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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Altbairische Wanderungen

Holzwand gemalte Zimmerausstattung, die man vor Jahren in einem primi¬
tiven Wirtshaus des Jsarthales bewundern konnte.

Und das alles muß man sich in eine Natur hineindenken, die der künst¬
lerischen Phantasie sehr viel bietet. Die bairische Hochebne ist allerdings, wie
ihr Name sagt, an vielen Stellen eben. Wer mit der Eisenbahn von München
nach Augsburg oder nach Dachau führt, sieht um sich herum nur Moor,
Heide, Wiese und Acker. Geht man aber eine halbe Stunde isaraufwärts, so
steht man an der Pforte eines tief eingeschnittnen Thales, dessen Hänge einen
der schönsten Buchenwälder tragen, und von dessen moräucnbesetzten Rändern
sich rechts und links eine im kleinen Nahmen ungemein mannichfaltige grüne,
waldreiche Landschaft ausbreitet. Es ist die ernst-liebliche Landschaft, in die
der grüne Würmsee und mit ihm Hunderte von kleinern Seen eingesenkt sind.
In Harlaching bei München bezeichnet eine Denktafel den Ort, wo Claude
Lorraine gemalt und seine Bewunderung des oberbairischen Himmels mit
seinem reichen Licht und seinen seinen Wolkengebildeu ausgesprochen huben soll.
In den Akten ist das zwar nicht; die Hauptsache ist aber, daß es in der Natur
ist. Der Himmel hat über der Hochebne, trotz des rauhen Klimas, eine wunder¬
bare Klarheit, und wenn die Sonne scheint, ist sie lichtreicher als unten im
Tiefland. Ich kam einmal mit einem Münchner Hhgieiniker zusammen, der
behauptete, die den Fremden anmutende Lustigkeit der Oberbaiern sei vor allem
dem vielen Licht in ihrer Atmosphäre zuzuschreiben. Ich glaube mehr an die
Mitgift der Stammeseigenschaften und an die im allgemeinen leichtern Lebens¬
bedingungen im dünnbevölkerte" Land, wiewohl es sehr eigentümlich ist, daß
die Zierden der Humorvolleu oberbairischen Dialektdichtung, Kobell und Stieler,
Kinder Eingewandcrter waren, jener von einem pfälzischen, dieser von einem
sächsischen Bater. Aber die Fliegenden Blätter sind allerdings echte Münchner
Kindln, und so sind es auch die heitern Volksstncke, die das Gärtnertheater und
die Schlierseer in ganz Deutschland populär gemacht haben. Von den Letzten
uns König Maximilians Dichterkreis ist Paul Hesse im Münchner Licht alt
geworden und Berliner geblieben, und Hermann Lingg, bairischer Schwabe,
ist in seinem lieben München ernst und tief geblieben, wie er am Schwäbischen
Meer geboren ward. Freuen wir nus trotzdem der hellen Sonne Ober-
baierns -- wenn sie scheint.

(Schluß folgt)




Altbairische Wanderungen

Holzwand gemalte Zimmerausstattung, die man vor Jahren in einem primi¬
tiven Wirtshaus des Jsarthales bewundern konnte.

