Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.gut ist er nur für den Grundherrn und seine paar tausend Beamte, Wald¬ Eigentümliche Züge prägt das Hinübergreifen des bairischen Stammes an Mit verschiednen Mitteln verfolgen die Baiern diesseits und jenseits gut ist er nur für den Grundherrn und seine paar tausend Beamte, Wald¬ Eigentümliche Züge prägt das Hinübergreifen des bairischen Stammes an Mit verschiednen Mitteln verfolgen die Baiern diesseits und jenseits <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226422"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_463" prev="#ID_462"> gut ist er nur für den Grundherrn und seine paar tausend Beamte, Wald¬<lb/> hüter usw. Der österreichische Böhmerwaldbauer wohnt und ißt schlechter als<lb/> der bairische und weiß das auch sehr gut. Beiden gemein ist, hier kann man<lb/> sagen zum Glück, das bairische Phlegma, sonst wäre der Unterschied noch fühl¬<lb/> barer- Während sich aber der bairische Waldbauer auch der wohlthätigen Seite<lb/> dieser Nationaleigenschaft, nämlich der läßlichen, humanen Verwaltung erfreut,<lb/> die in dem wichtigen Fvrstfach immer rationeller geworden ist, hat der öster¬<lb/> reichische einen zum großen Teil tschechische Beamtenschaft über sich; und das<lb/> empfindet er noch stärker.</p><lb/> <p xml:id="ID_464"> Eigentümliche Züge prägt das Hinübergreifen des bairischen Stammes an<lb/> dieser Stelle den westlichen Dentschböhmen auf. Auch auf der böhmischen Seite<lb/> ist der Baier der Vertreter der Kraft und Derbheit, der Genußliebe und der<lb/> Frömmigkeit; aber er liebt nicht die geistige Anstrengung, läßt vieles an sich<lb/> vorbeigehen, ohne aufzusehen. Da zeigt der obersüchsische und der schlesische<lb/> Böhme einen ganz andern Charakter. Fast alle politisch und wissenschaftlich<lb/> bedeutenden Deutschböhmen stammen aus dem böhmischen Erzgebirge und<lb/> Mittelgebirge, hier liegt auch heute die politische Entscheidung über das Schicksal<lb/> der Deutschböhmen. Der Westen, wo der bairische Stamm im Pfälzerwald<lb/> und Böhmerwald vorherrscht, trägt wenig dazu bei. Im Böhmerwald und<lb/> im Oberpfälzer Wald mag die Armut und Abgelegenheit der dünnen, städte¬<lb/> losen Bevölkerung eine gewisse Apathie erzeugen. Was für Geistesgaben aber<lb/> hier in der Stille heranwachsen, davon sind Gluck und Adalbert Stifter Zeugen.<lb/> Im Egerlande haben wir dagegen einen der reichsten Teile Böhmens, eine<lb/> blühende, verkehrsreiche Stadt und einen urkräftiger Bauernstand. Aber was<lb/> die Egerlünder sür das Deutschtum leisten, das machen sie mit Saufen ab,<lb/> sagt man im übrigen Böhmen. Wo es gilt, einen großartigen Kommers zu<lb/> feiern, da müssen die Egerlünder heran mit ihrer echt bairischen Festfreudigkeit.<lb/> Der Unterschied greift bis nach Oberfranken hinüber. Selbst im Königreich<lb/> Sachsen kann man in dem germanischen Teil, im Vogtlande, die bairisch-ober-<lb/> fränkischen Charakterzüge noch recht gut durchfühlen, obwohl gegen Sachsen<lb/> gerade wie im Fichtelgebirge auch die konfessionelle Grenze zwischen Katholiken<lb/> und Protestanten sehr merklich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_465" next="#ID_466"> Mit verschiednen Mitteln verfolgen die Baiern diesseits und jenseits<lb/> der Grenze mit demselben Eifer, der gleichen liebevollen Hingebung den<lb/> gleichen Zweck, die Pflege des Leibes. Den Hauptunterschied macht dabei<lb/> eigentlich nur das Getränk. Der Baier trinkt fast nur Bier, der Böhme und<lb/> Österreicher wechseln mit Wein ab, wobei sich das Unerwartete herausstellt,<lb/> daß der Wein hier gerade so massenhaft genossen wird, wie dort das Bier.<lb/> In den kleinen Städten Niedcrösterreichs trinkt der Bürgersmann nicht selten<lb/> an einem Abend seine sechs bis acht „Halbe" Wein. Dieser österreichische<lb/> Wein ist allerdings etwas teurer als das bairische Vier. Für 20 bis</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
gut ist er nur für den Grundherrn und seine paar tausend Beamte, Wald¬
hüter usw. Der österreichische Böhmerwaldbauer wohnt und ißt schlechter als
der bairische und weiß das auch sehr gut. Beiden gemein ist, hier kann man
sagen zum Glück, das bairische Phlegma, sonst wäre der Unterschied noch fühl¬
barer- Während sich aber der bairische Waldbauer auch der wohlthätigen Seite
dieser Nationaleigenschaft, nämlich der läßlichen, humanen Verwaltung erfreut,
die in dem wichtigen Fvrstfach immer rationeller geworden ist, hat der öster¬
reichische einen zum großen Teil tschechische Beamtenschaft über sich; und das
empfindet er noch stärker.
Eigentümliche Züge prägt das Hinübergreifen des bairischen Stammes an
dieser Stelle den westlichen Dentschböhmen auf. Auch auf der böhmischen Seite
ist der Baier der Vertreter der Kraft und Derbheit, der Genußliebe und der
Frömmigkeit; aber er liebt nicht die geistige Anstrengung, läßt vieles an sich
vorbeigehen, ohne aufzusehen. Da zeigt der obersüchsische und der schlesische
Böhme einen ganz andern Charakter. Fast alle politisch und wissenschaftlich
bedeutenden Deutschböhmen stammen aus dem böhmischen Erzgebirge und
Mittelgebirge, hier liegt auch heute die politische Entscheidung über das Schicksal
der Deutschböhmen. Der Westen, wo der bairische Stamm im Pfälzerwald
und Böhmerwald vorherrscht, trägt wenig dazu bei. Im Böhmerwald und
im Oberpfälzer Wald mag die Armut und Abgelegenheit der dünnen, städte¬
losen Bevölkerung eine gewisse Apathie erzeugen. Was für Geistesgaben aber
hier in der Stille heranwachsen, davon sind Gluck und Adalbert Stifter Zeugen.
Im Egerlande haben wir dagegen einen der reichsten Teile Böhmens, eine
blühende, verkehrsreiche Stadt und einen urkräftiger Bauernstand. Aber was
die Egerlünder sür das Deutschtum leisten, das machen sie mit Saufen ab,
sagt man im übrigen Böhmen. Wo es gilt, einen großartigen Kommers zu
feiern, da müssen die Egerlünder heran mit ihrer echt bairischen Festfreudigkeit.
Der Unterschied greift bis nach Oberfranken hinüber. Selbst im Königreich
Sachsen kann man in dem germanischen Teil, im Vogtlande, die bairisch-ober-
fränkischen Charakterzüge noch recht gut durchfühlen, obwohl gegen Sachsen
gerade wie im Fichtelgebirge auch die konfessionelle Grenze zwischen Katholiken
und Protestanten sehr merklich ist.
Mit verschiednen Mitteln verfolgen die Baiern diesseits und jenseits
der Grenze mit demselben Eifer, der gleichen liebevollen Hingebung den
gleichen Zweck, die Pflege des Leibes. Den Hauptunterschied macht dabei
eigentlich nur das Getränk. Der Baier trinkt fast nur Bier, der Böhme und
Österreicher wechseln mit Wein ab, wobei sich das Unerwartete herausstellt,
daß der Wein hier gerade so massenhaft genossen wird, wie dort das Bier.
In den kleinen Städten Niedcrösterreichs trinkt der Bürgersmann nicht selten
an einem Abend seine sechs bis acht „Halbe" Wein. Dieser österreichische
Wein ist allerdings etwas teurer als das bairische Vier. Für 20 bis
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