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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Hauses gesehen und mir von Kennern erzählen lassen, daß in alten Häusern
der Traunsteiner Gegend uraltes Balkenwerk mit herausgeschnitzten geknoteten
Strickleisten erhalten sei. Ein großer Feind des Alten ist in Altbaiern
das Feuer. Ein vom Blitz getroffner oder sonstwie in Brand geratner
Einödhof ist natürlich fast rettungslos verloren. Die Höhen, auf denen die
ältesten Höfe liegen, sind im Nagelfluhgebiet wasserarm. Brandstiftung dürfte
kaum in einem andern Teile Deutschlands so häufig sein; sie ist nicht selten
die Rache entlassener schlechter Dienstboten, leider auch des gekränkten Bauern¬
ehrgeizes und manchmal sogar der verschmähten Liebe.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Sonntagsheiligung.

"Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Ge¬
schäfte besorgen; der siebente Tag aber ist die Ruhe des Herrn, deines Gottes;
an diesem Tage, dem Sabbath, sollst du keine Arbeit verrichten, weder du, noch
dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein
Ochs, noch dein Esel, noch all dein Vieh, noch der Fremdling, der in- deinen
Mauern weilt; gedenke, daß du selbst ein Sklave gewesen bist im Lande Ägypten,
und daß dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und ausgerecktem Arm daraus
erlöst hat." Es giebt wenig gleich große Worte unter all den zahllosen großen
Worten des großen heiligen Buches, noch weniger, die durch all die Jahrtausende
hindurch eine gleich gewaltige und gleich wohlthätige und dabei ficht- und greifbare
Wirkung geübt hätten. Das Wort enthält die grundsätzliche Aufhebung der Sklaverei
und die thatsächliche Aushebung dessen, was unerträglich und was entehrend ist in
der Sklaverei. Jede noch so widerwärtige Arbeit läßt sich ertragen, wenn auf
die Arbeit ein Feierabend und ans die sechs sauern Tage ein frohes Fest der Ruhe
folgt, völlig unerträglich wird die Plackerei erst, wenn sie Tag für Tag ununter¬
brochen fortgeht. Und sobald der Sklave als ein Mensch anerkannt ist, der nicht
bloß als Arbeitswerkzeug betrachtet und behandelt werden darf,' weil sich Gott um
ihn kümmert und will, daß auch er seines Lebens froh werde, ist der Sklaverei
das Entehrende genommen; die gemeinsame Ruhe und Feier, die auf die gemein¬
same Arbeit folgt, verbindet den Sklaven mit der Familie, macht ihn zum Familien¬
gliede und erhebt ihn zur Persönlichkeit. Denn auch die Arbeit ist ja gemeinsam,
da dasselbe Gebot, das dem Sklaven die Ruhe sichert, dem Herrn die Pflicht der
Arbeit auferlegt: Sechs Tage sollst du arbeiten! Nicht befiehlt der Herr, daß man
am Sabbath opfere und gottesdienstliche Versammlungen besuche. Nur die Ruhe,
die Erholung befiehlt er; das Gebot ist ein reines Humauitätsgebot. Freilich, als
ein biblisches, nicht ohne Beziehung auf Gott; zu seiner Ehre soll alles geschehen,
was geschieht, soll auch der Sabbath gefeiert werden, und darum ist die Sabbath-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Hauses gesehen und mir von Kennern erzählen lassen, daß in alten Häusern
der Traunsteiner Gegend uraltes Balkenwerk mit herausgeschnitzten geknoteten
Strickleisten erhalten sei. Ein großer Feind des Alten ist in Altbaiern
das Feuer. Ein vom Blitz getroffner oder sonstwie in Brand geratner
Einödhof ist natürlich fast rettungslos verloren. Die Höhen, auf denen die
ältesten Höfe liegen, sind im Nagelfluhgebiet wasserarm. Brandstiftung dürfte
kaum in einem andern Teile Deutschlands so häufig sein; sie ist nicht selten
die Rache entlassener schlechter Dienstboten, leider auch des gekränkten Bauern¬
ehrgeizes und manchmal sogar der verschmähten Liebe.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Sonntagsheiligung.

„Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Ge¬
schäfte besorgen; der siebente Tag aber ist die Ruhe des Herrn, deines Gottes;
an diesem Tage, dem Sabbath, sollst du keine Arbeit verrichten, weder du, noch
dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein
Ochs, noch dein Esel, noch all dein Vieh, noch der Fremdling, der in- deinen
Mauern weilt; gedenke, daß du selbst ein Sklave gewesen bist im Lande Ägypten,
und daß dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und ausgerecktem Arm daraus
erlöst hat." Es giebt wenig gleich große Worte unter all den zahllosen großen
Worten des großen heiligen Buches, noch weniger, die durch all die Jahrtausende
hindurch eine gleich gewaltige und gleich wohlthätige und dabei ficht- und greifbare
Wirkung geübt hätten. Das Wort enthält die grundsätzliche Aufhebung der Sklaverei
und die thatsächliche Aushebung dessen, was unerträglich und was entehrend ist in
der Sklaverei. Jede noch so widerwärtige Arbeit läßt sich ertragen, wenn auf
die Arbeit ein Feierabend und ans die sechs sauern Tage ein frohes Fest der Ruhe
folgt, völlig unerträglich wird die Plackerei erst, wenn sie Tag für Tag ununter¬
brochen fortgeht. Und sobald der Sklave als ein Mensch anerkannt ist, der nicht
bloß als Arbeitswerkzeug betrachtet und behandelt werden darf,' weil sich Gott um
ihn kümmert und will, daß auch er seines Lebens froh werde, ist der Sklaverei
das Entehrende genommen; die gemeinsame Ruhe und Feier, die auf die gemein¬
same Arbeit folgt, verbindet den Sklaven mit der Familie, macht ihn zum Familien¬
gliede und erhebt ihn zur Persönlichkeit. Denn auch die Arbeit ist ja gemeinsam,
da dasselbe Gebot, das dem Sklaven die Ruhe sichert, dem Herrn die Pflicht der
Arbeit auferlegt: Sechs Tage sollst du arbeiten! Nicht befiehlt der Herr, daß man
am Sabbath opfere und gottesdienstliche Versammlungen besuche. Nur die Ruhe,
die Erholung befiehlt er; das Gebot ist ein reines Humauitätsgebot. Freilich, als
ein biblisches, nicht ohne Beziehung auf Gott; zu seiner Ehre soll alles geschehen,
was geschieht, soll auch der Sabbath gefeiert werden, und darum ist die Sabbath-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/152>, abgerufen am 29.06.2024.