Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Vererbung sich von Geschlecht zu Geschlecht vererdenden schöpferischen Substanz bei jeder Bei der Beschreibung der verwickelten Arbeit, die zur Wiederherstellung An vielen Stellen seiner Werke spricht Weismann die Ansicht aus, es Vererbung sich von Geschlecht zu Geschlecht vererdenden schöpferischen Substanz bei jeder Bei der Beschreibung der verwickelten Arbeit, die zur Wiederherstellung An vielen Stellen seiner Werke spricht Weismann die Ansicht aus, es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225657"/> <fw type="header" place="top"> Vererbung</fw><lb/> <p xml:id="ID_164" prev="#ID_163"> sich von Geschlecht zu Geschlecht vererdenden schöpferischen Substanz bei jeder<lb/> neuen Zeugung Vater und Mutter einen quantitativ gleich großen Beitrag<lb/> Aesern. Ist damit eines der Geheimnisse des organischen Lebens und der Ver¬<lb/> erbung erklärt? Sind wir damit der Ergründung dieser Geheimnisse auch<lb/> nur um einen Schritt näher gerückt?</p><lb/> <p xml:id="ID_165"> Bei der Beschreibung der verwickelten Arbeit, die zur Wiederherstellung<lb/> eines abgeschnittenen Salamanderbeines gehört, äußert er ^ 133: ,.^an<lb/> sollte meinen, es könne eine so komplizirte Bildung nicht lediglich von dem<lb/> Zusammenwirken wuchernder Zellen zu stände gebracht werden, es müsse eine<lb/> unsichtbare Oberleitung, ein LxiriwL rsowr, eine Vis kornativa über ihnen<lb/> stehen und ihre Vermehrung und Aneinanderlegnng leiten." Ja sreüich sollte<lb/> man das meinen, nicht bloß bei der Wiederherstellung, sondern schon beim ersten<lb/> Aufbau des Molchbeines, und nicht bloß beim Beine des Molches, sondern<lb/> noch mehr beim Kopf eines großen Gelehrten, wie Weismann einer ist, und<lb/> alle nicht von hartnäckigem Vorurteil verblendeten Leute. Philosophen wie<lb/> ungelehrte Hirten, die einen offnen Sinn sür die Natur hatten, haben es von<lb/> jeher gemeint. Und wenn Weismann zu einem andern Ergebnis kommt und<lb/> auf Seite 141 schreibt: „Der Nisus toimMvus steigt von seiner bisherigen<lb/> Höhe als eine einheitliche, das Ganze beherrschende Kraft herab und zerteilt<lb/> sich in unendlich viele Einzelkräfte oder besser materielle Teile, von denen<lb/> jeder in einer einzelnen Zelle seinen Sitz hat und dieser ihren Lebensgang<lb/> vorschreibt, und von denen jeder so genau nach seiner Art bestimmt und nach<lb/> seinem Sitz verteilt ist, daß aus dem Zusammenwirken aller ein vernünftiges<lb/> Ganze, z. B. eine Knochenkette samt Gelenkkapseln und Bändern, samt Muskeln.<lb/> Nerven, Gefäßen. Bindegewebe und Haut werden muß," wenn er so spricht,<lb/> so sind das Worte, nichts als Worte, denn jeder Verständige fragt sofort:<lb/> Von wem sind diese materiellen Teile bestimmt und verteilt? Wie können<lb/> materielle Teile, die doch noch einige Stufen tiefer stehen als Handlanger,<lb/> für sich allein ein Gebäude ausführen? Wie kann „ein vernünftiges Ganze"<lb/> herauskommen wo keine Vernunft waltet?</p><lb/> <p xml:id="ID_166" next="#ID_167"> An vielen Stellen seiner Werke spricht Weismann die Ansicht aus, es<lb/> sei die Aufgabe der Naturwissenschaften, die Natur „aus den bekannten Kräften"<lb/> zu erklären, deshalb dürfe man den metaphysischen Weltgrund in die Natur¬<lb/> erklärung nicht hineinbringen. Ganz besonders hat er diesen Gedanken hervor¬<lb/> gehoben in einer Polemik gegen Lord Salisbury, der einen in England ge¬<lb/> haltenen Vortrag Weismanns kritisirt hatte. Aufgabe der Naturforschung,<lb/> schreibt er da unter anderm, sei es, die Erscheinungen aus den physischen<lb/> Kräften abzuleiten, und sobald sie für eine Erscheinung — hier also für die<lb/> Zweckmäßigkeit der Organismen — einen Erklärungsgrund gefunden zu haben<lb/> glaube, so habe sie keine Wahl, sondern müsse ihn annehmen. (Salis¬<lb/> bury hatte geäußert: in der Politik komme es freilich ost vor, daß man sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
Vererbung
sich von Geschlecht zu Geschlecht vererdenden schöpferischen Substanz bei jeder
neuen Zeugung Vater und Mutter einen quantitativ gleich großen Beitrag
Aesern. Ist damit eines der Geheimnisse des organischen Lebens und der Ver¬
erbung erklärt? Sind wir damit der Ergründung dieser Geheimnisse auch
nur um einen Schritt näher gerückt?
