Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Der Personalkredit des ländlichen Rleingrundbesitzes Raiffeisenvereine an dem Grundsatz der unbeschränkten Haftpflicht fest. Nur Hans Crüger, ein Gegner der Raiffeisenvereine, spricht in seinem Buch Einige wenige Zahlen mögen von dem wachsenden Umsatz der Raiffeisen¬ Neben ihnen giebt es fast in jeder Provinz Vereinigungen von ländlichen Der Personalkredit des ländlichen Rleingrundbesitzes Raiffeisenvereine an dem Grundsatz der unbeschränkten Haftpflicht fest. Nur Hans Crüger, ein Gegner der Raiffeisenvereine, spricht in seinem Buch Einige wenige Zahlen mögen von dem wachsenden Umsatz der Raiffeisen¬ Neben ihnen giebt es fast in jeder Provinz Vereinigungen von ländlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0549" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226135"/> <fw type="header" place="top"> Der Personalkredit des ländlichen Rleingrundbesitzes</fw><lb/> <p xml:id="ID_1373" prev="#ID_1372"> Raiffeisenvereine an dem Grundsatz der unbeschränkten Haftpflicht fest. Nur<lb/> bei Genossenschaften mit solidarer Haftung aber wird die volle Verantwortlichkeit<lb/> von jedem einzelnen Genossen empfunden, was zur Folge hat, daß jeder Einzelne<lb/> bemüht ist, Gefahr von der Genossenschaft abzuwenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1374"> Hans Crüger, ein Gegner der Raiffeisenvereine, spricht in seinem Buch<lb/> über Erwerbs- und Wirtschaftsgeuossenschaften den ländlichen Darlehnskassen<lb/> die Möglichkeit des gesicherte» Bestandes ab, weil sie sich aus einer Berufs¬<lb/> klasse, den Landwirten, zusammensetzten, die meist zu gleicher Zeit Geld<lb/> brauchten und durch gleichzeitige Inanspruchnahme der Mittel die Kassen in<lb/> Verlegenheit brächten. Er stellt den Naiffeisenkassen die Vorschußvereine<lb/> gegenüber, die alle Berufsklassen vereinigten und den Ansprüchen ihrer Mit¬<lb/> glieder viel leichter gerecht werden könnten, da in den verschiednen Berufs¬<lb/> zweigen auch zu verschiednen Zeiten Geld flüssig sei und Geld begehrt<lb/> werde. Solange die Naiffeisenkassen vereinzelt, ohne geschäftliche Ver¬<lb/> bindung mit ihren Geschwisterkasfen wirtschafteten, konnte es in der That<lb/> z. B. in Westpreußen vorkommen, daß sie an chronischem Geldmangel litten<lb/> und eine verhältnismäßig geringe Entwicklung hatten. Sobald sie sich aber<lb/> zu Unterverbänden und Revisionsverbänden zusammenthaten und eine große<lb/> Provinzialkasse als Geldausgleichstelle errichteten oder sich an die Neuwieder<lb/> Zentrale, die Generalanwaltschaftskasse, anschlössen, kamen solche Geschäfts-<lb/> stocknngen nicht mehr vor. Der Grundsatz Crügers hat sich also, so ein¬<lb/> leuchtend er in der Theorie erschien, in der Praxis als irrig erwiesen; es<lb/> genügt, wenn die Mitglieder eines Vernfs sich gegenseitig werkthätig unter¬<lb/> stützen. Sind doch auch die Interessen von Landwirtschaft und Industrie in<lb/> der Kreditwirtschaft im Grunde so verschieden, daß ein Zusammengehen beider<lb/> Berufsklassen auf diesem Gebiete sür die Landwirtschaft gar nicht ersprießlich<lb/> sein kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Einige wenige Zahlen mögen von dem wachsenden Umsatz der Raiffeisen¬<lb/> vereine wie von ihrer schnellen Zunahme in den letzten Jahren zeugen. In<lb/> der Provinz Hannover ist der Umsatz, der im Jahre 1890 1^/z Millionen Mark<lb/> betrug, bis zum Jahre 1395 auf mehr als das Dreifache, auf 5 Millionen<lb/> Mark gestiegen; die Zahl der Vereine belief sich 1890 auf 60. 1895 auf 134.<lb/> In Württemberg hatten die Raiffeisenvereine 1885 11000 Mitglieder und<lb/> 2V, Millionen Mark Geschäftsumsatz; im Jahre 1893 hatte sich die Zahl der<lb/> Mitglieder verfünffacht, die Höhe des Geschäftsumsatzes versechsfacht. In<lb/> Schleswig-Holstein wurden allein im Jahre 1896 50 Raiffeisenvereine ge¬<lb/> gründet; in Westfalen hat sich die Zahl ihrer Mitglieder in vier Jahren<lb/> ebenso wie der Geschäftsumsatz verdoppelt. Ein solches Wachstum ist wohl<lb/> der beste Beweis für die Trefflichkeit der Raiffeisenvereine.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376" next="#ID_1377"> Neben ihnen giebt es fast in jeder Provinz Vereinigungen von ländlichen<lb/> Spar- und Darlehnskassen, die auf denselben Grundsätzen beruhen. Einige</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0549]
Der Personalkredit des ländlichen Rleingrundbesitzes
Raiffeisenvereine an dem Grundsatz der unbeschränkten Haftpflicht fest. Nur
bei Genossenschaften mit solidarer Haftung aber wird die volle Verantwortlichkeit
von jedem einzelnen Genossen empfunden, was zur Folge hat, daß jeder Einzelne
bemüht ist, Gefahr von der Genossenschaft abzuwenden.
