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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Der Personalkredit des ländlichen Uleingrundbesitzes

auf lange Fristen, gewöhnlich auf zehn Jahre, mitunter sogar auf dreißig
Jahre gewährt; durchschnittlich wird eine Frist von drei Jahren beansprucht.
Der Zinsfuß ist sehr mäßig, meist beträgt er 4, 4^/z, 5 Prozent; selten wird
ein Provisionszuschlag gefordert.

Die Gewährung eines so billigen Kredits ist folgenden Umständen
zuzuschreiben, die die Grundpfeiler der Naiffeisenvereine bilden. Erstens
sind die Verwaltungskosten ganz unbedeutend, weil die Hauptämter von
Pfarrern, Lehrern und Schultheißen als Ehrenposten verwaltet werden; nur
die Rechner erhalten eine Besoldung, die sich aber von dem einzelnen Verein
mit wenigen hundert Mark decken läßt. Ferner fällt bei den Naiffeisenvereinen
das Bestreben, einen Geschäftsgewinn zu erzielen, ganz weg, sodaß sie mit der
geringen Zinsspannung von einem Prozent arbeiten können. Vor allen andern
Organisationen zeichnen sich die Raiffeisenvereine dnrch die Durchführung
größter Uneigennützigkeit aus: ehrenamtliche Thätigkeit des Vorstandes, keine
Geschäftsanteile, keine Dividenden, keine Spekulation, Unteilbarkeit des Vereins¬
vermögens und Ausgabe einfacher Schuldscheine, das sind die Hauptgrundsätze
ihrer Verwaltung.

Eine Hauptsache in der Organisation der Naiffeisenvereine bildet das Be¬
streben, die Thätigkeit der einzelnen Bereine ans einen kleinen Bezirk, in der
Negel auf ein Kirchspiel, das vier bis fünf Ortschaften und höchstens 2000,
im Durchschnitt 700 bis 1200 Einwohner umfaßt, einzuschränken. Bei einem
so mäßigen Umfange bleibt der Verwaltungsorganismus einfach und über¬
sichtlich, seine Kosten belaufen sich nicht allzuhoch; auch lassen sich für die
Leitung dieser kleinen Kassen auf dem Lande beinahe überall geeignete Kräfte
finden, während das bei den Vorschußvereinen mit ihrer viel verwickelten!
Verwaltung, die kaufmännisch geschulte Kräfte erfordert, nicht der Fall ist.

Aber noch ein andrer wesentlicher Grund ist für die räumliche Be¬
schränkung des Wirkungskreises maßgebend gewesen: für die Gewährung von
Persvnalkredit ist für den Darleiher nicht nnr wichtig, daß er die Vermögens¬
lage des Kreditsuchenden im allgemeinen, sondern auch seine persönlichen
Eigenschaften, seinen Fleiß und seine Redlichkeit kennt. Diese Eigenschaften
können aber nur von Personen richtig beurteilt werden, die dem Kreditsuchenden
nahe stehen. So liegt es in der Natur der Sache, daß sich namentlich kleine
Vereine, deren Geschäftsführern und Vertrauenspersonen die einzelnen Mit¬
glieder persönlich bekannt find, zu Gewährung von Persvnalkredit eignen,
zumal da solche auch in der Lage sind, rascher zu helfen als ein Institut, dessen
verantwortlicher Leiter sich nur durch Hilfe von Mittelspersonen von der
Kreditfähigkeit des Suchenden überzeugen kann.

Während ferner die Schulze-Delitzschschen Vvrschußvereine zum Teil der
Solidarhcift noch ermangeln -- in Brandenburg z. V. arbeiten von hundert¬
fünfzig Vereinen fast ein Drittel mit beschränkter Haftpflicht --, halten die


Der Personalkredit des ländlichen Uleingrundbesitzes

auf lange Fristen, gewöhnlich auf zehn Jahre, mitunter sogar auf dreißig
Jahre gewährt; durchschnittlich wird eine Frist von drei Jahren beansprucht.
Der Zinsfuß ist sehr mäßig, meist beträgt er 4, 4^/z, 5 Prozent; selten wird
ein Provisionszuschlag gefordert.

Die Gewährung eines so billigen Kredits ist folgenden Umständen
zuzuschreiben, die die Grundpfeiler der Naiffeisenvereine bilden. Erstens
sind die Verwaltungskosten ganz unbedeutend, weil die Hauptämter von
Pfarrern, Lehrern und Schultheißen als Ehrenposten verwaltet werden; nur
die Rechner erhalten eine Besoldung, die sich aber von dem einzelnen Verein
mit wenigen hundert Mark decken läßt. Ferner fällt bei den Naiffeisenvereinen
das Bestreben, einen Geschäftsgewinn zu erzielen, ganz weg, sodaß sie mit der
geringen Zinsspannung von einem Prozent arbeiten können. Vor allen andern
Organisationen zeichnen sich die Raiffeisenvereine dnrch die Durchführung
größter Uneigennützigkeit aus: ehrenamtliche Thätigkeit des Vorstandes, keine
Geschäftsanteile, keine Dividenden, keine Spekulation, Unteilbarkeit des Vereins¬
vermögens und Ausgabe einfacher Schuldscheine, das sind die Hauptgrundsätze
ihrer Verwaltung.

Eine Hauptsache in der Organisation der Naiffeisenvereine bildet das Be¬
streben, die Thätigkeit der einzelnen Bereine ans einen kleinen Bezirk, in der
Negel auf ein Kirchspiel, das vier bis fünf Ortschaften und höchstens 2000,
im Durchschnitt 700 bis 1200 Einwohner umfaßt, einzuschränken. Bei einem
so mäßigen Umfange bleibt der Verwaltungsorganismus einfach und über¬
sichtlich, seine Kosten belaufen sich nicht allzuhoch; auch lassen sich für die
Leitung dieser kleinen Kassen auf dem Lande beinahe überall geeignete Kräfte
finden, während das bei den Vorschußvereinen mit ihrer viel verwickelten!
Verwaltung, die kaufmännisch geschulte Kräfte erfordert, nicht der Fall ist.

Aber noch ein andrer wesentlicher Grund ist für die räumliche Be¬
schränkung des Wirkungskreises maßgebend gewesen: für die Gewährung von
Persvnalkredit ist für den Darleiher nicht nnr wichtig, daß er die Vermögens¬
lage des Kreditsuchenden im allgemeinen, sondern auch seine persönlichen
Eigenschaften, seinen Fleiß und seine Redlichkeit kennt. Diese Eigenschaften
können aber nur von Personen richtig beurteilt werden, die dem Kreditsuchenden
nahe stehen. So liegt es in der Natur der Sache, daß sich namentlich kleine
Vereine, deren Geschäftsführern und Vertrauenspersonen die einzelnen Mit¬
glieder persönlich bekannt find, zu Gewährung von Persvnalkredit eignen,
zumal da solche auch in der Lage sind, rascher zu helfen als ein Institut, dessen
verantwortlicher Leiter sich nur durch Hilfe von Mittelspersonen von der
Kreditfähigkeit des Suchenden überzeugen kann.

Während ferner die Schulze-Delitzschschen Vvrschußvereine zum Teil der
Solidarhcift noch ermangeln — in Brandenburg z. V. arbeiten von hundert¬
fünfzig Vereinen fast ein Drittel mit beschränkter Haftpflicht —, halten die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/548>, abgerufen am 24.07.2024.