Und das alles muß man sich in eine Natur hineindenken, die der künst¬
lerischen Phantasie sehr viel bietet. Die bairische Hochebne ist allerdings, wie
ihr Name sagt, an vielen Stellen eben. Wer mit der Eisenbahn von München
nach Augsburg oder nach Dachau führt, sieht um sich herum nur Moor,
Heide, Wiese und Acker. Geht man aber eine halbe Stunde isaraufwärts, so
steht man an der Pforte eines tief eingeschnittnen Thales, dessen Hänge einen
der schönsten Buchenwälder tragen, und von dessen moräucnbesetzten Rändern
sich rechts und links eine im kleinen Nahmen ungemein mannichfaltige grüne,
waldreiche Landschaft ausbreitet. Es ist die ernst-liebliche Landschaft, in die
der grüne Würmsee und mit ihm Hunderte von kleinern Seen eingesenkt sind.
In Harlaching bei München bezeichnet eine Denktafel den Ort, wo Claude
Lorraine gemalt und seine Bewunderung des oberbairischen Himmels mit
seinem reichen Licht und seinen seinen Wolkengebildeu ausgesprochen huben soll.
In den Akten ist das zwar nicht; die Hauptsache ist aber, daß es in der Natur
ist. Der Himmel hat über der Hochebne, trotz des rauhen Klimas, eine wunder¬
bare Klarheit, und wenn die Sonne scheint, ist sie lichtreicher als unten im
Tiefland. Ich kam einmal mit einem Münchner Hhgieiniker zusammen, der
behauptete, die den Fremden anmutende Lustigkeit der Oberbaiern sei vor allem
dem vielen Licht in ihrer Atmosphäre zuzuschreiben. Ich glaube mehr an die
Mitgift der Stammeseigenschaften und an die im allgemeinen leichtern Lebens¬
bedingungen im dünnbevölkerte» Land, wiewohl es sehr eigentümlich ist, daß
die Zierden der Humorvolleu oberbairischen Dialektdichtung, Kobell und Stieler,
Kinder Eingewandcrter waren, jener von einem pfälzischen, dieser von einem
sächsischen Bater. Aber die Fliegenden Blätter sind allerdings echte Münchner
Kindln, und so sind es auch die heitern Volksstncke, die das Gärtnertheater und
die Schlierseer in ganz Deutschland populär gemacht haben. Von den Letzten
uns König Maximilians Dichterkreis ist Paul Hesse im Münchner Licht alt
geworden und Berliner geblieben, und Hermann Lingg, bairischer Schwabe,
ist in seinem lieben München ernst und tief geblieben, wie er am Schwäbischen
Meer geboren ward. Freuen wir nus trotzdem der hellen Sonne Ober-
baierns — wenn sie scheint.

(Schluß folgt)




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[0199] Altbairische Wanderungen Holzwand gemalte Zimmerausstattung, die man vor Jahren in einem primi¬ tiven Wirtshaus des Jsarthales bewundern konnte. Und das alles muß man sich in eine Natur hineindenken, die der künst¬ lerischen Phantasie sehr viel bietet. Die bairische Hochebne ist allerdings, wie ihr Name sagt, an vielen Stellen eben. Wer mit der Eisenbahn von München nach Augsburg oder nach Dachau führt, sieht um sich herum nur Moor, Heide, Wiese und Acker. Geht man aber eine halbe Stunde isaraufwärts, so steht man an der Pforte eines tief eingeschnittnen Thales, dessen Hänge einen der schönsten Buchenwälder tragen, und von dessen moräucnbesetzten Rändern sich rechts und links eine im kleinen Nahmen ungemein mannichfaltige grüne, waldreiche Landschaft ausbreitet. Es ist die ernst-liebliche Landschaft, in die der grüne Würmsee und mit ihm Hunderte von kleinern Seen eingesenkt sind. In Harlaching bei München bezeichnet eine Denktafel den Ort, wo Claude Lorraine gemalt und seine Bewunderung des oberbairischen Himmels mit seinem reichen Licht und seinen seinen Wolkengebildeu ausgesprochen huben soll. In den Akten ist das zwar nicht; die Hauptsache ist aber, daß es in der Natur ist. Der Himmel hat über der Hochebne, trotz des rauhen Klimas, eine wunder¬ bare Klarheit, und wenn die Sonne scheint, ist sie lichtreicher als unten im Tiefland. Ich kam einmal mit einem Münchner Hhgieiniker zusammen, der behauptete, die den Fremden anmutende Lustigkeit der Oberbaiern sei vor allem dem vielen Licht in ihrer Atmosphäre zuzuschreiben. Ich glaube mehr an die Mitgift der Stammeseigenschaften und an die im allgemeinen leichtern Lebens¬ bedingungen im dünnbevölkerte» Land, wiewohl es sehr eigentümlich ist, daß die Zierden der Humorvolleu oberbairischen Dialektdichtung, Kobell und Stieler, Kinder Eingewandcrter waren, jener von einem pfälzischen, dieser von einem sächsischen Bater. Aber die Fliegenden Blätter sind allerdings echte Münchner Kindln, und so sind es auch die heitern Volksstncke, die das Gärtnertheater und die Schlierseer in ganz Deutschland populär gemacht haben. Von den Letzten uns König Maximilians Dichterkreis ist Paul Hesse im Münchner Licht alt geworden und Berliner geblieben, und Hermann Lingg, bairischer Schwabe, ist in seinem lieben München ernst und tief geblieben, wie er am Schwäbischen Meer geboren ward. Freuen wir nus trotzdem der hellen Sonne Ober- baierns — wenn sie scheint. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/199>, abgerufen am 29.06.2024.