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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zum Heimatschutz

mit Nachdenken seinen Acker bebaut, der sein Gut Jahr für Jahr besser werden
sieht, der seine Ersparnisse zur Verbesserung seiner Äcker und Wiesen verwenden
kann; er kann daher denen, die über schlechte Getreidepreise klagen, entgegen¬
halten: "Nun ja, wir ernten aber auch mehr als früher."

Nehmen wir nur ein Beispiel: ein bäuerlicher Besitzer hat, wie es in
den Gegenden des zersplitterten Grundbesitzes die Regel war, seine sechzig
Morgen in vielen kleinen Parzellen durch die Feldmark zerstreut liegen, teils
in ebner, teils in bergiger Lage. Die Bearbeitung verschlingt unnötig viel
Zeit wegen des Umherziehens von einer Parzelle zur andern, die Beauf¬
sichtigung der Leute ist ungeheuer erschwert, das Land unterliegt wegen Mangel
an Wegen dem Flurzwang, nach dem in dem einen Teile der Felder nur
Wintersaat, in dem andern nur Sommersaat gesäet werden darf. Nach den
Bergen hinauf führen tiefe, schmale Hohlwege, die zugleich Wasserrillen sind;
werden sie befahren, so muß ein Knecht vorausgeschickt werden, der zusieht,
ob nicht von oben ein Gespann herunter kommt, da ein Aufbiegen und Um¬
biegen nicht möglich ist. Die Wege nach den Bergen sind so steil, daß Dünger
nur selten, nach einigen Stücken überhaupt nicht gefahren wird, ein Drainiren
ist nicht möglich, weil keine Gräben da sind, ebenso wenig ein Wirtschaften
mit Maschinen, weil die Stücke zu schmal sind. Die Wiesen leiden teilweise
unter ständiger Nässe und geben ungesundes Futter. Das Vieh wird auf Feld-
und Waldweide getrieben, ist zwar gesund, giebt aber nur geringen Milch¬
ertrag, weil die Wege zu weit, das Waldgras wenig nahrhaft ist; der Dünger
geht zum größten Teil verloren.

Nun kommt die Verkuppelung und Gemeinheitsteilung. Der Bauer er¬
hält nun seine sechzig Morgen in drei Acker- und einer Wiesenkoppel mit guten
Zuwegen und Entwässerungsanlagen. Jetzt kann er säen, was er will; er
kann entwässern und drainiren, er kann seine Leute besser beaufsichtigen. Nach
den Bergländereien sühren in mäßigen Steigungen Wege, seine Wiese ist
trocken; wo früher Binsen wuchsen, wächst jetzt Klee und gutes Futtergras,
er kann ein Pferd abschaffen und eine Milchkuh mehr ernähren. Weil er den
Dünger nach allen Stücken leicht bringen kann, weiß er ihn zu schätzen; er
legt seine Düngergrube jetzt so an, daß die Jauche nicht mehr wie früher die
Dorfstraße entlang abfließt, sondern seinem Lande zu gute kommt. Der
Hang, der früher der Weide diente, ist mit tausend Obstbüumen bepflanzt, die
die Gemeinde mit staatlicher Unterstützung und Anleitung angepflanzt hat.
Die Gemeinde ist stolz darauf und hofft, ihre Kommunallasten demnächst daraus
bestreikn zu können. Der einzelne Bauer sieht, daß diese Bäume ganz andern
Ertrag geben als die alten Bäume, die er in seinem Obstgarten hat; er erführe,
daß nur dann ein Baum gedeiht, wenn ein guter Pflanzung von guter Sorte
angesetzt wird, der richtig gepflanzt und gut gepflegt wird. Er macht es nun
in seinem Obstgarten nach und hat neue Freude und neuen Gewinn.


Zum Heimatschutz

mit Nachdenken seinen Acker bebaut, der sein Gut Jahr für Jahr besser werden
sieht, der seine Ersparnisse zur Verbesserung seiner Äcker und Wiesen verwenden
kann; er kann daher denen, die über schlechte Getreidepreise klagen, entgegen¬
halten: „Nun ja, wir ernten aber auch mehr als früher."

Nehmen wir nur ein Beispiel: ein bäuerlicher Besitzer hat, wie es in
den Gegenden des zersplitterten Grundbesitzes die Regel war, seine sechzig
Morgen in vielen kleinen Parzellen durch die Feldmark zerstreut liegen, teils
in ebner, teils in bergiger Lage. Die Bearbeitung verschlingt unnötig viel
Zeit wegen des Umherziehens von einer Parzelle zur andern, die Beauf¬
sichtigung der Leute ist ungeheuer erschwert, das Land unterliegt wegen Mangel
an Wegen dem Flurzwang, nach dem in dem einen Teile der Felder nur
Wintersaat, in dem andern nur Sommersaat gesäet werden darf. Nach den
Bergen hinauf führen tiefe, schmale Hohlwege, die zugleich Wasserrillen sind;
werden sie befahren, so muß ein Knecht vorausgeschickt werden, der zusieht,
ob nicht von oben ein Gespann herunter kommt, da ein Aufbiegen und Um¬
biegen nicht möglich ist. Die Wege nach den Bergen sind so steil, daß Dünger
nur selten, nach einigen Stücken überhaupt nicht gefahren wird, ein Drainiren
ist nicht möglich, weil keine Gräben da sind, ebenso wenig ein Wirtschaften
mit Maschinen, weil die Stücke zu schmal sind. Die Wiesen leiden teilweise
unter ständiger Nässe und geben ungesundes Futter. Das Vieh wird auf Feld-
und Waldweide getrieben, ist zwar gesund, giebt aber nur geringen Milch¬
ertrag, weil die Wege zu weit, das Waldgras wenig nahrhaft ist; der Dünger
geht zum größten Teil verloren.

