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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

Man hat an diesem und jenem Ort solchen unhaltbaren Verhältnissen abzu¬
helfen gesucht, und der cingeschlague Weg ist uicht unglücklich gewählt. Es wird
im Lause der Jahre durch einen allgemeinen Stenerznschlag eine Manöverkasse bis
zu einer bestimmten Höhe gesammelt. Kann oder will nun jemand die auf ihn
fallende Einquartierung nicht aufnehmen, so zahlt er täglich für deu Maun etwa
zwei Mark in die Gemeindekasse, und die Gemeinde quartiert die Leute aus diesen
Beträgen und den Zuschüssen ans der Kasse ein. Das ist ein Anfang zu aus¬
gleichender Gerechtigkeit. Schwer bleibt es immer noch für die Lehrerin, zwanzig
Mark zu zahle". Aber wie soll sie sich verhalten? Frei darf sie die gleich¬
machende Gerechtigkeit nicht lassen, und in ihrem einen Zimmer kann sie niemand
aufnehmen! Da siehe du zu!

Aus alledem geht wohl hervor, daß die Eiuquartierungsverhältnisse einer Um¬
gestaltung bedürfen. Dazu anzuregen ist der Zweck dieser Zeilen. Als Vorschlag
mag gelten: Die Einquartiernngslast ist vom ganzen Lande zu tragen; denn es ist
uicht gerecht, daß einzelne Gegenden davon betroffen, andre davon verschont bleiben.
Den von Einquartierung betroffnen Gemeinden wird eine so große Summe zur
Verfügung gestellt, daß in der Hauptsache dafür die Mannschaften bei freiwillig
sich meldenden Quartierwirten untergebracht werden können, oder die Gemeinde
belegt öffentliche Räume, wie Turnhallen, Schulen (Verlegung der Ferien) und
läßt gemeinschaftlich kochen.




Litteratur
Zur neuesten Handelspolitik. Sieben Abhandlungen von or. Alexander Peez, Mit¬
glied des° österreichischen Abgeordnetenhauses. (Wien, Georg Szelmst'i, 1dö7)

Einige von diesen Abhandlungen sind Vortrage, die der Verfasser von 1839
ab in der Versammlung österreichischer Volkswirte gehalten hat. An die jeweiligen
Zeitumstände und die jüngsten volkswirtschaftlichen und handelspolitischen Ereignisse
anknüpfend führt er in immer neuen interessanten Wendungen nud mit wechselndem
reichen Begründung5materinl den Gedanken aus, daß den drei Riesenmächten: Ru߬
land, England und Nordamerika gegenüber keiner der kleinen Staaten Mittel- und
Westeuropas seine Selbständigkeit zu behaupten vermöge, und daß es für sie keine
andre Rettung gebe, als den Zusammenschluß zu einem mitteleuropäischen Wirt¬
schaftsgebiete und Zollbuude. Er beleuchtet die Klugheit der russischen und der
englischen Politik wie die Thorheit der französischen Gloirepolitik, erzählt die Ent¬
wicklung des österreichischen Staates und schließt mit einer glänzenden Schilderung
der alten und der "euer Phönizier. Er giebt zu. daß die mitteleuropäische Politik
mit dem Abschluß des Dreibundes und den Handelsverträgen von 1892 einen
Anlauf zu der empfohlnen Politik genommen habe, bedauert aber, daß es eben bei
Anläufen geblieben sei, und daß je länger je wehr alle höhern Gesichtspunkte in
dem kleinlichen Feilschen um unbedeutende Augenblicksvorteile untergehen. Eut-
schieducr Feind jeder Art von Sozialismus. fürchtet er. daß die mitteleuropäischen
Staatswesen zwischen den beiden Mühlsteinen: Sozialismus und Militarismus


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Man hat an diesem und jenem Ort solchen unhaltbaren Verhältnissen abzu¬
helfen gesucht, und der cingeschlague Weg ist uicht unglücklich gewählt. Es wird
im Lause der Jahre durch einen allgemeinen Stenerznschlag eine Manöverkasse bis
zu einer bestimmten Höhe gesammelt. Kann oder will nun jemand die auf ihn
fallende Einquartierung nicht aufnehmen, so zahlt er täglich für deu Maun etwa
zwei Mark in die Gemeindekasse, und die Gemeinde quartiert die Leute aus diesen
Beträgen und den Zuschüssen ans der Kasse ein. Das ist ein Anfang zu aus¬
gleichender Gerechtigkeit. Schwer bleibt es immer noch für die Lehrerin, zwanzig
Mark zu zahle». Aber wie soll sie sich verhalten? Frei darf sie die gleich¬
machende Gerechtigkeit nicht lassen, und in ihrem einen Zimmer kann sie niemand
aufnehmen! Da siehe du zu!

Aus alledem geht wohl hervor, daß die Eiuquartierungsverhältnisse einer Um¬
gestaltung bedürfen. Dazu anzuregen ist der Zweck dieser Zeilen. Als Vorschlag
mag gelten: Die Einquartiernngslast ist vom ganzen Lande zu tragen; denn es ist
uicht gerecht, daß einzelne Gegenden davon betroffen, andre davon verschont bleiben.
Den von Einquartierung betroffnen Gemeinden wird eine so große Summe zur
Verfügung gestellt, daß in der Hauptsache dafür die Mannschaften bei freiwillig
sich meldenden Quartierwirten untergebracht werden können, oder die Gemeinde
belegt öffentliche Räume, wie Turnhallen, Schulen (Verlegung der Ferien) und
läßt gemeinschaftlich kochen.




