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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Altbairische Wanderungen

nationalen Idee, die mit ihnen unlösbar verknüpft war, bis an sein Ende
hinan immer vorwärts tragen; er lebte in der neuen Zeit und blieb ihr Haupt."
Die Monarchie behielt die Führung, und auch jenes Altpreußentum, in dem
Marcks den eigentlichen Kern der Persönlichkeit Wilhelms I. sieht, durchdrang
wieder belebend und als fester Rückhalt die neuen Verhältnisse. "Das ganze
alte Preußen mit seiner Tüchtigkeit und seiner Autorität, seinem Schatze an
sittlicher Energie und an fester Einheit seines Heeres, seines Staates, seines
in Leistung und Stellung nun von neuem erhöhten und gestärkten Beamten-
tums -- deutlicher und maßgebender als je zuvor bethätigt es sich unter all den
neuartigen Antrieben im deutschen Dasein der neuen Zeit. Dieses alte Preußen
aber war Kaiser Wilhelm."

Glücklich -- abgesehen von dem persönlichen Leid seiner letzten Tage --
durfte der greise Herrscher sein Haupt zur Ruhe legen; getrosten Mutes durfte
er vor seine Ahnen hintreten: einer gewaltigen Zeit preußischer und deutscher
Größe hat auch er -- nicht er allein und "nicht als Wilhelm der Große,
soviel Großes wahrlich an ihm ist," aber doch auch gar nicht wegzudenken --
den Stempel seiner Eigenart aufgeprägt.




Altbairische Wanderungen
(Fortsetzung)
3

le steilen, zum Teil schroff fclsenhaft in die Donau abfallenden
Hügel, von denen die Weiße Walhalla herunterschaut, breiten
sich jenseits Straubing zu Waldbergen aus, deren breite, runde
Formen an den Schwarzwald erinnern. Es ist eine der wald¬
reichsten Landschaften Mitteleuropas. Von manchem Gipfel im
Bairischen Wald erblickt das Auge des Wanderers nichts als Wald, soweit
es reicht, hie und da einen dunkeln Seespiegel, eine graue oder rötlichgraue
Granitwand oder einen weißen Quarzfels. An einem kühlen Apriltage, wo
der Schnee noch überall in den Wäldern liegt und an den Waldrändern heraus¬
schaue, der Wald selbst fast schwarz unter einer tiefhängenden grauen Wolken¬
decke steht, und die Bergwiesen fahl, kaum grün angehaucht sind, ist die Land¬
schaft fast melancholisch. Es ist das kälteste, was man sich denken kann.


Altbairische Wanderungen

nationalen Idee, die mit ihnen unlösbar verknüpft war, bis an sein Ende
hinan immer vorwärts tragen; er lebte in der neuen Zeit und blieb ihr Haupt."
Die Monarchie behielt die Führung, und auch jenes Altpreußentum, in dem
Marcks den eigentlichen Kern der Persönlichkeit Wilhelms I. sieht, durchdrang
wieder belebend und als fester Rückhalt die neuen Verhältnisse. „Das ganze
alte Preußen mit seiner Tüchtigkeit und seiner Autorität, seinem Schatze an
sittlicher Energie und an fester Einheit seines Heeres, seines Staates, seines
in Leistung und Stellung nun von neuem erhöhten und gestärkten Beamten-
tums — deutlicher und maßgebender als je zuvor bethätigt es sich unter all den
neuartigen Antrieben im deutschen Dasein der neuen Zeit. Dieses alte Preußen
aber war Kaiser Wilhelm."

Glücklich — abgesehen von dem persönlichen Leid seiner letzten Tage —
durfte der greise Herrscher sein Haupt zur Ruhe legen; getrosten Mutes durfte
er vor seine Ahnen hintreten: einer gewaltigen Zeit preußischer und deutscher
Größe hat auch er — nicht er allein und „nicht als Wilhelm der Große,
soviel Großes wahrlich an ihm ist," aber doch auch gar nicht wegzudenken —
den Stempel seiner Eigenart aufgeprägt.




Altbairische Wanderungen
(Fortsetzung)
3

le steilen, zum Teil schroff fclsenhaft in die Donau abfallenden
Hügel, von denen die Weiße Walhalla herunterschaut, breiten
sich jenseits Straubing zu Waldbergen aus, deren breite, runde
Formen an den Schwarzwald erinnern. Es ist eine der wald¬
reichsten Landschaften Mitteleuropas. Von manchem Gipfel im
Bairischen Wald erblickt das Auge des Wanderers nichts als Wald, soweit
es reicht, hie und da einen dunkeln Seespiegel, eine graue oder rötlichgraue
Granitwand oder einen weißen Quarzfels. An einem kühlen Apriltage, wo
der Schnee noch überall in den Wäldern liegt und an den Waldrändern heraus¬
schaue, der Wald selbst fast schwarz unter einer tiefhängenden grauen Wolken¬
decke steht, und die Bergwiesen fahl, kaum grün angehaucht sind, ist die Land¬
schaft fast melancholisch. Es ist das kälteste, was man sich denken kann.


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[0190] Altbairische Wanderungen nationalen Idee, die mit ihnen unlösbar verknüpft war, bis an sein Ende hinan immer vorwärts tragen; er lebte in der neuen Zeit und blieb ihr Haupt." Die Monarchie behielt die Führung, und auch jenes Altpreußentum, in dem Marcks den eigentlichen Kern der Persönlichkeit Wilhelms I. sieht, durchdrang wieder belebend und als fester Rückhalt die neuen Verhältnisse. „Das ganze alte Preußen mit seiner Tüchtigkeit und seiner Autorität, seinem Schatze an sittlicher Energie und an fester Einheit seines Heeres, seines Staates, seines in Leistung und Stellung nun von neuem erhöhten und gestärkten Beamten- tums — deutlicher und maßgebender als je zuvor bethätigt es sich unter all den neuartigen Antrieben im deutschen Dasein der neuen Zeit. Dieses alte Preußen aber war Kaiser Wilhelm." Glücklich — abgesehen von dem persönlichen Leid seiner letzten Tage — durfte der greise Herrscher sein Haupt zur Ruhe legen; getrosten Mutes durfte er vor seine Ahnen hintreten: einer gewaltigen Zeit preußischer und deutscher Größe hat auch er — nicht er allein und „nicht als Wilhelm der Große, soviel Großes wahrlich an ihm ist," aber doch auch gar nicht wegzudenken — den Stempel seiner Eigenart aufgeprägt. Altbairische Wanderungen (Fortsetzung) 3 le steilen, zum Teil schroff fclsenhaft in die Donau abfallenden Hügel, von denen die Weiße Walhalla herunterschaut, breiten sich jenseits Straubing zu Waldbergen aus, deren breite, runde Formen an den Schwarzwald erinnern. Es ist eine der wald¬ reichsten Landschaften Mitteleuropas. Von manchem Gipfel im Bairischen Wald erblickt das Auge des Wanderers nichts als Wald, soweit es reicht, hie und da einen dunkeln Seespiegel, eine graue oder rötlichgraue Granitwand oder einen weißen Quarzfels. An einem kühlen Apriltage, wo der Schnee noch überall in den Wäldern liegt und an den Waldrändern heraus¬ schaue, der Wald selbst fast schwarz unter einer tiefhängenden grauen Wolken¬ decke steht, und die Bergwiesen fahl, kaum grün angehaucht sind, ist die Land¬ schaft fast melancholisch. Es ist das kälteste, was man sich denken kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/190>, abgerufen am 29.06.2024.