Nun kommt die Verkuppelung und Gemeinheitsteilung. Der Bauer er¬
hält nun seine sechzig Morgen in drei Acker- und einer Wiesenkoppel mit guten
Zuwegen und Entwässerungsanlagen. Jetzt kann er säen, was er will; er
kann entwässern und drainiren, er kann seine Leute besser beaufsichtigen. Nach
den Bergländereien sühren in mäßigen Steigungen Wege, seine Wiese ist
trocken; wo früher Binsen wuchsen, wächst jetzt Klee und gutes Futtergras,
er kann ein Pferd abschaffen und eine Milchkuh mehr ernähren. Weil er den
Dünger nach allen Stücken leicht bringen kann, weiß er ihn zu schätzen; er
legt seine Düngergrube jetzt so an, daß die Jauche nicht mehr wie früher die
Dorfstraße entlang abfließt, sondern seinem Lande zu gute kommt. Der
Hang, der früher der Weide diente, ist mit tausend Obstbüumen bepflanzt, die
die Gemeinde mit staatlicher Unterstützung und Anleitung angepflanzt hat.
Die Gemeinde ist stolz darauf und hofft, ihre Kommunallasten demnächst daraus
bestreikn zu können. Der einzelne Bauer sieht, daß diese Bäume ganz andern
Ertrag geben als die alten Bäume, die er in seinem Obstgarten hat; er erführe,
daß nur dann ein Baum gedeiht, wenn ein guter Pflanzung von guter Sorte
angesetzt wird, der richtig gepflanzt und gut gepflegt wird. Er macht es nun
in seinem Obstgarten nach und hat neue Freude und neuen Gewinn.


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[0058] Zum Heimatschutz mit Nachdenken seinen Acker bebaut, der sein Gut Jahr für Jahr besser werden sieht, der seine Ersparnisse zur Verbesserung seiner Äcker und Wiesen verwenden kann; er kann daher denen, die über schlechte Getreidepreise klagen, entgegen¬ halten: „Nun ja, wir ernten aber auch mehr als früher." Nehmen wir nur ein Beispiel: ein bäuerlicher Besitzer hat, wie es in den Gegenden des zersplitterten Grundbesitzes die Regel war, seine sechzig Morgen in vielen kleinen Parzellen durch die Feldmark zerstreut liegen, teils in ebner, teils in bergiger Lage. Die Bearbeitung verschlingt unnötig viel Zeit wegen des Umherziehens von einer Parzelle zur andern, die Beauf¬ sichtigung der Leute ist ungeheuer erschwert, das Land unterliegt wegen Mangel an Wegen dem Flurzwang, nach dem in dem einen Teile der Felder nur Wintersaat, in dem andern nur Sommersaat gesäet werden darf. Nach den Bergen hinauf führen tiefe, schmale Hohlwege, die zugleich Wasserrillen sind; werden sie befahren, so muß ein Knecht vorausgeschickt werden, der zusieht, ob nicht von oben ein Gespann herunter kommt, da ein Aufbiegen und Um¬ biegen nicht möglich ist. Die Wege nach den Bergen sind so steil, daß Dünger nur selten, nach einigen Stücken überhaupt nicht gefahren wird, ein Drainiren ist nicht möglich, weil keine Gräben da sind, ebenso wenig ein Wirtschaften mit Maschinen, weil die Stücke zu schmal sind. Die Wiesen leiden teilweise unter ständiger Nässe und geben ungesundes Futter. Das Vieh wird auf Feld- und Waldweide getrieben, ist zwar gesund, giebt aber nur geringen Milch¬ ertrag, weil die Wege zu weit, das Waldgras wenig nahrhaft ist; der Dünger geht zum größten Teil verloren. Nun kommt die Verkuppelung und Gemeinheitsteilung. Der Bauer er¬ hält nun seine sechzig Morgen in drei Acker- und einer Wiesenkoppel mit guten Zuwegen und Entwässerungsanlagen. Jetzt kann er säen, was er will; er kann entwässern und drainiren, er kann seine Leute besser beaufsichtigen. Nach den Bergländereien sühren in mäßigen Steigungen Wege, seine Wiese ist trocken; wo früher Binsen wuchsen, wächst jetzt Klee und gutes Futtergras, er kann ein Pferd abschaffen und eine Milchkuh mehr ernähren. Weil er den Dünger nach allen Stücken leicht bringen kann, weiß er ihn zu schätzen; er legt seine Düngergrube jetzt so an, daß die Jauche nicht mehr wie früher die Dorfstraße entlang abfließt, sondern seinem Lande zu gute kommt. Der Hang, der früher der Weide diente, ist mit tausend Obstbüumen bepflanzt, die die Gemeinde mit staatlicher Unterstützung und Anleitung angepflanzt hat. Die Gemeinde ist stolz darauf und hofft, ihre Kommunallasten demnächst daraus bestreikn zu können. Der einzelne Bauer sieht, daß diese Bäume ganz andern Ertrag geben als die alten Bäume, die er in seinem Obstgarten hat; er erführe, daß nur dann ein Baum gedeiht, wenn ein guter Pflanzung von guter Sorte angesetzt wird, der richtig gepflanzt und gut gepflegt wird. Er macht es nun in seinem Obstgarten nach und hat neue Freude und neuen Gewinn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/58>, abgerufen am 24.07.2024.