Litteratur
Zur neuesten Handelspolitik. Sieben Abhandlungen von or. Alexander Peez, Mit¬
glied des° österreichischen Abgeordnetenhauses. (Wien, Georg Szelmst'i, 1dö7)

Einige von diesen Abhandlungen sind Vortrage, die der Verfasser von 1839
ab in der Versammlung österreichischer Volkswirte gehalten hat. An die jeweiligen
Zeitumstände und die jüngsten volkswirtschaftlichen und handelspolitischen Ereignisse
anknüpfend führt er in immer neuen interessanten Wendungen nud mit wechselndem
reichen Begründung5materinl den Gedanken aus, daß den drei Riesenmächten: Ru߬
land, England und Nordamerika gegenüber keiner der kleinen Staaten Mittel- und
Westeuropas seine Selbständigkeit zu behaupten vermöge, und daß es für sie keine
andre Rettung gebe, als den Zusammenschluß zu einem mitteleuropäischen Wirt¬
schaftsgebiete und Zollbuude. Er beleuchtet die Klugheit der russischen und der
englischen Politik wie die Thorheit der französischen Gloirepolitik, erzählt die Ent¬
wicklung des österreichischen Staates und schließt mit einer glänzenden Schilderung
der alten und der »euer Phönizier. Er giebt zu. daß die mitteleuropäische Politik
mit dem Abschluß des Dreibundes und den Handelsverträgen von 1892 einen
Anlauf zu der empfohlnen Politik genommen habe, bedauert aber, daß es eben bei
Anläufen geblieben sei, und daß je länger je wehr alle höhern Gesichtspunkte in
dem kleinlichen Feilschen um unbedeutende Augenblicksvorteile untergehen. Eut-
schieducr Feind jeder Art von Sozialismus. fürchtet er. daß die mitteleuropäischen
Staatswesen zwischen den beiden Mühlsteinen: Sozialismus und Militarismus


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[0207] Litteratur Man hat an diesem und jenem Ort solchen unhaltbaren Verhältnissen abzu¬ helfen gesucht, und der cingeschlague Weg ist uicht unglücklich gewählt. Es wird im Lause der Jahre durch einen allgemeinen Stenerznschlag eine Manöverkasse bis zu einer bestimmten Höhe gesammelt. Kann oder will nun jemand die auf ihn fallende Einquartierung nicht aufnehmen, so zahlt er täglich für deu Maun etwa zwei Mark in die Gemeindekasse, und die Gemeinde quartiert die Leute aus diesen Beträgen und den Zuschüssen ans der Kasse ein. Das ist ein Anfang zu aus¬ gleichender Gerechtigkeit. Schwer bleibt es immer noch für die Lehrerin, zwanzig Mark zu zahle». Aber wie soll sie sich verhalten? Frei darf sie die gleich¬ machende Gerechtigkeit nicht lassen, und in ihrem einen Zimmer kann sie niemand aufnehmen! Da siehe du zu! Aus alledem geht wohl hervor, daß die Eiuquartierungsverhältnisse einer Um¬ gestaltung bedürfen. Dazu anzuregen ist der Zweck dieser Zeilen. Als Vorschlag mag gelten: Die Einquartiernngslast ist vom ganzen Lande zu tragen; denn es ist uicht gerecht, daß einzelne Gegenden davon betroffen, andre davon verschont bleiben. Den von Einquartierung betroffnen Gemeinden wird eine so große Summe zur Verfügung gestellt, daß in der Hauptsache dafür die Mannschaften bei freiwillig sich meldenden Quartierwirten untergebracht werden können, oder die Gemeinde belegt öffentliche Räume, wie Turnhallen, Schulen (Verlegung der Ferien) und läßt gemeinschaftlich kochen. Litteratur Zur neuesten Handelspolitik. Sieben Abhandlungen von or. Alexander Peez, Mit¬ glied des° österreichischen Abgeordnetenhauses. (Wien, Georg Szelmst'i, 1dö7) Einige von diesen Abhandlungen sind Vortrage, die der Verfasser von 1839 ab in der Versammlung österreichischer Volkswirte gehalten hat. An die jeweiligen Zeitumstände und die jüngsten volkswirtschaftlichen und handelspolitischen Ereignisse anknüpfend führt er in immer neuen interessanten Wendungen nud mit wechselndem reichen Begründung5materinl den Gedanken aus, daß den drei Riesenmächten: Ru߬ land, England und Nordamerika gegenüber keiner der kleinen Staaten Mittel- und Westeuropas seine Selbständigkeit zu behaupten vermöge, und daß es für sie keine andre Rettung gebe, als den Zusammenschluß zu einem mitteleuropäischen Wirt¬ schaftsgebiete und Zollbuude. Er beleuchtet die Klugheit der russischen und der englischen Politik wie die Thorheit der französischen Gloirepolitik, erzählt die Ent¬ wicklung des österreichischen Staates und schließt mit einer glänzenden Schilderung der alten und der »euer Phönizier. Er giebt zu. daß die mitteleuropäische Politik mit dem Abschluß des Dreibundes und den Handelsverträgen von 1892 einen Anlauf zu der empfohlnen Politik genommen habe, bedauert aber, daß es eben bei Anläufen geblieben sei, und daß je länger je wehr alle höhern Gesichtspunkte in dem kleinlichen Feilschen um unbedeutende Augenblicksvorteile untergehen. Eut- schieducr Feind jeder Art von Sozialismus. fürchtet er. daß die mitteleuropäischen Staatswesen zwischen den beiden Mühlsteinen: Sozialismus und Militarismus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/207>, abgerufen am 29.06.2024.