Bei der Beschreibung der verwickelten Arbeit, die zur Wiederherstellung
eines abgeschnittenen Salamanderbeines gehört, äußert er ^ 133: ,.^an
sollte meinen, es könne eine so komplizirte Bildung nicht lediglich von dem
Zusammenwirken wuchernder Zellen zu stände gebracht werden, es müsse eine
unsichtbare Oberleitung, ein LxiriwL rsowr, eine Vis kornativa über ihnen
stehen und ihre Vermehrung und Aneinanderlegnng leiten." Ja sreüich sollte
man das meinen, nicht bloß bei der Wiederherstellung, sondern schon beim ersten
Aufbau des Molchbeines, und nicht bloß beim Beine des Molches, sondern
noch mehr beim Kopf eines großen Gelehrten, wie Weismann einer ist, und
alle nicht von hartnäckigem Vorurteil verblendeten Leute. Philosophen wie
ungelehrte Hirten, die einen offnen Sinn sür die Natur hatten, haben es von
jeher gemeint. Und wenn Weismann zu einem andern Ergebnis kommt und
auf Seite 141 schreibt: „Der Nisus toimMvus steigt von seiner bisherigen
Höhe als eine einheitliche, das Ganze beherrschende Kraft herab und zerteilt
sich in unendlich viele Einzelkräfte oder besser materielle Teile, von denen
jeder in einer einzelnen Zelle seinen Sitz hat und dieser ihren Lebensgang
vorschreibt, und von denen jeder so genau nach seiner Art bestimmt und nach
seinem Sitz verteilt ist, daß aus dem Zusammenwirken aller ein vernünftiges
Ganze, z. B. eine Knochenkette samt Gelenkkapseln und Bändern, samt Muskeln.
Nerven, Gefäßen. Bindegewebe und Haut werden muß," wenn er so spricht,
so sind das Worte, nichts als Worte, denn jeder Verständige fragt sofort:
Von wem sind diese materiellen Teile bestimmt und verteilt? Wie können
materielle Teile, die doch noch einige Stufen tiefer stehen als Handlanger,
für sich allein ein Gebäude ausführen? Wie kann „ein vernünftiges Ganze"
herauskommen wo keine Vernunft waltet?
An vielen Stellen seiner Werke spricht Weismann die Ansicht aus, es
sei die Aufgabe der Naturwissenschaften, die Natur „aus den bekannten Kräften"
zu erklären, deshalb dürfe man den metaphysischen Weltgrund in die Natur¬
erklärung nicht hineinbringen. Ganz besonders hat er diesen Gedanken hervor¬
gehoben in einer Polemik gegen Lord Salisbury, der einen in England ge¬
haltenen Vortrag Weismanns kritisirt hatte. Aufgabe der Naturforschung,
schreibt er da unter anderm, sei es, die Erscheinungen aus den physischen
Kräften abzuleiten, und sobald sie für eine Erscheinung — hier also für die
Zweckmäßigkeit der Organismen — einen Erklärungsgrund gefunden zu haben
glaube, so habe sie keine Wahl, sondern müsse ihn annehmen. (Salis¬
bury hatte geäußert: in der Politik komme es freilich ost vor, daß man sich
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