicht nach andern Vestinnnuugeu eine schwerere Strafe verwirkt hat, wegen Staats¬ verrats mit Gefängnis bestraft. Außerdem ist auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen für deu Verurteilten hervorgegaugneu Rechte und auf die Unfähigkeit, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimme», zu wählen oder gewählt zu werden oder andre politische Rechte auszuüben, auf die Dauer vou 3 bis 10 Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kaun auf diesen Verlust und auf diese Unfähigkeit allein erkannt werden. Zuständigkeit und Verfahren richtet sich nach deu Vorschriften des Gerichts- verfassuugsgesetzes und der Strafprozeßordnung. Man wird vielleicht einwenden, daß ein ähnliches Gesetz bereits bestanden und zwölf Jahre lang gegolten, nach allgemeinem Urteil aber den gewünschten Erfolg nicht gehabt habe. Aber das vvrgeschlagne Gesetz unterscheidet sich von dem frühern doch wesentlich dadurch, daß 1. es nicht bloß gegen sozialdemo- kratische, sozialistische oder kommunistische Umsturzbestrebnngcn, sondern gegen alle derartige Bestrebungen, mögen sie herkommen, von wem sie wollen, ge¬ richtet, mit andern Worten, daß es kein Ausnahmegesetz, sondern ein Gesetz ist, dem alle Staatsbürger ohne Ausnahme unterworfen sind; 2. daß der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/214>, abgerufen am 29.06.2024.