Hans Crüger, ein Gegner der Raiffeisenvereine, spricht in seinem Buch
über Erwerbs- und Wirtschaftsgeuossenschaften den ländlichen Darlehnskassen
die Möglichkeit des gesicherte» Bestandes ab, weil sie sich aus einer Berufs¬
klasse, den Landwirten, zusammensetzten, die meist zu gleicher Zeit Geld
brauchten und durch gleichzeitige Inanspruchnahme der Mittel die Kassen in
Verlegenheit brächten. Er stellt den Naiffeisenkassen die Vorschußvereine
gegenüber, die alle Berufsklassen vereinigten und den Ansprüchen ihrer Mit¬
glieder viel leichter gerecht werden könnten, da in den verschiednen Berufs¬
zweigen auch zu verschiednen Zeiten Geld flüssig sei und Geld begehrt
werde. Solange die Naiffeisenkassen vereinzelt, ohne geschäftliche Ver¬
bindung mit ihren Geschwisterkasfen wirtschafteten, konnte es in der That
z. B. in Westpreußen vorkommen, daß sie an chronischem Geldmangel litten
und eine verhältnismäßig geringe Entwicklung hatten. Sobald sie sich aber
zu Unterverbänden und Revisionsverbänden zusammenthaten und eine große
Provinzialkasse als Geldausgleichstelle errichteten oder sich an die Neuwieder
Zentrale, die Generalanwaltschaftskasse, anschlössen, kamen solche Geschäfts-
stocknngen nicht mehr vor. Der Grundsatz Crügers hat sich also, so ein¬
leuchtend er in der Theorie erschien, in der Praxis als irrig erwiesen; es
genügt, wenn die Mitglieder eines Vernfs sich gegenseitig werkthätig unter¬
stützen. Sind doch auch die Interessen von Landwirtschaft und Industrie in
der Kreditwirtschaft im Grunde so verschieden, daß ein Zusammengehen beider
Berufsklassen auf diesem Gebiete sür die Landwirtschaft gar nicht ersprießlich
sein kann.
Einige wenige Zahlen mögen von dem wachsenden Umsatz der Raiffeisen¬
vereine wie von ihrer schnellen Zunahme in den letzten Jahren zeugen. In
der Provinz Hannover ist der Umsatz, der im Jahre 1890 1^/z Millionen Mark
betrug, bis zum Jahre 1395 auf mehr als das Dreifache, auf 5 Millionen
Mark gestiegen; die Zahl der Vereine belief sich 1890 auf 60. 1895 auf 134.
In Württemberg hatten die Raiffeisenvereine 1885 11000 Mitglieder und
2V, Millionen Mark Geschäftsumsatz; im Jahre 1893 hatte sich die Zahl der
Mitglieder verfünffacht, die Höhe des Geschäftsumsatzes versechsfacht. In
Schleswig-Holstein wurden allein im Jahre 1896 50 Raiffeisenvereine ge¬
gründet; in Westfalen hat sich die Zahl ihrer Mitglieder in vier Jahren
ebenso wie der Geschäftsumsatz verdoppelt. Ein solches Wachstum ist wohl
der beste Beweis für die Trefflichkeit der Raiffeisenvereine.
Neben ihnen giebt es fast in jeder Provinz Vereinigungen von ländlichen
Spar- und Darlehnskassen, die auf denselben Grundsätzen beruhen. Einige
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |